Evadeen Brickwood

Singende Eidechsen


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es mir mit denen zu reden. Du lächelst einfach nur.” Ich rieb mir die Augen. Tony musste seinen Kofferraum öffnen und ich lächelte was das Zeug hielt.

      Die Soldaten waren jung und sehr nervös. Maschinengewehre hingen leger über mageren Schultern. Waren sie schießfreudig? Der barsche Ton und die Gewehre machten mich ganz kribbelig. Ich hatte noch nie eine richtige Waffe aus der Nähe gesehen. Wir mussten noch unsere Pässe vorzeigen und wurden dann weiter gewunken. Der ganze Spuk dauerte nur ein paar Minuten.

      “Au weia,” stöhnte ich und fing wieder an normal zu atmen, als wir uns von dem Road-Block entfernten.

      “Gewöhne dich besser dran. In den Städten gibt es auch Straßensperren.”

      “Was machen die denn, wenn sie was finden?”

      “Ach, das passiert nur selten. Ein englischer Vertreter war mal mit einer alten Bomberjacke aus seiner Army-Zeit erwischt worden. Den haben sie stundenlang verhört. Der arme Kerl war noch ganz durcheinander als er uns das ganze im Botsalo Hotel erzählte.”

      Botsalo Hotel. Da hatte ich Tony doch vor zwei Wochen angerufen.

      “Das ist ja sehr beruhigend,” murmelte ich. Wie konnte man sich an so was gewöhnen?

      “Nimm’ nie was army-grünes mit und sei immer freundlich. Dann kriegst du keine Probleme,” sagte Tony. Ok, nichts army-grünes und sei immer freundlich, dachte ich schläfrig.

      Die Sonne sank schon auf die Hügelspitzen, dabei war es noch früher Nachmittag. Ein hauch von Nebel lag über den Feldern. Ich aß noch ein Sandwich und gab Tony das mit Salami. Er biss einmal hinein und starrte dann wieder auf die Straße. Erwartete er etwa, dass jeden Moment eine Kuh hinter einer Hütte vorgeprescht kam?

      “Tony, erzähl’ mir was über Palapye.” Wir waren gerade an einem Straßenschild mit dem Ortsnamen vorbeigefahren und gleich darüber stand ‘Francistown’.

      Tony atmete tief durch, als hätte ich ihn aus einem Traum geweckt.

      “Da gibt’s nicht viel zu erzählen... aber wundere dich nicht, wenn du am Anfang keine Häuser siehst.”

      Er biss wieder in das Sandwich, das er auf das Armaturenbrett gelegt hatte. “Die meisten Kraals sind hinter Motsetsi Hecken und getrockneten Ästen versteckt.”

      “Was sind denn Motsis?” Wovon redete er?

      “Motsetsi sind hohe, immergrüne Pflanzen. du wirst schon sehen. Dann gibt’s da noch die neue Teerstraße, die bis nach oben ins Berufszentrum führt. Das ist die einzige Straße im Dorf, aber alle nehmen tagsüber die Abkürzung durch den tiefen Sand, an den Kraals vorbei. Ich habe ein Haus im neuen Wohnkomplex beim Berufszentrum. Dann gibt es da noch eine Highschool. Und natürlich das Botsalo Hotel.”

      Tony aß den letzten Sandwichhappen. Er kaute bedächtig und wischte sich die Hand an einem Taschentuch ab.

      “Der Komplex ist hinter dem Berufszentrum. Alles befindet sich hinter Zäunen. Ziemlich monoton, wie eine Gartenkolonie im Sand,” meinte er.

      “Ich kann dir helfen einen Garten anzupflanzen,” bot ich spontan an. Etwas Grün ums Haus konnte nichts schaden. Wie unser Garten in Cambridge.

      “Mhm,” sagte Tony.

      “Diese Hecken scheinen eine gute Idee zu sein,” sagte ich, aber die Diskussion war schon beendet.

      Wir fuhren weiter und bald zeigte ein staubiges grünes Schild, auf dem deutlich ‘Palapye’ stand, nach rechts. Tony bog zwischen einer antiken Tankstelle und einem Souvenirladen ein. Die sinkende Nachmittagssonne verlieh der Umgebung einen goldenen Schimmer.

      “Und das ist Palapye,” verkündete Tony.

      Das sollte ein Dorf sein? Tony hatte recht gehabt, ich konnte keine Häuser entdecken. Nur Bäume, Hecken und trockenes Holz links der schwarz-glänzenden Teerstraße.

