Evadeen Brickwood

Singende Eidechsen


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den letzten beiden Ferienwochen kam langsam etwas Leben ins Berufszentrum. Ganz langsam.

      Bis auf die Angestellten und einige ausländische Lehrer, war der Komplex immer noch recht verlassen. So sehr ich mich in England manchmal nach Ruhe gesehnt hatte, war es jetzt zu ruhig. Ich sehnte mich nach ein paar verständigen Freundinnen, mit denen ich mich unterhalten konnte.

      Oh Liz, Diane und Sahida, es tut mir leid, wenn ich euch nicht genug zu schätzen wusste!

      Was Kommunikation anging, befanden wir uns ja noch in grauer Vorzeit. E-Mail, SMS und Mobiltelefone gab es noch nicht und sowas wie Skype existierte höchstens in Science Fiction Filmen.

      Um nicht den Verstand zu verlieren, machte ich mich daran, in Tony’s Garten Blumen, Kräuter und Unkraut, das wie Blumen aussah, anzupflanzen. Tony hielt es fürs beste, mir das Projekt zu überlassen.

      Tagelang grub ich den sandigen Boden um und mischte stinkigen Kuhmist darunter, den Tony Lastwagenweise bestellt hatte. Dann wurde alles eingegraben. Buschige Motsetsizweige aus dem Dorf lagen in großen Haufen neben der Auffahrt. Das alles zur Belustigung der einheimischen Komplexarbeiter. Für mich war es die reinste Therapie.

      Neo hatte mir versichert, dass die Motsetsi-Pflanzen schnell anwachsen würden. Alles was man machen musste, war sie am Zaun entlang in den Boden zu stecken und oft zu wässern.

      Ein kleiner Steingarten war als Nächstes an der Reihe. Wir hatten nach einer wackeligen Fahrt über Stock und Stein von einem ausgetrockneten Flussbett glatte Steine mitgebracht.

      Und das war noch lange nicht alles.

      Neo erwähnte, wie man aus verschieden großen Autoreifen einen Gemüsegarten anfertigen konnte. Die Reifen wurden aufeinandergelegt und mit Kompost gefüllt. Das Ganze hieß dann ‘Wakah’.

      “Das braucht kaum Wasser und wenig Pflege, und du hast immer frischen Salat und Kräuter zur Hand,” meinte er.

      Bald stand ein dreistöckiger Wakah-Turm im Garten. Der ständige Regen half winzigen, grünen Blättchen dabei sich durch den Boden zu arbeiten. Ein zähes Akazienbäumchen vervollständigte den Garten.

      Meine Hände waren schmutzig und meine Nägel ungepflegt, aber ich war stolz auf meine Leistung.

      All das musste auch ein faszinierender Anblick für Ethel Poppelmeyer gewesen sein. Ethel war die ziemlich propere Frau des glatzköpfigen neuen Schuldirektors, dessen Bauch sich gerade noch in den hellblauen Safarianzug knöpfen ließ Die beiden waren Tonys direkte Nachbarn.

      Wir waren einander noch nicht formell vorgestellt worden, aber ich wusste dass Ethel nebenan wohnte. Sie beobachtete mich oft hinter cremefarbenen Spitzengardinen, die mit ihr aus England angereist waren. Wahrscheinlich gab es noch nichts anderes zu beobachten.

      Sie nahm offenbar an, dass Tony und ich in Sünde lebten. Zumindest hatte ich das im Botsalo Hotel gehört. In dem kleinen englischen Ort Cobblestead, aus dem sie stammte, hätte man so eine Lebensart wohl nicht toleriert. Ich fand das erheiternd.

      Ich ging nach der Arbeit ins Haus, um mich zu waschen. Teile des Gartens klebten noch an mir und das Wasser tropfte mal wieder braun und spärlich aus dem Hahn.

      Na prima. Ich brauchte eine Weile, um mich sauber zu schrubben. Ich war gerade dabei mich mit einem gekühlten Getränk auf der Veranda niederzulassen, als ich sah wie Ethel die noch leeren Fertighäuser auf der anderen Straßenseite inspizierte.

      Es musste Ethel sein, da es nicht viele Frauen mit dauergewelltem blonden Haar im Komplex gab. Sie kam herüber, um unsere neu gepflanzte Motsetsihecke zu begutachten. Komm’ schon Bridget, gib dir einen Stoß Sei ein guter Nachbar und rede mit ihr, sagte ich mir. Schließlich interessierte sie sich immer so sehr für meine Gartenarbeit.

      “Hallo Ethel, ich heiße Bridget, schön Sie endlich kennenzulernen,” begrüßte ich sie und schlenderte die Auffahrt hinunter. Jeder hier benutzte Vornamen, also dachte ich mir nichts weiter dabei.

