Ursula Mahr

Alt, aber herrlich mutig


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mit dem Schwanz, aber dann ging er doch weiter zu seiner Decke und ließ sich seufzend nieder, denn ganz zu Anfang hatte er eine negative Erfahrung mit Minka gehabt, als sie ihm fauchend ihre Pfote ins Gesicht geschlagen hatte, als er ihr zu nahe gekommen war.

      "Was ist?" fragte Ursa, "redet ihr etwa über mich?"

      "Wir haben tatsächlich darüber gesprochen, dass du wieder mal Tiere gekauft hast, ohne uns vorher zu informieren", sagte Anne ruhig mit ernstem Gesicht.

      "Ich weiß wirklich nicht, was ihr für ein Problem habt", erwiderte Ursa genervt, trat an den Kühlschrank und holte sich Selters und eine Saftflasche heraus und mischte beides in einem Glas. "Wir wollten Ziegen und nun haben wir Ziegen. Das mit dem Tierkauf schleppt sich doch sowieso viel zu lange hin", setzte sich hinzu, als sie bemerkte, dass Amelie sie unterbrechen wollte. "Der Stall ist bereit, selbst die Weide ist bezugsfähig. Was also gefällt euch nicht." Angriffslustig schaute sie in die Runde, und ihr Blick blieb auf Amelie haften. Die Frauen konnten nicht wirklich etwas darauf erwidern. Anita war es sowieso egal. Gelangweilt schaute sie auf ihre Fingernägel und überlegte, ob sie den Nagellack vielleicht mal weglassen sollte.

      "Na ja", meinte Amelie etwas lahm, "es könnte ja sein, dass eine von uns auch gerade Ziegen gekauft hätte und dann hätten wir gleich vier."

      "Das glaubst du doch selbst nicht." Ursa lachte genervt auf. "Selbst wenn. Was wäre daran so schlimm? Ich finde, wir sollten uns endlich um ein paar mehr Tiere bemühen. Wozu haben wir denn einen Bauernhof gekauft? Außerdem ist Markus mit zwei Ziegen und ein paar Hühnern überhaupt nicht ausgelastet. Zumal wenn wir uns selbst einbringen und uns mit den Tieren beschäftigen wollen." Als keine nennenswerte Reaktion erfolgte, setzte sie noch eines drauf: "Oder wollt ihr warten bis wir achtzig sind?"

      "Nun übertreib mal nicht", antwortete Anne lahm. "Außerdem ist Markus nicht nur für die Tiere zuständig, denn er hilft mir einen Gemüsegarten anzulegen." Begeistert fügte sie hinzu: "Er hat ein riesiges Areal umgegraben und wir haben bereits Kartoffeln, Tomaten, Wurzeln, Salat und Rhabarber angepflanzt. Als nächstes bauen wir eine Kräuterspirale. Das wird Lisa freuen. Und uns natürlich auch, wenn wir immer frische Kräuter haben."

      "Dann baut auch noch einen engen Maschendrahtzaun drum herum", lachte Anita, "damit die Ziegen nicht alles wieder auffressen."

      Alle lachten mit und die Spannung löste sich. Auch Inge stimmte mit ein, die mitten im Gespräch mit ihrem Rollstuhl hereingekommen war und jetzt über einen Strohhalm ihren Saft trank.

      "Was haltet ihr davon, wenn wir mal in ein Tierheim fahren und schauen, ob es dort außer Katzen und Hunden auch andere Tiere gibt."

      Aber außer Katzen und Hunden, von denen viele gleich nach Weihnachten dort gelandet waren, gab es nur noch Kleintiere wie Meerschweinchen und Vögel. Allerdings auch ein Pärchen Laufenten und Ursa meinte begeistert: "Das sind genau die Richtigen, denn Laufenten fressen Schnecken für ihr Leben gern. Und wenn wir irgendwann auch unseren Salat selbst essen und nicht diesen schleimigen Tierchen überlassen wollen, sollten wir gleich die beiden mitnehmen."

      Das taten die Frauen. Die beiden wurden in einem Transportkäfig verstaut und zum Hof mitgenommen. Dort staunten die Hunde nicht schlecht als sie sahen, dass hinter dem Zaun mit dem neuen Maschendraht zwei Neulinge herumwatschelten und sich langsam eingewöhnten.

      Die Witwe Martha

      Markus hatte heute nichts Wichtiges mehr zu tun. Die Tiere waren versorgt und auf den Weiden hatte er mehrere Pfosten erneuert. Nun hatte er Feierabend und wollte noch ein paar Besorgungen im Dorf machen, bevor er zum Kröger-Hof fuhr. Besorgungen für den Kröger-Hof machte er selten genug. Bereits auf der Straße wurde er ungewöhnlich aufmerksam und neugierig beobachtet und er konnte sich vorstellen, was in den Köpfen der Leute vorging. Er musste schmunzeln. Und es dauerte auch gar nicht lange, da wurde er aufgehalten.

      "Guten Abend, Markus. So spät noch unterwegs?"

