Ursula Mahr

Alt, aber herrlich mutig


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konnten nicht hören, was sie zu ihm sagte. Doch offensichtlich waren ihre Worte wirkungslos, denn Markus bestieg sein Motorrad, winkte noch einmal kurz und fuhr vom Hof.

      "Ob er uns nur nicht absagen wollte, weil wir ihm zuviel Arbeit aufbürden?" fragte Amelie.

      "Sei nicht so pessimistisch", lächelte Anita. "Bauern sind viel und harte Arbeit gewöhnt. Ich habe dafür gesorgt, dass er wiederkommt." Sie hob ihre sorgfältig manikürte Hand und strich sich galant über ihre Frisur.

      Lisa verdrehte die Augen. "Mein Gott, Anita, du bist doch keine zwanzig mehr. Glaubst du wirklich, du kannst einen Sechsunddreißigjährigen noch becircen?"

      "Warum denn nicht?" gab Anita pikiert zurück und strich mit beiden Händen ihren engen Rock über den Hüften glatt. Dann stöckelte sie über das Kopfsteinpflaster in Richtung Haus.

      "Sie trägt immer noch hohe Absätze", lächelte Anne und schüttelte den Kopf. "Irgendwie hat sie noch nicht richtig begriffen, dass das hier auf dem Land nicht die richtige Kleidung ist."

      "Lass sie doch. Wenn sie sich wohl fühlt", meinte Amelie.

      "Ich lass sie ja", antwortete Anne ruhig. "Sie wird es beizeiten schon selbst merken." Es wurde frisch so ohne Jacken, und die Frauen begaben sich wieder zurück ins Haus.

      Am nächsten Tag blieb das Telefon still. Mussten sie jetzt wirklich noch den dritten Bewerber einladen, obwohl sie daran nicht wirklich mehr interessiert waren? Schließlich hatten sie ihre Wahl bereits getroffen.

      "Sollen wir vielleicht mal rüberfahren zu diesem Kröger-Hof?" fragte Anita.

      "Auf keinen Fall!" Anne schüttelte den Kopf. "Wir müssen Geduld haben."

      Am zweiten Tag, die Frauen saßen gerade beim Mittagessen am großen Tisch, hörten sie das Knattern des Motorrads. Anita wollte sofort aufspringen und zur Tür laufen, doch Anne hielt sie zurück. "Lass ihn erst mal klingeln. Wir müssen ihm ja nicht gleich zeigen, dass wir schon ungeduldig auf ihn gewartet haben."

      Lisa nickte und löffelte weiter die cremige Lauchsuppe mit Kartoffel- und Speckeinlage, die Amelie zubereitet hatte. Als es klingelte, legte Inge ihren Löffel ab. Sie musste in letzter Zeit ständig das Essen unterbrechen, weil es ihr schwer fiel, Gabel oder Löffel zum Mund zu führen. Ursa ging indes gemessenen Schrittes zur Tür und öffnete. "Markus", rief sie und es hörte sich beinahe überrascht an. "Fast haben wir nicht mehr damit gerechnet, dass Sie sich melden würden. Aber wir freuen uns. Kommen Sie doch herein." Micki war mit zur Tür gekommen und umwedelte den Besucher aufgeregt.

      "Etwas Suppe?" fragte Amelie sogleich. Markus verneinte, nahm seine Mütze ab und drehte sie in den Händen wie ein kleiner Junge, der seiner Mutter irgendeinen Unsinn, den er verzapft hatte, beichten müsste. "Ich wollte Sie nicht beim Essen stören."

      Lisa hob ihre Hände in einer beschwichtigenden Geste. "Sie stören nicht. Wir sind doch neugierig, was Sie uns zu berichten haben."

      Ohne zu überlegen, antwortete er: "Ich möchte den Job haben. Ich möchte für Sie arbeiten."

      Absolute Stille trat ein. Kein Löffelgeklapper war mehr zu hören. Dann redeten und lachten plötzlich alle durcheinander. Wieder einmal. Aus dem fröhlichen Stimmengewirr hörte Markus Annes Stimme heraus: "Wir freuen uns. Herzlich willkommen, Markus." Die anderen Frauen stimmten mit ein.

      "Aber ich werde nicht hier wohnen", dämpfte er ein wenig die überschwängliche Freude. "Ich habe es ja nicht weit."

      "Schade", ließ sich eine der Frauen vernehmen. Sie konnten es nicht ganz verstehen, da in Markus´ Zuhause der Vater und auch der Bruder mit Familie alles beanspruchten. Hier hätte er sein eigenes Reich und sich sogar gemütlich ausbreiten können über dem Stall. Aber was nicht war, konnte sich ja noch ändern. Anne zuckte die Schultern. Die Hauptsache war und im Vordergrund stand, dass sie ab jetzt eine kräftige und zuverlässige Hilfe für ihren Hof gewonnen hatten und damit der Aufnahme und dem Erwerb von Tieren nichts mehr im Wege stand. Und als hätte Markus ihre Gedanken erraten, sagte er in die Runde hinein: "Mehrere Sauen auf unserem Hof haben vor einigen Wochen geferkelt. Wenn Sie möchten, können wir damit beginnen."