      “Sehr beeindruckend!” log ich und wir lachten beide.

      Hier gab es eindeutig einen Haufen an Nichts. Es sah nicht im geringsten dem lebendigen afrikanischen Dorf ähnlich, das ich mir in England vorgestellt hatte.

      Meine Sichtweise war noch auf die dicht aneinander stehenden, hohen Häuser in London, die geschäftigen Einkaufsstrassen, die Ampeln, die schreienden Plakate, Busse und Züge und auf viele Menschen eingestellt.

      Zuhause war Natur in ordentlich gepflegte Parks und Felder außerhalb der Stadt verpackt gewesen.

      “Wir sind gleich da. Das hier ist übrigens das örtliche Einkaufszentrum.” Tony zeigte auf eine kurze Zeile ziemlich schmutziger, einstöckiger Häuser mit einem breiten Gehsteig davor.

      Er wich ein paar Ziegen und einer Gruppe fröhlicher Kinder in zerlumpten Shorts aus. Sie schoben Spielzeugautos vor sich her, die sie mit langen Steuerrädern aus Draht lenkten.

      Sie liefen wieder auf die Straße und winkten uns zu. Tony hupte und ich winkte zurück. Die Kinder lachten und schnitten Grimassen. Der Toyota ließ das Dorf hinter sich und schnurrte die lange Teerstraße zum Berufszentrum hinauf.

      Ich musste daran denken, dass Claire das alles noch gar nicht gesehen hatte, was ich jetzt zu sehen bekam. Es fühlte sich irgendwie komisch an. Ausgerechnet ich wollte ja nie nach Afrika!

      Bald darauf fuhren wir beim Berufszentrum durch die Schranke und hatten noch immer kein einziges Wort über Claire gesprochen.

      Kapitel 3

      Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Klar, Tony war traurig und durcheinander und das alles, aber es war unmöglich mit ihm über Claire zu sprechen. Der einfühlsame Augenblick beim Flughafen war verflogen. Und er schien es mit den Nachforschungen auch nicht sehr eilig zu haben. Warum nur war das so schwierig mit ihm?

      Tony musste doch sicher auch mehr herausfinden wollen, oder? Warum sonst war er noch hier? Aber ich konnte ihn noch nicht mal dazu bringen über meine Schwester zu reden, geschweige denn einen Plan zu machen. Vielleicht war er ja verhext. Unsinn, sagte ich mir. Fang nicht an zu spinnen, Bridget, es wird sich schon alles geben.

      Ich tat mein Bestes, versuchte verständnisvoll zu sein, ihm Zeit zu geben. Aber ich hatte keine Zeit. Ich war aus England gekommen, nur um ihm bei der Suche zu helfen. Aber er machte keine Anstalten zu suchen.

      Ich saß in einem abgelegenen afrikanischen Dorf, in dem ich sonst niemanden kannte, und wollte endlich loslegen. Und alles was ich bekam waren so komische Pausen, wenn ich das Thema ansprach.

      Ich kannte Tony zu wenig. Vielleicht würde er mich ja rausschmeißen, wenn ich ihm Vorhaltungen machte. Und ich hasste Konfrontationen sowieso. Aufgeben kam aber nicht in Frage. Was blieb mir anderes übrig als Geduld zu üben.

      Ich musste mich auch erst einmal akklimatisieren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Staub und die Hitze machten mir zu schaffen, und jetzt hatten auch noch die Regenfälle eingesetzt. Der Regen kühlte die Tagestemperaturen ab, aber nie für lange. Und meine Denkfähigkeit schien auch sehr unter der Hitze zu leiden.

      Als Mom am Freitag prompt anrief, war ich ungeheuer froh ihre knisternde Stimme zu hören. Wenigstens wollte sie mir helfen.

      “Vielleicht ist Claire über die Grenze gegangen - in ein anderes Land.”

      “Das glaube ich nicht, Mom,” erwiderte ich vorsichtig.

      “Du kannst doch nachfragen, oder? Die Polizei sollte das mal nachprüfen.”

      “Ja, Mom, ich werde mich drum kümmern.” Wie sollte ich meiner Mutter erklären wie leicht es war über die grüne Grenze zu verschwinden ohne die geringste Spur zu hinterlassen?

      “Gut.” Sie schien zufrieden zu sein.

      “Mom?”

      “Ja?”

      “Ich hab’ dich sehr lieb Mom.” Ich schluckte ein paar Heimweh-Tränen hinunter.

      “Ich dich auch, Bridget.” Ich hörte