Evadeen Brickwood

Singende Eidechsen


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und ich fragte mich, ob es eine gute Idee war, meine Identität zu verbergen. Vielleicht hatte ja jemand Informationen über Claire, die mich weiterbrachten. Aber es war zu spät um meine Story zu ändern. Es musste einen anderen Weg geben.

      Ich sollte allerdings bald Kontakt mit Gaborone aufnehmen. Mit der zentralen Polizeistelle dort und der britischen High Commission. Aber die Verständigung mit Gaborone war nach wie vor schwierig.

      Mr. Poppelmeyer ließ über das Telefon im Berufszentrum einfach keine Privatgespräche zu. Ich schaffte es einmal die British High Commission vom Botsalo Hotel aus anzurufen.

      Nach fünf Minuten Greensleeves gab ich auf. Dazu kam noch, dass sich Einzelheiten nicht besprechen ließen, ohne dass jemand mithörte. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten bis Tony dazu bereit war nach Gaborone zu fahren.

      Ich musste nicht lange warten. Am folgenden Wochenende entschloss Tony sich einen Tagesausflug nach Gaborone zu unternehmen. Endlich!

      Gabs wäre in England als Kleinstadt durchgegangen. Aber es hatte die Aufmachung und die vornehme Haltung einer Hauptstadt. Der Verkehr floss gemächlich dahin. Die Straßen waren zwar staubig, aber breit und geteert. Es gab ab und zu eine Ampel und sogar den gelegentlichen Kreisverkehr.

      Wir tourten durch die Stadt und ich bekam eindrucksvolle Häuser mit üppigen Palmengärten zu sehen.

      Bougainvillea Büsche mit massenhaft pinken, lila und roten Blüten ergossen sich über Gartenmauern und kletterten in würdevolle blau-blühende Jacaranda Bäume. Ich war von der Schönheit Gaborones wie berauscht. Viele der Pflanzen kannte ich nur von englischen Blumentöpfen her und hier wuchsen sie draußen an der frischen Luft.

      Im Stadtzentrum lag die Shoppingmeile, einfallsreich auch ‘Die Europäische Mall’ genannt. Mit unserer Mall in Palapye hatte sie aber wenig gemein. Diese ‘Mall’ erstreckte sich von einem Denkmal im Osten bis zu den Verwaltungsgebäuden im Westen.

      Es gab Banken, einen Buchladen, einen Supermarkt, ein Kino, ein paar Kleidergeschäfte, eine Eisenwarenhandlung und einen Souvenirladen. Büros und Konsulate vervollständigten das Bild. Die britische High Commission lag nur über die Straße. Kleinere Malls waren in Gaborone hier und da auch vorhanden, aber das Stadtleben fand zweifellos in der ‘Mall’ statt.

      Claire ist hier entlanggelaufen, dachte ich wehmütig. Sie hatte sicher in einem dieser Geschäfte ihr warmes Bettzeug gekauft.

      Etwa in der Mitte der ‘Mall’ überblickte das mehrstöckige ‘President Hotel’ gelassen die geschäftige Fußgängerzone. Breite Treppen führten zum gut besuchten Restaurant auf der schattigen Terrasse hinauf. Die belebte Mall kam meiner Vorstellung von einem afrikanischen Markt schon etwas näher. Der Buchladen war erstaunlich gut bestückt. Ich erstand günstig zwei Jane Austen Klassiker. Es gab sogar eine Kopie von Grandpas frühem Werk ‘El Jadida’ auf dem Regal für Historische Belletristik und ich kaufte die Kopie.

      Auf dem Weg nach draußen, stieß ich mit einem beleibten Herrn in hellblauem Safarianzug zusammen. Es war zwar meine Schuld gewesen, aber der Mann entschuldigte sich trotzdem. Wie höflich. “Ah sorry, no Matata”, sagte er. Das bedeutet soviel wie ‘kein Problem’. Das Wort sorry ließ sich vielfältig einsetzen.

      Im Corners Supermarket rollte mein Einkaufswagen aus Versehen in einen gepolsterten Hintern und die Antwort auf meine gestammelte Entschuldigung war ‘Ah sorry, Madam, no matata.’

      Leute auf der Straße zu grüßen war ein wichtiger Bestandteil der Tswana-Etiquette. Und selbst in der Hauptstadt durfte man nicht einfach unhöflich vorbeigehen.

      Ich grüßte wohlerzogen zwei ältere Damen, die in der Obst- und Gemüseabteilung des Supermarkts neugierig Blickkontakt gemacht hatten. Das Signal zu grüßen!

      “Dumelang, bo-mma.”

