Evadeen Brickwood

Singende Eidechsen


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Mit ‘Dumela mma’ konnte man sich schlecht durchfragen. Nicht mal Claire war durch schlammige Straßen gefahren und sie war auf dem Weg zum Reservat verlorengegangen. Ich hatte Angst. Das Risiko, dass ich mich verfahren würde, war einfach zu groß. Wieder hieß es abwarten.

      Meine Eltern waren erleichtert, dass ich nichts über Schießereien oder Bomben zu berichten hatte. Die einzigen Waffen, von denen ich wusste, hingen über den Schultern der Soldaten an den Straßensperren.

      Am meisten fehlte mir Claire! Sie hätte schon eine Idee gehabt, was zu tun sei. Sie hätte nicht gewartet. Ich zeigte schon so viel Mut, wie ich nur aufbringen konnte.

      Hinter dem Schulkomplex drängte sich ein kleines Tal. Wegen der hohen Zäune musste man den Komplex verlassen und sich auf einem engen Pfad entlangtasten, um ein Plätzchen mit schönem Ausblick zu finden. Ich träumte manchmal davon, Claire eines Tages dort hinter den Hügeln wiederzufinden. Bald.

      In der Zwischenzeit musste ich zu Fuß einkaufen gehen. Die lange Straße vom Berufszentrum zu den Shops war zwar frisch geteert, machte aber einen weiten Bogen um das Dorf.

      Es gab kein Fleckchen Schatten und der ölige Teerbelag blieb an den Schuhen kleben. Es war besser die Abkürzung zwischen Bäumen und Motsetsi-Kraals zu nehmen. Auch wenn man durch den tiefen, hellen Sand waten musste. Aber auf keinen Fall barfuß. Der Sand war zu heiß und barg scharfe Objekte.

      Zu meiner Enttäuschung gab es keinen traditionellen Markt in Palapye. Das einzige was man als Dorfzentrum bezeichnen konnte, war die kurze gemauerte Hausreihe, die wir die Mall nannten. Das Botsalo Hotel war weit davon entfernt. Auf der anderen Seite der vielen Kraals.

      Die einzigen zwei Läden waren der Gemüsehändler, wo man vor allem Kohlköpfe, Spinat und Kürbis erstehen konnte und ein Laden, der die notwendigsten Lebensmittel verkaufte, wie Brot, Crosse & Blackwell Mayonnaise und H-Milch.

      Daneben war eine Shebeen, eine afrikanische Kneipe, wo man einen Happen essen konnte. Tswanas suchten Shebeens gewöhnlich für einen Humpen Hirsebier auf. Neo Moletsane hatte uns dort stolz zu einer Mahlzeit Pap mit fettigem Kochfleisch und Tomatensoße eingeladen.

      Wir setzten uns an einen der wackeligen Tische, die mit geblümtem Wachstuch bedeckt waren. Das bestellte Essen kam auf viel benutzten Plastiktellern mit Rote-Beetesalat und mit unsauberem Besteck.

      Kein Liebhaber von fettigem Fleisch, hielt ich mich an den Pap und rote Beete. Ich versuchte das ungewohnte Hirsebier nicht gleich wieder auszuspucken. Neo bemerkte mein Unbehagen und bestellte eine Cola.

      Mein Einkaufsausflug endete angenehm, als Alfred, der gerade Mittagspause machte, mich zum Komplex zurückfuhr.

      Als das Auto wieder fahrtüchtig war, fuhr Tony mit mir nach Serowe und Selebi Phikwe. Die Speisekammer musste aufgefüllt werden.

      Es gab dort richtige Supermärkte! Sie hatten Kühlschränke und man bekam frische Milch, Obst und Gemüse.

      “Endlich,” stöhnte ich. “Ich hab’ Dosenfutter so satt.”

      “Deshalb brauchen wir Kühlboxen. Im heißen Kofferraum kann ein Salat schon mal zu Brei werden. Wie gekochter Spinat.”

      “Klasse. Und statt Joghurt gibt’s dann Käsekuchen.”

      “Ja genau. Aber das wäre gar nicht so schlecht.”

      “Claire liebt Käsekuchen.”

      “Mhm.”

      Das war alles was er sagte. Es war einen Versuch wert gewesen, aber wie lange würde das noch so weitergehen?

      Tony hatte keine schlechte Laune oder so und wir gingen nach dem Einkaufen ins Museum für Tswana-Kultur. Der Eingang zu dem einfachen Gebäude war verschlossen.

      Auf dem Schild stand aber deutlich, dass das Museum am Samstag geöffnet war. Tony fragte ein paar Männer auf der Straße.

      Sie sprachen ein wenig gebrochenes Englisch und meinten, dass der Museumsdirektor um die Ecke wohnte. Sie boten an, ihn zu holen und bald hastete er herbei.