      "Hallo, Tante Martha." Er tat überrascht. Tante Martha war bestimmt schon Mitte siebzig oder achtzig, keiner wusste es so genau, denn sie schien schon immer da gewesen zu sein. Sie sah sich selbst als die gute Seele des Dorfes. Seit Jahrzehnten kümmerte sie sich mit Hingabe um die Kinder und die allgemeinen Belange des Dorfes. Früher war sie Hebamme gewesen. Und heute organisierte sie noch vieles zum Wohl der Kinder, las ihnen vor, machte mit ihnen Schularbeiten, hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Kleinen. Viele mochten sie, jeder respektierte sie, einige hatten Angst vor ihr. Man fragte sie nicht selten um Rat und folgte auch ihren Ratschlägen. Tragischerweise hatte sie selbst nie eigene Kinder gehabt. Bereits seit mindestens drei Jahrzehnten war sie Witwe, doch sie kleidete sich immer noch ausschließlich schwarz. Wenn man von ihr sprach, nannte man sie im allgemeinen nur ´die Witwe´. Die Kinder oder die, die sie von klein auf kannten, nannten sie jedoch meist ´Tante Martha´. Sie hatte nie wieder geheiratet, sondern ihr Leben anderen gewidmet. Fast jeder, der Hilfe brauchte oder nur reden wollte, ging zu Tante Martha. Doch nicht alle hörten auf sie oder fragten nach ihrer Meinung, auch wenn sie selbst das gern gehabt hätte. Viele munkelten, sie hätte ein großes Geheimnis, das sie mit sich herumtrug. Auch wussten alle, dass sie eine Wahrsagerin war, eine Spökenkiekerin, mit großer Treffsicherheit in ihren Aussagen.

      Jetzt stand sie vor Markus und lächelte ihn freundlich an. Sie ging weiter und gab ihm zu verstehen, dass er ihr folgen sollte. Langsam gingen sie nebeneinander her. Tante Martha wurde ernst. Sie schien zu überlegen, wie sie anfangen sollte.

      "Du arbeitest seit kurzer Zeit auf dem alten Resthof?" begann sie. "Wie ist es dort? Ich meine, was sind das für Menschen, die dort eingezogen sind?" Sie blieb stehen und schaute Markus aufmerksam ins Gesicht. Er verstand ihre Frage. Sie war nicht einfach nur neugierig, was an sich legitim gewesen wäre, sie war besorgt. Das Gefüge des Dorfes, der Zusammenhalt unter den Bauern und ihren Familien sollte nicht zerstört werden. Dafür fühlte sie sich verantwortlich, und die Dorfbewohner unterstützten sie darin, wo sie nur konnten. Sie wurde von vielen respektiert. Ihr Wort galt etwas und manch einer hörte ihr zu und folgte ihrem Rat.

      Markus lächelte sie an um sie zu beruhigen. "Es sind sechs ältere Frauen, Rentnerinnen oder zumindest nicht mehr berufstätig. Sie wollen hier ihren Lebensabend verbringen."

      "Warum ausgerechnet bei uns?" Sie ging langsam weiter, schaute konzentriert zu Boden und Markus folgte ihr.

      "Ich nehme mal an, dass ihnen der Hof gefallen hat, so schön wie der ist."

      "Frauen, sagtest du? Es sind keine Männer dabei?"

      "Nein. Soweit ich weiß, sind einige geschieden, andere verwitwet. Einige haben erwachsene Kinder und Enkelkinder."

      "Hm." Tante Martha schien zu überlegen. "Ich würde diese Frauen gern mal näher kennen lernen. Könntest du da mal etwas arrangieren?"

      Markus wurde unbehaglich. "Die Frauen sind wirklich ganz harmlos, Tante Martha."

      "Das glaube ich nicht, mein Junge." Sie legte ihm die Hand auf den Arm und ihr Blick ging in die Ferne, so, als würde nur sie dort etwas Bestimmtes sehen. "Diese Frauen werden Unheil über deine Familie bringen. Und das sogar in nicht allzu ferner Zukunft." Dann, als würde sie aus einer kurzen Trance erwachen, blitzte sie ihn durch ihre Brillengläser von unten an und fügte leise hinzu: "Du weißt jetzt, was ich will." Mindestens einen Kopf kleiner als Markus, strahlte sie dennoch große Autorität aus. Noch einmal drückte sie seinen Arm, dann entfernte sie sich. Markus blieb mit einem unbehaglichen Gefühl zurück.

      Einige Tage später versorgte Markus gerade die Ziegen, als Ursa den Stall betrat. Wortlos griff sie nach einer Forke und half die Boxen auszumisten.

      "Haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht ein paar Leute aus dem Dorf einzuladen und sich vorzustellen?"

      "Nein", antwortete Ursa ohne ihre Arbeit zu unterbrechen und auch nicht sehr interessiert.

      "Warum nicht? Wollen Sie die Leute nicht kennen lernen?"

      Ursa unterbrach ihre Arbeit und schaute in die Nebenbox. "Es gibt keine Veranlassung dazu. Zur Zeit jedenfalls