      “Dumela, mma.” Die Matronen nickten zufrieden und gingen weiter.

      Ich hätte gerne mit Claires früheren Kollegen oder der High Commission Kontakt aufgenommen. Aber es war Wochenende und für Tony stand der Einkauf notwendiger Dinge im Vordergrund. Zum Abschluss gab es noch ein Mittagessen etwas abseits der ‘Mall’, im Gaborone Sun Hotel. Dann ging es auch schon wieder nach Palapye zurück.

      Ich traute meinen Augen kaum, als direkt vor uns eine Kuhherde im Stadtverkehr durch die Straßen getrieben wurde. Tony meinte, sie seien wahrscheinlich auf dem Weg zum Schlachthaus in Lobatse.

      “Wo hast du eigentlich mit Claire gewohnt, hier in Gabs?” fragte ich Tony auf einmal.” Wo steht das Firmenwohnhaus?”

      “Oh irgendwo da drüben —” er winkte mit seiner Hand ohne hinzusehen.

      “Ich würde mir das gerne ansehen. Können wir nicht schnell mal vorbeifahren?” Wahrscheinlich dachte ich, dass ich dort Claires Spur aufnehmen oder so eine Art Geistesblitz haben würde.

      “Lieber nicht. Nächstes Mal vielleicht,” murmelte er.

      Ich wusste, dass Tony den anderen Ausländern noch aus dem Weg ging. Das Verschwinden meiner Schwester hatte in diesen Kreisen einen mittleren Skandal verursacht. Außerdem ging er allem aus dem Weg, das mit Claire zu tun hatte.

      “Was mache ich bloß?” jammerte ich, als wir im Verkehr warteten. “Ich komme überhaupt nicht voran mit meiner Suche.”

      “Du kannst ja mal allein nach Gabs kommen und für ein paar Tage bei Uli Winckler und seiner Familie übernachten,” schlug Tony vor.

      Wir sahen das Hinterteil der letzten Kuh hinter ein paar Bäumen verschwinden und fuhren weiter.

      “Uli ist ein hohes Tier am Automotive College und seine Frau Rita ist unheimlich nett. Die beiden haben sicher nichts dagegen, wenn du bei ihnen wohnst. Nächste Woche kannst du mit einem der Minenleute nach Gabs mitfahren. Ich hol’ dich dann am Wochenende wieder ab. Das heißt, wenn Poppelmeyer mich nicht braucht.”

      Das hörte sich ganz so an, als wolle Tony mich loswerden.

      “Was, und einen neuen Heiratsantrag riskieren?”

      “Ja —” Tony lachte kurz auf.

      “Was ist denn mit dir, willst du nicht auch mitkommen?”

      Wir hielten an einer Ampel an.

      “Ich, Ich kann nicht…nicht…noch nicht,” stotterte er auf einmal.

      “Was ist, wenn ich was wichtiges über Claire herausfinde?” Ich ließ nicht locker. Irgendwann mussten wir ja schließlich darüber reden.

      “Ich muss arbeiten und kann damit jetzt einfach noch nicht umgehen, okay?”

      Ich hatte es satt das zu hören, aber was sollte ich tun? Ich wollte mich nicht streiten. Ohne Tony war ich aufgeschmissen.

      “Wir müssen doch endlich mal darüber reden, Tony.”

      Wir waren auf der Hauptstraße.

      “Ich weiß Aber nicht gerade jetzt.” Oh, es war zum Auswachsen mit ihm!

      “Okay, dann geh’ ich eben. Was ist mit Montag?” drängte ich. Wozu noch warten?

      “Ich ruf’ die Wincklers am Montag an,” versprach Tony.

      Aber daraus wurde nichts. Am Montag hatte sich die Englischlehrerin immer noch nicht eingefunden. Sie wohnte in einem Dorf im Okavango Delta. Ohne Telefon.

      Tony war ihr direkter Vorgesetzter. Er konnte nicht länger warten und flehte mich geradezu an, ihre Klassen zu übernehmen. Das letzte Semester des Jahres war schrecklich wichtig und Abschlussprüfungen standen an.

      “Wir brauchen dringend eine Vertretung,” sagte er.

      “Was ist wenn diese Lehrerin auch verschwunden ist?” fragte ich ängstlich. Wer weiß, was da draußen im Busch alles passieren konnte.

      “Wohl kaum. Wahrscheinlich musste sie zu irgendeinem Begräbnis oder zu einer Hochzeit gehen. Vielleicht hat sie auch einfach keine Lust mehr hier zu arbeiten. Zeit hat hier in Botswana eine ganz