Stephan Kesper

Sealed


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ätzte Rachel.

      »Mit der Küche?«, fragte Hendrik verwirrt.

      »Mit vielen verschiedenen Küchen«, erklärte Mrs. Manchester, »Ich verkaufe in meiner Firma hochwertige Kücheneinrichtungen.«

      »Zu astronomischen Preisen, in sofern haben sich meine Eltern einander angenähert.«

      Sie ignorierte die zynische Bemerkung ihrer Tochter: »Wir beliefern fast die gesamte Westküste mit unseren acht Filialen, von Seattle bis San Diego.«

      »Gähn, komm, wir gehen nach oben.«

      »Sag' deinen Eltern Bescheid, dass du zum Essen hier bleibst«, rief Rachels Mutter Hendrik hinterher. Er nickte eifrig, machte eine Handbewegung über seiner Uhr, welche die Nummer seiner Mutter wählte. Sie meldete sich und ihr winziges Bild erschien im runden Ziffernblatt.

      »Hallo Mom, ich bleibe heute zum Essen bei Rachel, wenn das okay ist?«

      »Wenn das ihren Eltern recht ist?«

      »Ja, Mrs. Manchester hat mich eingeladen.«

      »Dann viel Spaß. Soll ich dich nachher abholen?«

      »Nein, schon gut. Ich habe mein Fahrrad dabei.«

      Er drückte auf die Uhr und das Bild seiner Mutter wurde wieder durch die Darstellung eines Zifferblattes ersetzt.

      Durch das Telefonat hatte er Rachel aus den Augen verloren und stand am Ende der Treppe auf einer Galerie, von der einige Türen abgingen, die alle offen standen.

      »Rachel?«

      Sie erschien an einem Türrahmen mit einem Handtuch vor ihrem Oberkörper. Er folgte in ihr Zimmer und sah dabei, dass sie kein Oberteil mehr trug. Im Raum herrschte eine fürchterliche Unordnung – ganz im Gegensatz zu seinem eigenen. Er setzte sich auf die Bettkante, einer der wenigen freien Stellen, wo er Platz zum Sitzen fand.

      Im Gehen öffnete sie mit einer Hand den Gürtel ihrer Jeans, die über ihren Hintern rutschte und auf dem Boden liegen blieb. Sie drehte sich so, dass sie ihren Rücken in der Spiegel-Tür des Schranks sehen konnte und zog die Bikini-Hose zu einem Streifen zusammen, sodass sie auch ihre Pobacken betrachten konnte. Zwei harte Grenzlinien verliefen quer über ihren schmalen Hintern. Dort wo ihre Bikini-Hose die Sonne abgeschirmt hatte, trennte sie weiße von roter, verbrannter Haut.

      »Oh, Mann, ich glaube, wir hätten doch besser aufpassen sollen. Mom wird durchdrehen, wenn es morgen noch rot ist.«

      Hendrik glotze auf ihren Hintern und dachte an andere Dinge als Rachels Mutter.

      Sie nahm aus dem halboffenen Schrank ein weiches, hellgrünes Sommerkleid an einem Bügel heraus. Dann ließ sie ohne Vorwarnung das Handtuch fallen und Hendrik blickte auf die schönsten Brüste, die er je gesehen hatte. Sein Bauch drehte sich im Kreis, seine Gedanken überschlugen sich und er versuchte, dabei so cool wie nur irgend möglich auszusehen.

      Sie warf sich das Kleid über den Kopf und verdeckte die Aussicht. Dann griff sie mit ihren Händen unter das Kleid und zog ihre Bikini-Hose aus, ohne dass Hendrik etwas sehen konnte. Aber er wusste, dass sie fortan nichts unter ihrem Kleid trug.

      Schließlich kam sie auf ihn zu, strich ihm über die Wange, drehte sich um und verließ das Zimmer.

      »Es ist noch so schön draußen«, rief sie ihm über ihre Schulter zu. Das sollte wohl bedeuten, dass sie nicht im Haus bleiben wollte.

      Nachdem sie eine Weile auf der Veranda bei einem kalten Apfelsaft verbracht hatten, bog der schwarze BMW von Rachels Vater lautlos in die Einfahrt ein.

      »Jetzt kannst du ihm deine brennenden Fragen stellen«, sagte sie nicht ohne eine gehörige Portion Sarkasmus.

      Hendrik wollte in der Tat Fragen stellen, doch dann begriff er, dass er einen guten Zeitpunkt dafür abpassen sollte. Und es konnte keine gute Sache sein, mehr Gesprächsthemen mit dem Vater seiner Freundin gemein zu haben als mit ihr selbst. Die zweite Lektion, die er lernte.

