ihrer Vorgeschichte tödlich hätte ausgehen können. Nach ein paar Tagen war sie wieder Zuhause. Ihre Freundinnen verwöhnten sie, und Markus brachte ihr das erste Ei, das eines der neuen Hühner gelegt hatte.
Maren hatte sich angekündigt. Sie wollte, nachdem sie ihr Abitur in der Tasche hatte, Ferien auf dem Bauernhof machen. Lisa freute sich, ihre Enkelin wieder zu sehen. Eines Vormittags fuhr sie mit ihrem kleinen Auto in den Hof. Lisa lief sogleich hinaus und nahm Maren in die Arme.
"Wie schön, dass du da bist! Wie lange kannst du bleiben?" fragte sie aufgeregt und strahlte ihre Enkelin an. Maren lächelte zurück. Sie freute sich, dass sie so willkommen war. Hier herrschte eine angenehme Atmosphäre im Gegensatz zu Zuhause, wo ihre Eltern sich nicht gerade selten stritten. Zumindest spürte sie oft, wenn sie nach Hause kam, die geladene Spannung in der Luft. Ihr Vater wirkte oft sehr unglücklich. Und häufig musste er in letzter Zeit auch abends immer noch bis spät arbeiten. Ihre Mutter lachte nur noch selten. Oft hatte sie schlechte Laune, war gereizt und wurde manchmal sogar laut. Es gefiel Maren nicht mehr Zuhause. Deshalb wollte sie hier auf dem Hof ihre Zeit verbringen, bevor sie sich für ein Studium entschied. Wenn sie überhaupt studieren würde, denn sie hatte sich noch nicht entschieden. Das war auch ein Grund, weshalb sie von Zuhause fort wollte: ihre Mutter versuchte sie zu einem Jurastudium zu drängen, doch dazu hatte Maren überhaupt keine Lust. Irgendwie hatte sie sich überhaupt noch nicht mit der Zukunft beschäftigt. Alles war noch sehr vage. Sie mochte Tiere, wollte aber auch Menschen helfen. Aber auch reisen würde sie gern. Ihre Großmutter hatte ihr vorgeschlagen auf den Hof zu kommen und erst einmal zur Ruhe zu kommen und sich klar zu machen, wofür ihr Herz wirklich brennt. Und nun war sie hier, wusste aber noch nicht, wie lange sie bleiben würde. Als Lisa sie danach fragte, sagte sie nur, dass es wohl mindestens ein paar Wochen, wenn nicht länger sein würde. Lisa strahlte und auch die anderen Frauen waren damit einverstanden, denn jede von ihnen kannte Maren als ausgeglichenes, ruhiges und freundliches Mädchen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die immer nervös und nie wirklich zufrieden wirkte. Alle freuten sich über Marens Besuch, und nachdem ihr Gepäck erst einmal in der Diele abgestellt worden war, saßen sie alle zusammen am großen Esstisch und tranken Tee.
Maren fügte sich wirklich gut in die Gemeinschaft ein. Auf ihre ruhige, freundliche Art packte sie überall mit an. Sie hatte das letzte Zimmer oben im Haus bezogen, direkt neben ihrer Großmutter. Morgens hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, Inge den ersten Tee ans Bett zu bringen und ihr beim Trinken zu helfen. Inge hatte nach dem Vorfall am Waldrand einen Rollstuhl, einen elektrischen, denn einen normalen konnte sie ja nicht fortbewegen. Bei diesem musste sie nur mit einem Finger einen Joystick bewegen. Aber mit Marens Hilfe ging sie auch gern ein paar Schritte hin und her. Oft spazierten sie langsam zum Hühnerhaus hinüber und schauten dem bunten Federvieh zu. Lisa beobachtete das Ganze und fand das Verhalten ihrer Enkelin vorbildlich. Sie war stolz auf sie, über die Empathie, die sie in der Lage war zu empfinden. Und das bereits in ihren jungen Jahren.
Amelie sah das ganz anders. Bisher hatte sie sich hauptsächlich um Inge gekümmert. Sie war diejenige, die Morgens an ihr Bett ging, ihr beim Aufstehen und Anziehen half, obwohl es ihr selbst schwer fiel. Sie saß am Esstisch neben ihr und half, wenn Inge nicht mehr mit Messer und Gabel zurecht kam. Und jetzt kam Maren, dieses junge Ding, und machte ihr diesen Platz streitig. Sie hatte sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt, dass eine Krankenschwester eingestellt wurde. Und nun das. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie so heftig darauf reagierte. Eines Tages, Amelie kam gerade in die Küche, stand Lisa am Schrank und räumte Geschirr ein.
"Kannst du deine Enkeltochter nicht mal fragen, wann sie endlich wieder fährt?" Sie versuchte sich zurückzuhalten, doch es gelang nicht so recht. Ihr Ton war ungehalten und nicht sehr freundlich. Verblüfft drehte sich Lisa um, noch einen Stapel Teller in den Händen. "Warum sollte sie das tun? Es ist doch schön, dass sie hier ist und hilft." Fragend schaute sie Amelie an und wartete auf deren Bestätigung. Doch die blieb stumm, drehte sich abrupt um und verließ den Raum. In der Diele begegnete sie Anne, an der sie, ohne sie auch nur anzusehen, mit finsterem Gesicht vorbeilief.
"Was ist denn mit Amelie los? Habt ihr euch gestritten?" fragte sie Lisa, als sie die Küche betrat.
