Thomas Hoffmann

Gorloin


Скачать книгу

nicht und Lyana gab weitere Kreuzer dazu. Wir achteten darauf, dass die Soldaten unser Silber nicht zu Gesicht bekamen.

      Die Soldaten ließen uns durch und mit Fedurin in der Mitte gingen wir Sven nach, vorbei an den lagernden Soldaten. Kat war sehr blass.

      „Das wird nichts,“ flüsterte sie mit zitternder Stimme. „Die haben wir gleich alle auf dem Hals!“

      Wir gingen dicht beieinander und spähten vorsichtig um uns. Die Männer zwischen den Zelten warfen uns verstohlene Blicke zu. Niemand griff zu den Waffen. Sven drängte sich mitten in die Gruppe um das Lagerfeuer, wo auf einem Rost Fleisch auf Holzspießen grillte. Lyana, Kat und ich hielten die Luft an. Die großen Kerle machten ihm Platz. Sven sagte etwas zu einem der Männer und nahm sich einen Fleischspieß vom Rost. Herzhaft biss er vom Fleisch ab. Die Männer beobachteten ihn schweigend. Keiner sagte etwas.

      „Wollt ihr auch?“ rief Sven uns zu.

      „Ich glaub' das nicht!“ keuchte Kat.

      Sven angelte sich vier weitere Spieße vom Rost und kam durch die Soldaten hindurch zu uns zurück.

      Den Männern nickte er zu. „Schmeckt!“

      Einige nickten widerwillig zurück.

      „Hau bloß ab,“ knurrte einer von ihnen Sven hinterher.

      Sven teilte die Fleischspieße aus. Mein Magen knurrte heftig, als ich das duftende Fleisch in der Hand hielt. Nicht zu schnell gingen wir zur Brücke. Niemand hinderte uns. Hinter uns stellten sich die Soldaten zusammen. Einige hatten ihre Hellebarden gegriffen. Sie sahen uns hinterher, während wir über die Brücke gingen. Doch sie kamen uns nicht nach.

      „Na?“ meinte Sven schmatzend zu Kat, als wir die Mitte der Brücke über dem reißenden Wasser erreicht hatten. „So muss man mit denen umgehen. Das ist Diplomatie!“

      Auf der anderen Seite des Flusses wimmelte es von Soldaten. Ein immer größer werdender Trupp mit Spießen und Hellebarden sammelte sich an der Brücke. Die Männer sahen uns entgegen. Weiter hinten auf dem Ufer standen zwei oder drei Dutzend aufgezäumter Pferde.

      „Wir sind noch nicht aus dem Schneider,“ sagte Kat warnend, während wir uns dem Ende der Brücke näherten. „Die da vorne werden sich nicht so leicht abfertigen lassen.“

      Sven und ich wechselten einen Blick.

      „Lass mich mal machen,“ meinte ich.

      Kat sah mich unglücklich an. „Leif, bitte - keine Blitzschläge und keine Feuersbrünste! Wir wollen irgendwann zurück ins Reich!“

      „Schon gut,“ meinte ich. „Das seh' ich selbst, dass Kämpfen hier zwecklos ist.“

      Das zweistöckige Steingebäude an der Brücke sah wie ein großer Hof aus. Im Erdgeschoss und im oberen Stockwerk reihten sich mit Holzläden versehene Fenster aneinander.

      „Das ist doch ein Gasthof!“ fand Sven.

      Kat betrachtete das Gebäude misstrauisch. „Im Moment dient er wohl eher als Kaserne.“

      Als wir das Ende der Brücke erreichten, trat uns ein Kriegsmann in einem metallenen Brustpanzer entgegen. Er trug keinen Helm. Sein wallendes dunkles Haar fiel frei um seine Schultern. An der Seite trug er einen schlanken Degen. Ich hoffte, dass er der Befehlshaber der Truppe war. Im Nu waren wir umgeben von Männern mit Spießen und Hellebarden.

      „Den Sternen zum Gruß,“ sprach ich den Offizier mit fester Stimme an. „Lang lebe der Kaiser.“

      Kat, Aeolin und Lyana sahen sich unruhig um. Kat fluchte verhalten.

      „Wohin des Wegs?“ antwortete der Hauptmann statt eines Grußes. „Woher kommt ihr, und was ist euer Begehr?“

      „Wir sind Forschungsreisende im Auftrag unseres Dienstherrn Zosimo Trismegisto,“ sagte ich, wobei ich versuchte, meine Stimme so ruhig und fest wie möglich klingen zu lassen.