      "Na, das geht ja schnell", lachte Inge und verzog schmerzhaft das Gesicht, doch im Moment achtete keiner darauf.

      "Eines nach dem anderen", schmunzelte Lisa. "Wann wollen Sie anfangen?"

      "Morgen", kam es wie aus der Pistole geschossen. Markus verlor wirklich keine Zeit, nachdem er sich einmal entschieden hatte und den Frauen war es nur recht.

      Die ersten Tiere ziehen ein

      Am nächsten Morgen um sieben Uhr fuhr Markus knatternd in den Hof. Inge und auch Anne ließen sich noch nicht blicken, aber Amelie hatte bereits den Frühstückstisch gedeckt und der Kaffee blubberte in der Maschine. Leise lief das Radio. Lisa kam gerade mit ihrem Fahrrad und einem Beutel frischer Brötchen aus dem Dorf zurück. Ursa betrat, herzhaft gähnend, die offene Küche. Nachdem alle, bis auf Inge, die sich heute nicht wohl fühlte, erschienen waren, wurde beim gemütlichen Frühstück diskutiert. Alle, einschließlich Markus, kamen darin überein, zuerst mit Hühnern zu beginnen.

      "Dann habe ich endlich jeden Morgen mein Ei", maulte Lisa, grinste jedoch sofort wieder.

      Ursa biss genussvoll in ihr Brötchen und murmelte mit vollem Mund: "Wie viele Hühner wollen wir denn kaufen?"

      "Na, für jede eines und natürlich für Markus", sagte Anita mit einem spitzbübischen Seitenblick auf ihn.

      "Also sieben Hühner. Aber brauchen wir auch einen Hahn, damit sie überhaupt legen?" fuhr Anne in Gedanken versunken fort.

      "Hühner legen auch Eier ohne Hahn", wusste Markus zu berichten. "Nur ist ein Hahn trotzdem zu empfehlen, denn er sorgt dafür, dass es keinen Krieg zwischen den Weibchen gibt."

      "So ist das also. Ich dachte immer, Zickenkrieg gibt es erst, wenn ein Mann in der Nähe ist", flötete Anita amüsiert.

      Etwas entnervt und mit gerunzelter Stirn blickte Lisa sie an, sagte dazu aber nichts und wandte sich Markus wieder zu. "Ich habe aber keine Lust, morgens um fünf Uhr durch das Gekrähe geweckt zu werden."

      "Da könnten wir doch Abhilfe schaffen", meinte er. Und als die Frauen ihn fragend anblickten, fuhr er fort: "Wir bauen einfach einen Stall ohne Fenster. Erst morgens, wenn auch Sie aufstehen, öffnen wir die Klappe nach draußen und lassen Licht herein. Erst dann kräht auch der Hahn."

      "So machen wir es", rief Lisa zufrieden. "Wenn Sie einverstanden sind, dann fahren wir gleich heute in den Baumarkt und besorgen alles für einen Hühnerstall."

      "Kann ich auch mitkommen", fragte Anita und Lisa zuckte nur mit den Schultern. Sie fragte sich nur kurz, was ausgerechnet Anita in einem Baumarkt wollte.

      Die Frühstücksrunde löste sich schnell auf. Ursa ging mit den Hunden eine Runde spazieren, Anne räumte den Tisch ab und verschwand mit dem Geschirr im Küchenbereich, Anita wollte nach Hamburg und sich mit ihrem Lover treffen und Amelie schaute nach Inge.

      "Wie geht es dir?" fragte Amelie besorgt, als sie Inges Zimmer betrat. Inge saß auf der Bettkante, immer noch im Nachthemd. Sie schüttelte den Kopf und sah dabei ziemlich verzweifelt aus.

      "Was ist denn, Inge."

      "Ich weiß es doch auch nicht. Selbst die Ärzte wissen nicht, was ich habe. Es sind nicht wirklich Schmerzen, es ist nur......." Sie stockte, wusste nicht, wie sie es formulieren sollte und sah Amelie, die sich zu ihr auf die Bettkante gesetzt hatte, traurig an.

      "Komm, ich helfe dir beim Anziehen." Inge nickte, doch sie stand nicht auf. Amelie versuchte es zu ignorieren und eilte zum Schrank, öffnete ihn und zog einen blauen Baumwollpullover heraus. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Inge sich inzwischen erhoben hatte. Also ging sie zu ihr hinüber, half ihr das Nachthemd auszuziehen und streifte ihr den Pullover über. Das gelang nicht auf Anhieb, denn zuerst musste Amelie mit Kraft erst den einen, dann den anderen Arm hochziehen. Die Hose konnte Inge nur bis ungefähr zu den Knien selbst hochziehen, dann brauchte sie