Thomas Hoffmann

Gorloin


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zum Teufel, oder wohin ihr wollt! Meinetwegen könnt ihr mit dem Wirt einen Preis für die Nacht ausmachen. Aber zuerst will ich das Silber haben.“

      Ich musste die Silberlinge seinem Burschen in die Hand zählen.

      Währenddessen sagte der Hauptmann laut zu seinen Leuten: „Zwei Silberlinge für mich, der Rest wird unter die Truppe aufgeteilt.“

      Die Männer brüllten Hurra. Die Reihen um uns lockerten sich. Kat schien eine Maulsperre zu haben. Ihr Mund wollte nicht mehr zugehen.

      Der Hauptmann schritt uns voran dem Gasthof entgegen. Seine Soldaten gingen auseinander. Einige blinzelten mir verschwörerisch und keineswegs unfreundlich zu. Kat starrte mich sprachlos an, als sähe sie mich heute zum ersten Mal in ihrem Leben.

      „Das hab ich von meinem Vater gelernt, wie man mit solchen Halunken verhandelt,“ sagte ich leise zu ihr. „Mein Vater sagte immer, das sind arme Schweine, die wollen auch nur leben.“

      Sie schüttelte fassungslos den Kopf. „Und ich hab geglaubt, ihr wärt hinterwäldlerische Dorfpiraten!“

      „Ein bisschen was haben wir eben doch gelernt, als bloß fromme Seeleute tot zu machen,“ grinste ich.

      ***

      Das Eingangstor des Gasthofs führte auf einen getünchten Gang. Mit Fedurin am Halfterstrick folgten wir dem Hauptmann in den Gang. Aus einer Seitentür war Lachen und Grölen vieler Männer zu hören. Der Hauptmann rief laut einen Namen in den Tordurchgang. Dem dienernd herbeieilenden Wirt in schmieriger Schürze befahl er, uns ein Zimmer im hinteren Teil des Gasthofs zu bereiten und den Esel in den Stall zu führen. Er solle mit uns den Preis für Kost und Unterkunft für eine Nacht aushandeln. Dann machte er auf dem Absatz kehrt. Bevor er zum Tor hinausging, riss er die Tür zur Wirtsstube auf und brüllte etwas hinein. Beifälliges Gelächter antwortete ihm.

      Wir führten Fedurin selbst an den Platz im Stall, den der Wirt uns zeigte. Kat nahm Fedurin das Gepäck ab und versorgte ihn mit Wasser und Heu. Mitsamt unserem Gepäck folgten wir dem Wirt über eine morsche Stiege ins obere Stockwerk.

      „Gib uns einen Raum mit abschließbarer Tür,“ forderte Kat.

      Der Wirt dienerte. Er zeigte uns einen weißgetünchten Raum mit einem Fenster und einem großen Bett. Dicke Decken waren über das Bett gebreitet. An der Wand hing ein gerahmtes Bild, das das Flammenschwert der kaiserlichen Hochreligion zeigte.

      „Hier pflegt der Herr Gardemajor zu übernachten, wenn er im Gasthof weilt,“ murmelte der Wirt, während er uns den eisernen Schlüssel aushändigte. „Ich bringe euch ein Licht. Und wegen der Bezahlung - der Krieg hat eine große Teuerung über das Land gebracht, müsst ihr wissen...“

      „Schon gut,“ winkte Kat ab. „Wie viel willst du haben?“

      „Acht Kreuzer für einen jeden von euch - und vier für die Versorgung des Esels,“ nuschelte der Wirt.

      Kat verzog wütend das Gesicht. Aber sie beherrschte sich und meinte nur: „Bring uns eine Kohlenpfanne ins Zimmer. Und tu uns das Essen irgendwo anders auf, nicht bei dem Soldatenpöbel in der Wirtsstube, hörst du?“

      „Bier und Grog wird es ja wohl geben?“ knurrte Sven.

      Erneut dienerte der Wirt. „Sehr wohl, ihr Herrschaften, allerdings müsste ich den Grog...“

      „Ja, gut, zehn Kreuzer zusätzlich für den Grog, weil Krieg ist,“ stöhnte Kat wütend. „Aber sei nicht so knauserig mit den Getränken!“

      Der Wirt bekam sein Geld und zog unter Verbeugungen ab.

      Als der Gastwirt die Tür hinter sich zugezogen hatte, setzte Kat sich auf die Bettkante und blickte benommen vor sich hin.

      Endlich holte sie tief Luft und atmete seufzend aus. „Das hätte ins Auge gehen können, Jungs.“

      Wir stapelten unser Gepäck in eine Ecke.