      Mr. Manchester kam die Treppen zur Veranda herauf und stutzte kurz bei Hendriks Anblick.

      »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht«, sagte er freundlich und kam auf Hendrik zu. Er stand auf und reichte Rachels Vater die Hand.

      »Nein, Sir. Ich bin Hendrik Prescott. Rachel und ich besuchen dieselbe Highschool.«

      »Wohnst du in der Nähe?«

      »Ja, in der Cedar Road, gleich um die Ecke.«

      Manchester nickte, strich im Vorbeigehen seiner Tochter über den Kopf und ging hinein. Hendrik fühlte sich unbehaglich.

      »Habt Ihr ein Problem miteinander?«

      Rachel schüttelte nur wortlos den Kopf. Das Gespräch kam nicht mehr in Gang, bis ihre Mutter kurz den Kopf aus der Tür steckte und ihnen sagte, dass das Essen fertig sei.

      Als er zur Tür hereinkam, bemerkte er, dass im Haus eine Klimaanlage lief. Das Wohnzimmer war angenehm herunter gekühlt und nicht mehr so stickig, wie am Anfang, als sie die Tüten hereingetragen hatten.

      Hendrik merkte, wie sein vom Schweiß leicht feuchtes T-Shirt blitzartig kalt wurde und er erschauerte etwas.

      »Mom!«, rief Rachel, »Warum hast du es wieder so kalt gemacht? Wir brauchen doch nur die Fenster aufzumachen!«, das blieb allerdings ohne Reaktion. Hendrik bemerkte auf Rachels Armen Gänsehaut.

      Sie setzten sich gemeinsam an den Esstisch. Hendrik bemerkte erfreut, dass sie kein Gebet sprachen.

      »Gib mir deinen Teller, Hendrik«, sagte Mrs. Manchester und hielt ihre Hand in seine Richtung. Er gab ihn ihr und sie häufte gedünstetes Gemüse, einen Getreide-Bratling und ein paar Kartoffeln auf den Teller. Hendrik wollte protestieren, dass es zu viel sei - zu spät.

      »Wir essen vegetarisch. Daran musst du dich gewöhnen, solltest du öfters herkommen«, sagte sie, als sie ihm den Teller zurückreichte. Rachel verdrehte die Augen.

      Sie begannen wortlos zu essen. Dann plötzlich durchbrach Mr. Manchester die Stille: »Hat jemand mitbekommen, dass in Nordkorea ein Putsch stattgefunden hat? Kim-Jong-Un wurde getötet und ein großer Teil seiner Leibgarde. Die Chinesen sind nicht gerade begeistert.«

      Keine Reaktion von Rachel oder ihrer Mutter – Hendrik begann, sich unwohl zu fühlen.

      Rachels Vater schnaubte laut durch seine Nase, dann wandte er sich an Hendrik: »Hendrik, was möchtest du einmal werden?«

      »Ich möchte Physik studieren. Ich interessiere mich sehr für Astrophysik.«

      Manchester hob die Augenbrauen und deutete mit der Hand auf ihn und sah triumphierend seine Frau an.

      Als niemand mehr ein Wort sagte, ergriff Hendrik die Initiative: »Sie haben da ein paar ziemlich komplizierte Gleichungen an Ihrem Whiteboard. Worum geht es da?«

      Manchester lächelte, dann überlegte er kurz: »Weißt du, wo die Kometen herkommen?«

      »Aus der Oortschen Wolke?«

      »Genau. Weißt du auch, wie die Oortsche Wolke geformt ist?«

      »Mehr oder weniger kugelförmig?«

      »Kann man so durchgehen lassen. Bei einer Kugelform ist es wahrscheinlich, dass die Objekte der Wolke sich in einer Umlaufbahn um die Sonne befinden. Sehr langsam zwar, aber trotzdem sind sie gravitativ an die Sonne gebunden. Trotzdem gibt es aber immer wieder Ausreißer. Und die häufen sich sogar. Etwa alle 26 bis 30 Millionen Jahre gibt es eine Häufung von Meteoriteneinschlägen auf der Erde, die statistisch mit diversen Massensterben in der erdgeschichtlichen Urzeit korrelieren. Natürlich gibt es zu wenig Daten, um verlässliche Aussagen zu treffen, aber es gibt Hinweise. Und aus Hinweisen erwachsen Theorien.«

      »Nemesis ...«, platzte es aus Hendrik heraus.

      Wieder lächelte Manchester: »Genau, nur glaube ich nicht, dass Nemesis ein Stern ist – was die landläufige Meinung darstellt. Ich tippe auf einen großen Gesteinsbrocken, oder ein sehr kleines schwarzes