"Nein", zuckte Lisa die Schultern, "kann man so nicht sagen. Aber sie scheint etwas dagegen zu haben, dass Maren hier ist."
"Warum das denn? Sie ist doch so ein nettes umgängliches Ding."
Für Amelie wurde es noch schlimmer, als sie bemerkte, dass Micki sich häufiger bei Maren aufhielt. Wenn sie zum Strand hinunter joggte, nahm sie ihn mit und er tobte dann neben ihr her. Er freute sich, dass er endlich mal ordentlich rennen konnte. Da Amelie es versäumt hatte, den kleinen Hund zu erziehen und er daher nur selten gehorchte und kam, wenn er gerufen wurde, war er fast ohne Ausnahme angeleint, wenn es nach draußen ging. Und da Amelie gehbehindert war, waren die kurzen Spaziergänge nur im langsamen Tempo möglich. Mit Maren hingegen konnte er toben. Zwar war er auch hier meist an der Leine, Amelie hatte darauf bestanden, aber Maren rannte mit ihm um die Wette. Und jetzt, entdeckte Amelie mit Unmut, brachte sie dem Hund auch noch Kunststücke bei. Und Micki schien es zu gefallen, denn er war mit Eifer dabei. Bereits wenn Maren morgens die Küche betrat, rannte er schwanzwedelnd zu ihr und kam auch nicht unbedingt zu Amelie zurück, wenn sie ihn rief. Bei Maren schien es für ihn spannender zu sein. Dort passierte manchmal Aufregendes. Amelie war, sie musste es leider zugeben, eifersüchtig. Deshalb versuchte sie Maren loszuwerden, manchmal mit nicht ganz fairen Mitteln, denn sie nahm ihr die Aufmerksamkeit ihres Hundes und die Dankbarkeit ihrer Freundin, wenn sie sich, selbst krank und behindert, für sie aufopferte.
Amelie vermisste mal wieder ihren Hund, der früher eigentlich immer an ihrer Seite war. Sie ging zum Stall hinüber, denn im Haus war er nicht. Und tatsächlich: Ursa und Maren waren dabei, die beiden Ziegen zu füttern und die Streu auszuwechseln. Trigger lag ruhig in der Stallgasse. Micki saß vor der Box, wedelte aufgeregt, winselte und wollte offenbar hinein. Gerade als Amelie in die Stallgasse trat, sagte Maren mit energischer Stimme zu Micki: "Nein! Bleib!" Dabei machte sie eine entsprechende Handbewegung, und tatsächlich blieb der kleine Kerl artig sitzen, was vorher noch nie geklappt hatte. Ohne zu überlegen, fuhr Amelie dazwischen: "Was fällt dir ein, meinem Hund Befehle zu erteilen! Außerdem möchte ich nicht, dass du ihn einfach mitnimmst, ohne zu fragen!" Ihr Ton war unangemessen laut und ungehalten. Ursa schaute nur kurz auf und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Sie hatte schon bemerkt, dass Amelie mit der neuen Situation nicht gut zurecht kam.
Maren lenkte sofort ein. "Entschuldigung, natürlich hätte ich dich fragen müssen."
Verdutzt schaute Amelie sie an. Ihr war der Wind aus den Segeln genommen worden. Sie hatte mit Widerstand gerechnet. Sie wusste ja, dass sie versäumt hatte, ihren Hund zu erziehen. Aber Maren entschuldigte sich und schien bedrückt zu sein, weil sie einen Fehler gemacht hatte. Wortlos wandte sich Amelie um und verließ den Stall. Über die Schulter rief sie noch zurück: "Und mit dir, Ursa, müssen wir auch noch reden." Sie nickte zu den Ziegen hinüber. Es war immer noch nicht darüber gesprochen worden, dass Ursa ein weiteres Mal gegen die Abmachung verstoßen und schon wieder Tiere ohne Rücksprache gekauft hatte.
Ursa richtete sich auf, stützte mit beiden Händen ihren Rücken ab und verdrehte die Augen. Aber bevor sie antworten konnte, war Amelie bereits nach draußen verschwunden. Dieses Mal folgte ihr Micki.
Markus kam gerade von der Scheune zurück und sagte aufgeregt: "Aber das müssen Sie doch nicht tun! Das ist doch meine Arbeit." Er eilte zu Ursa und nahm ihr die Schaufel, an der Mist und altes Stroh klebte, aus der Hand. Mit einem kleinen Lächeln überließ Ursa ihm gern die Arbeit. "Ja, es reicht mir auch. Ich wollte mich nur etwas betätigen, aber ich bin diese Arbeit noch nicht gewöhnt." Sie stöhnte leise. "Außerdem merke ich immer wieder, dass ich nicht mehr die Jüngste bin." Mit steifen Gliedern verließ sie den Stall zusammen mit Trigger und humpelte langsam hinüber zum Haus. Als sie es betrat, bemerkte sie sofort an dem plötzlichen Schweigen und den betretenen Gesichtern, dass offensichtlich über sie geredet worden war. Lisa war mit ihrem Fahrrad unterwegs, aber Anne stand an der Spüle und Anita und Amelie saßen am Tisch. Als Minka, die Katze, den großen schwarzen Hund sah, sprang sie auf eine Sessellehne, um ihn von dieser höheren Position beobachten zu können. Ihr Schwanz schlug hektisch hin und her. Sie traute ihm immer noch nicht über den Weg, und tatsächlich blieb