      “Ich hatte um diese Jahreszeit noch gar keine Touristen erwartet,” entschuldigte sich der Museumsdirektor. Die flexiblen Regeln gefielen mir. Wenn in England ein Museum geschlossen war, war es eben geschlossen und Schluss

      “Schau dir das an, Tony.“

      Ich war von den Khoi San Schnitzereien in der winzigen Eingangshalle fasziniert. Ein hölzernes Brettchen mit flachgeklopften Nägeln auf denen man mit dem Daumen spielen konnte, lag auf einem Podest.

      “Das ist ein Buschmannklavier,” erklärte uns der Museumsdirektor. “Alles hier wird von Buschmännern aus der Kalahari Wüste handgearbeitet.”

      Buschmänner. Ich hatte etwas über Buschmänner gelesen.

      Der Mann war noch ganz außer Atem und bezog Stellung hinter der Theke. Von hier aus nahm er zwei Pula Eintritt pro Person entgegen. Eine Gruppe Amerikaner hatten sich ebenfalls zum Museum verirrt und stellten sich hinter uns an.

      “Toll Mann, es gibt hier mitten in der Wüste ‘n Museum, hey Bob?”

      “Yeah, kann man die Figur da kaufen? Brauche noch’n Mitbringsel für Meg.”

      Nachdem wir uns die spärliche Ausstellung von Hütten, Kochgeschirr aus Ton und geflochtenem Gras angesehen hatten, erzählte uns der Museumsdirektor alles was man über die Bierzubereitung der Tswanas wissen musste. Die Amerikaner uuhten und aahten und fotografierten andauernd.

      “Bier - genau’s richtige für mich, hey Bob?”

      Als Nächstes gingen wir in ein bunt bemaltes Restaurant an Serowes staubiger Hauptstraße. Der Besitzer des Lokals waren ein verschwitzter Schotte und seine dicke Tswana-Frau. Es gab einen einfachen aber herzhaften Fleischeintopf mit Samp, einen groben Brei aus ganzen weißen Maiskörnern. Es schmeckte erstaunlich gut.

      Wir saßen oben, direkt am großen Glasfenster. Von hier aus hatte man die beste Aussicht auf Serowe. Man sah eine Unmenge kleiner Häuser, die grün oder pink angemalt waren. Karren wurden von Eseln im Schneckentempo durch den hupenden Verkehr gezogen.

      Babys machten die Reise durch das Verkehrschaos in großen Handtücher auf den Rücken ihrer Mütter gebunden.

      Wie Serowe hatte ich mir Afrika auch nicht gerade vorgestellt. Wie sah es wohl in Bobonong aus, und im Tuli Block? Ich durfte mich nicht zu sehr von meinem Ziel in Botswana ablenken lassen!

      Aber ich ließ mich ablenken.

      Tony und ich wurden zu Barbecues eingeladen, die hier Braais hießen Unsere Gastgeber waren meist gesellige Südafrikaner, die an der Mine in Selebi Phikwe arbeiteten. Ein amerikanischer Lehrer, der in einem Hippiehaus, weit ab von der Hauptstraße in den Hügeln wohnte, war der bemerkenswerteste Gastgeber.

      Jeder dachte natürlich ich sei Tonys Freundin und zog uns unbarmherzig wegen unseres unverheirateten Daseins auf.

      In diesen engen Kreisen waren Frauen entweder verheiratet oder verlobt. Nicht die Zwillingsschwestern von verschwundenen Freundinnen. Wir sagten wenig und lächelten. Menschen im südlichen Afrika - schwarz oder andersfarbig - waren recht gastfreundlich. Sie waren auch recht religiös, im christlichen Sinne des Wortes.

      Am Wochenende konnte man Tswanas in langen Gewändern und ‘Kirchenuniformen’ daher schreiten sehen. Sie versammelten sich im Schatten ausladender Bäume, wo gesungen und getrommelt wurde.

      Violett war die Farbe der Katholiken, und grün und weiß für die Anhänger der apostolischen Kirche reserviert. Frauen in hellroter Kleidung versammelten sich oft in Gruppen an den Bushaltestellen, aber ich fand nie heraus welcher Religion sie nun eigentlich angehörten. Einige weiße Frauen trugen auf dem Weg zur Kirche Spitzendeckchen auf dem Kopf. Erstaunlich.

      Der Spätfrühling ging in den Frühsommer über und ich stellte fest, wie schmerzhaft es sein konnte tagsüber keinen Sonnenschutz und Hut zu tragen.

      Nach einem Ausflug in eine verlassene Siedlung der McAlpine Company in den Hügeln westlich von Palapye, nahmen