      „Einer von uns sollte hier bleiben und das Gepäck bewachen, wenn wir runtergehen - trotz abschließbarer Tür,“ meinte Kat. „Den Gaunern ist nicht zu trauen.“

      „Ich bleibe oben,“ sagte Aeolin entschlossen.

      Sie nickte Sven mit einem angedeuteten Grinsen zu. „Mein Bruder ist schon zu lange gewandert - er muss gehen, um sich zu stärken. Ich gehe nach euch zum Essen hinunter.“

      „Hmpf!“ antwortete Sven nur.

      Mit einem Lächeln sagte Lyana: „Ich bleib' mit dir hier, Aeolin. Lasst euch ruhig ein wenig Zeit beim Essen, ihr drei. Nachher gehen wir beide runter und ihr könnt hier oben das Gepäck zu dritt bewachen.“

      Kat betrachtete das große Bett.

      „Gute Idee, Lyana,“ fand sie.

      Im Erdgeschoss zeigte uns eine Magd einen kleinen Raum mit einem einfachen Holztisch und fünf Stühlen. Auf Wandborden aufgereihte Zinnteller sollten dem Raum wohl ein nobles Aussehen geben. Im Kamin prasselte ein Feuer. Wir bekamen dünnes Bier, Kohlrübensuppe und einen kleinen Kessel dampfendem Grog serviert. Kat erklärte der Schankmagd, Lyana und Aeolin würden erst nach uns zum Essen kommen. Sven fragte nach Brot, aber die Magd meinte, es sei keins da.

      „Ich wette, der Wirt hat das Bier mit Wasser verdünnt,“ murrte Sven, während wir die Suppe löffelten.

      „Zum Sattessen ist's nicht gerade,“ fand Kat, „aber vermutlich können wir froh sein, überhaupt etwas zu bekommen.“

      Sie seufzte. „Das Geldausgeben im greifenhorster Fürstentum hab ich mir anders vorgestellt - unser sauer verdientes Geld für Bakschisch hergeben zu müssen! Dieser Krieg kotzt mich an.“

      „Sag mal, Kat,“ meinte Sven kauend, „du hast immer gesagt, Soldatenlager können dich nicht schrecken... Was war denn vorhin an der Brücke mit dir los?“

      Kat sah bitter vor sich hin. „Als Trossfrau ist es was völlig anderes. Da gehörst du zum Heer. Aber Frontsoldaten im Kampfgebiet vor die Waffen zu laufen - die hätten uns bis aufs letzte Hemd ausplündern, totschlagen oder mit uns anstellen können, wonach ihnen gerade ist - das sind blutrünstige Tiere, keine Menschen, Garde hin oder her!“

      „War bei uns genauso,“ murmelte Sven dumpf. „So haben wir das gemacht mit den Seeleuten, die uns auf die Klippen gerannt sind. Deshalb wissen wir auch, wir man mit denen reden muss.“

      Er sah Kat nachdenklich an. „Das haben die gerochen, dass wir ebensolche Berserker sein können, wie sie. Wenn sie uns angefasst hätten, wär's blutig geworden, das war ihnen klar.“

      Kat sah von Sven zu mir.

      „Ihr zwei Berserker!“ sagte sie zärtlich. „Und ihr könnt so süß sein.“

      Anderthalb Stunden später kamen Lyana und Aeolin in den Kaminraum hinunter. Die beiden Mädchen hatten frische, gerötete Gesichter. Sie strahlten uns mit fröhlichen Augen an.

      „Jetzt seid ihr dran mit Wachdienst in der Schlafstube,“ lachte Lyana. „Aeolin und ich, wir haben einen Mordshunger!“

      Oben im Zimmer zog Kat Lederjacke, Wams und Leinenhemd aus und versorgte ihre Pfeilwunde mit einer Tinktur aus der Arzttasche. Dann legte sie die Hand auf die Wunde und wirkte einen Heilzauber.

      „Wird's besser?“ fragte ich besorgt.

      „Klar,“ meinte Kat nur. „Ich spür' kaum noch was.“

      Sie sah uns beide verliebt an. „Na kommt, Jungs. Lasst es uns ausnutzen, dass wir noch mal ein gemeinsames Bett haben. Wer weiß, was uns bevorsteht.“

      Sven und ich ließen uns das nicht zweimal sagen. Wir streiften unsere Sachen ab und warfen uns aufs Bett... Und ob wir es ausnutzten!

      Als Aeolin und Lyana spät in der Nacht ins Zimmer kamen, lagen wir drei erschöpft beieinander, unterhielten uns leise und streichelten unsere nackten Körper, das Glück des Zusammenseins genießend.

      „Bleibt