      Ethel fuhr zusammen und stieß sich vom Zaun ab, als sei er elektrisch geladen. Ihre Augen unter den hellen, buschigen Augenbrauen betrachteten mich misstrauisch. Sie machte einen schwachen Versuch mir die Hand zu schütteln, überlegte es sich aber anders und streichelte lieber eine junge Motsetsipflanze.

      Offenbar hatte sie nicht bemerkt, dass ich zuhause war. Du lässt nach, Ethel, dachte ich amüsiert.

      “Wie geht es Ihnen?” antwortete sie steif und ihr Gesicht nahm einen dünkelhaften Ausdruck an.” Wir sollten uns mit Nachnamen anreden. Wissen Sie denn nicht, dass ich die Frau des Schuldirektors bin?”

      “Sicher weiß ich das.” Jeder wusste, dass sie die Frau des Schuldirektors war.

      “Man muss schließlich einen gewissen Anstand wahren, vor allem in so fremden Breiten. In dieser Wildnis. Ich werde Sie mit Miss Reinhold ansprechen und für Sie bin ich bitteschön Mrs. Poppelmeyer.”

      Sie hielt ihre Rede ohne die geringste Spur eines Lächelns auf den dünnen Lippen. War es Ethel noch nicht in den Sinn gekommen, nett zu ihren Mitmenschen zu sein, wenn sie in der Wildnis nicht vor Einsamkeit zugrunde gehen wollte?

      “Aber natürlich, verzeihen sie meine Vorwitzigkeit. Ich werde ab jetzt immer tadellosen Anstand zeigen, Mrs. Poppelmeyer,” sagte ich voll Ironie, was sie nicht zu bemerken schien.

      “Ja,” sagte sie nachdenklich. “Vielleicht darf ich Sie ja schon bald mit Mrs. Stratton anreden?”

      Das wurde ja immer bunter. “Das glaube ich kaum. Tony und ich haben nicht vor zu heiraten.”

      “Oh, wie bedauerlich, Miss Reinhold,” sagte Ethel eisig. “Unter diesen Umständen werden wir kaum etwas miteinander zu besprechen haben, Miss Reinhold.” Anscheinend mochte sie meinen Nachnamen, weil sie ihn ständig wiederholte.

      Sie streckte ihre Nase noch etwas höher in die Luft.

      “Ja, das ist sehr bedauerlich, Mrs. Poppelmeyer. Aber ich bin davon überzeugt, dass Sie gute Gründe dafür haben.”

      “Durchaus.” Sie ließ endlich die arme Motsetsi Pflanze los und strich stattdessen ihre bestickte Schürze glatt.

      “Es war trotzdem nett, sie kennenzulernen.” Ich hätte ihr noch gerne so einiges an den Kopf geworfen, aber um Tonys Willen lächelte ich nur.

      “Guten Tag Miss Reinhold. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich bin äußerst beschäftigt.” Damit drehte sie sich um, stieß fast mit einem streunenden Hund zusammen und marschierte zum Haus des Schuldirektors zurück. Kurz darauf bewegten sich die Spitzengardinen. Ich setzte mich kopfschüttelnd mit meinem Glas auf die Veranda.

      Irgendwie tat sie mir leid. Vielleicht hatte die afrikanische Hitze Ethels Gehirn ja ein wenig durchgebraten. Andererseits hatten die Poppelmeyers laut Tony einige Zeit in Südamerika gelebt. Na, wenn das nicht genauso exotisch war wie hier!

      Tony lachte nur über die Sache mit Ethel.

      “Sie kriegt noch einen steifen Hals, wenn sie ihre Nase immer so hoch hält. Das macht sie bei allen so. Ethel Poppelmeyer ist eine einsame Frau,” sagte er. “Alle ihre Hausmädchen laufen nach ein paar Tagen davon. Sie scheint sich für so’ne Art Adelsdame auf ihrem Schloss zu halten. Um sie herum gibt’s nur niedere Dienstboten.”

      “Nur dass es hier kein Schloss gibt. Und schon gar keine niederen Dienstboten.”

      “Ganz genau.”

      “Sie scheint sich hier nicht sehr wohlzufühlen. Manche Leute können sich eben nicht so leicht anpassen,” meinte ich.

      Tony grinste verschmitzt. “Wahrscheinlich eher ‘falsches Jahrhundert’.”

      Palapye war nicht gerade der unterhaltsame Ort, den ich mir in meiner Fantasie vorgestellt hatte.

      Es gab keine wimmelnden Märkte, keine wilde Tanzmusik und keine lachenden Marktfrauen in farbenfroher Kleidung. Die Einheimischen konnten ziemlich zurückhaltend sein. Ein Zustand, dem sie manchmal mit genug Hirsebier Abhilfe schafften.

      Auch