      Wieder wurden wir, unsere Waffen und unser Gepäck misstrauisch gemustert.

      „Das Land diesseits des Flusses wird von General Wolfart gehalten,“ sagte der Hauptmann barsch. „Ich habe Befehl, niemanden durchzulassen, der nicht unzweifelhaft im Dienst des Kaisers steht.“

      Skeptisch betrachtete er das vor Dreck kaum noch zu erkennende Wappen auf Svens Überwurf.

      „Ich muss euch festnehmen und dem Festungskommandanten vorführen,“ sagte er. „Der wird euch verhören.“

      Ich sah, wie Kat und Aeolin sich hastig umblickten. Offenbar suchten sie nach einer Fluchtmöglichkeit. Es gab keine.

      Ich blickte dem Offizier fest in die Augen. „Dann kannst du mir bestimmt dein Befehlsschreiben zeigen, das dich bevollmächtigt, Reisende anzuhalten.“

      Der Mann stutzte verblüfft.

      „Ohne kaiserlichen Befehl wäre es Straßenraub und Wegelagerei. So sagt es das Gesetz des Kaisers.“

      „Selbstverständlich habe ich ein Befehlsschreiben,“ knurrte der Offizier. Er baute sich vor mir auf. „Aber selbst wenn ich es dir zeige, wird dir das nichts nützen, weil du es wohl kaum lesen können wirst.“

      Ich schnaubte verächtlich. „Habe ich dir nicht gesagt, dass wir Forschungsreisende im Auftrag des Herrn Trismegisto, Diener seiner Majestät des Kaisers, sind? Selbstverständlich kann ich lesen - und ich kann auch ein gefälschtes Siegel irgendwelcher desertierter Räuberbanden vom Siegel des Kaisers unterscheiden!“

      Der Offizier lief rot an. Einen Moment lang glaubte ich, er würde mich anbrüllen und uns alle in Ketten legen lassen, aber er gab einem jungen Burschen, der hinter ihm stand, einen Wink. Der Stiefelknecht lief zwischen den Soldaten hindurch zu den Pferden.

      „Forschungsreisende, so! Wo wollt ihr hin?“ blaffte der Hauptmann.

      „Wir gehen im Auftrag unseres Herrn in die toten Berge im Norden. Dieses Gebiet wird schon lange von reisenden Gelehrten erforscht - Leonhard Knoblauch, Eusebian Multkopf, um nur die berühmtesten zu nennen. Unser Dienstherr führt diese Forschungen weiter.“

      Kat murmelte etwas hinter mir.

      Der Hauptmann schüttelte entschieden den Kopf. „Die Berge im Norden sind Zwergengebiet. Da kommt ihr nicht durch.“

      „Wir haben bereits in den Bergeinöden im Westen Bekanntschaft mit Zwergen gemacht,“ meinte ich und hoffte, dass es selbstsicher genug klang. „Das kannst du uns glauben, dass wir uns gegen Zwerge zur Wehr setzen können.“

      Der Hauptmann betrachtete nachdenklich Svens Zweihänder. Die große Klinge glänzte hell. Der Bursche brachte ihm ein zusammengerolltes Pergament. Der Hauptmann reichte es einem Soldaten, der seinen Spieß gegen die Schulter lehnte und das Pergament umständlich aufrollte. Er hielt es mir so hin, dass ich es lesen konnte. Ich las das Befehlsschreiben laut vor. Kopfschütteln und Gemurmel unter den Soldaten war die Reaktion. Die Gesichtsfarbe des Offiziers wurde noch eine Spur dunkler.

      Ich sah ihm in die Augen. „In Ordnung. Wie viel Silber willst du haben, um uns passieren zu lassen?“

      Der Hauptmann sah mich aufmerksam an. In seinen Augen blitzte es.

      „Ja, soo verhält sich das mit euch!“ sagte er gedehnt.

      „Ich gebe dir fünf Silberlinge. Das dürfte wohl mehr als genug Wegegeld sein,“ meinte ich fest.

      „Fünfzehn!“ schnappte der kaiserliche Offizier.

      „Dann also acht. Und keinen Kreuzer mehr!“

      Die Augen des Hauptmanns wurden zu schmalen Schlitzen. „Zwölf! Meine Leute haben lange keinen Sold mehr gezahlt bekommen.“

      „Damit habe ich nichts zu tun,“ sagte ich grob.

      Ich schaute Sven an. Der nickte langsam und deutlich.

      „Also gut, um des kaiserlichen Friedens willen, zwölf Silberlinge - und die Erlaubnis, für