Ursula Mahr

Alt, aber herrlich mutig


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einen der Stühle, legte seinen Motorradhelm auf den Esstisch und schaute die Frauen nacheinander mit unbewegtem Gesicht abwartend an. Anne schob ihm den Becher Tee hin, den er unbeachtet ließ.

      "Na, dann erzählen Sie mal. Warum haben Sie sich auf unsere Anzeige gemeldet."

      Der Mann stützte seine muskulösen Unterarme auf den Tisch und schaute sie von unten her an. "Ich mag gern körperlich arbeiten. Außerdem bin ich gelernter Schlachter. Sie könnten also Geld sparen, wenn wir die Schlachtungen gleich hier erledigen."

      Inge verschluckte sich an ihrem Tee und musste fürchterlich husten. Amelie klopfte ihr mehrmals zwischen die Schulterblätter und fragte besorgt: "Geht´s wieder?" Inge nickte, doch reden konnte sie noch nicht.

      "Also", meinte Anne gedehnt, "dann haben wir uns wohl missverstanden. Hier werden weder Tiere geschlachtet, noch zum Schlachter transportiert. Wir wollen Tiere zum Vergnügen halten."

      Jetzt war es an dem Bewerber, irritiert zu hüsteln. "Zum Vergnügen?" Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. "So was Verrücktes habe ich ja noch nie gehört." Als er jedoch in die unbewegten Gesichter der Frauen sah, fügte er murmelnd hinzu: "Entschuldigung."

      "Tja, dann hat sich ein weiteres Gespräch wohl erledigt, nicht wahr?" lächelte Anne ihn munter an und erhob sich. Auch er stand schwerfällig auf, nickte den Frauen zu und drängte sich an Ursa vorbei, die immer noch in der Tür stand. Ein Blick und eine kleine Handbewegung in Richtung Trigger, und er lief zu ihr. Gemeinsam folgten sie dem Mann nach draußen und beobachteten, wie er auf sein Motorrad stieg und mit laut knatterndem Motor davon fuhr. Als sie wieder hineinging, hörte sie schon das ausgelassene Lachen ihrer Freundinnen. Amelie schüttelte sich in gespieltem Entsetzen. "Einen Schlachter direkt auf dem Hof. Da wären ja unsere Tiere ihres Lebens nicht mehr sicher!"

      "Besonders sympathisch wirkte der auch nicht auf mich", prustete Inge.

      "Na dann, auf ein Neues", wurde Lisa wieder ernst. Welchen wollen wir denn jetzt einladen? Zwei haben wir ja noch."

      "Vielleicht sollten wir erst mal den aus der Nähe nehmen. Der hat es dann nicht so weit, wenn wir ihn nicht mögen", rief Anne und das Gekicher ging wieder los.

      Der hatte dann auch gleich am nächsten Tag Zeit und kam am späten Vormittag auf den Hof. Die Frauen waren gespannt, wer sich denn dieses Mal vorstellen würde.

      Er kam ebenfalls auf einem Motorrad. Neugierig drängelten sich die Frauen am Küchenfenster. Als sich der junge Mann dem Haus näherte, stoben sie auseinander und setzten sich an den Esstisch. Anne ging zur Tür und öffnete, noch bevor sich der Mann bemerkbar machen konnte. Trigger drängte sich an ihr vorbei und schnüffelte an seiner Hose. Dann wedelte er verhalten und kehrte beruhigt zurück in die Diele.

      "Nun, unser Hund hat sie ja bereits akzeptiert", meinte Anne freundlich. Der junge Mann war auch ihr sofort sympathisch. Er hatte dunkles Haar, das ihm ein wenig in die Stirn fiel. Seine Statur war kräftig, was die Arbeitskleidung mit kariertem Hemd, olivfarbener Weste und Gummistiefeln noch unterstrich. Er sah aus, als wäre er gerade von der Feldarbeit zurückgekommen. Zurückhaltend stand er da, doch dann kam er einen Schritt näher und streckte Anne lächelnd seine Hand zur Begrüßung entgegen. "Herr Kröger, nehme ich an?" fragte Anne und schüttelte sie. "Kommen Sie doch herein, dann können wir uns unterhalten."

      In der Diele kam ihnen heftig wedelnd Micki entgegen. Der junge Mann bückte sich sofort und kraulte ihm kurz über den Kopf. "Noch so ein hübscher Kerl", sagte er und strahlte Anne von unten an. Trigger war inzwischen im Wohnbereich verschwunden und lag bereits entspannt auf seiner Decke, als Anne und der junge Mann sich setzten. Nachdem sich die Frauen formlos vorgestellt hatten, sagte Lisa: "Dann erzählen Sie uns mal ein bisschen von sich, Herr Kröger. Und warum Sie diesen Job wollen." Abwartend schauten die Frauen ihn an.

      "Tja, ich bin sechsunddreißig Jahre alt. Meine Eltern, beziehungsweise mein Vater, denn meine Mutter ist seit einiger Zeit verstorben, hat einen Hof, den Kröger-Hof, zwei Dörfer weiter. Aber mein älterer Bruder wird demnächst den Hof übernehmen. Ich muss mir daher eine andere Perspektive suchen."

      "Haben Sie Ahnung von Tieren und deren Haltung?" fragte Ursa.

      "Ja, natürlich. Wir haben eine Schweinezucht und auch Geflügel. Katzen und einen Hund haben wir auch", fügte er lächelnd hinzu. "Ich helfe meinem Bruder und seiner Frau, wo ich kann, habe aber auch eine Schreinerlehre gemacht und in dem Beruf gearbeitet. Der Hof trägt uns zwar alle. Finanziell, meine ich, aber ich fühle mich trotzdem manchmal wie das fünfte Rad am Wagen."

      "Perfekt!" war das einzige, was Ursa zufrieden äußerte. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Für sie war Markus Kröger bereits eingestellt. Aber auch die anderen signalisierten Zustimmung.

      "Eines noch", sagte Anne, "Sie müssten nicht nur die Tiere versorgen, sondern auch die Zäune auf den Weiden instand setzen. Eigentlich wären Sie für alles zuständig: für die Tiere, aber auch für alles Handwerkliche."

      "Kein Problem", antwortete der junge Mann eifrig.

      "Wir haben allerdings noch keine Tiere. Aber vielleicht könnten Sie uns beim Kauf behilflich sein?"

      "Ja, kann ich. Was möchten Sie sich denn für Tiere anschaffen?"

      Jetzt wirbelten die Stimmen der Frauen aufgeregt durcheinander. "Ziegen, vielleicht auch Schafe. Ein Esel, natürlich Hühner, Enten und Gänse."

      Markus Kröger lächelte. "Für das Geflügel müssten aber erst einmal Unterbringungen geschaffen werden. Ich habe keine gesehen."

      "Brauchen wir auch nicht, Herr Kröger. Die Tiere sollen möglichst frei herumlaufen dürfen", sagte Anne.

      "Es wäre nett, wenn Sie mich Markus nennen würden. Nun, ein festes Geflügelhaus wäre schon wichtig. Zumindest für die Nacht, damit nicht Marder, Fuchs oder Eule sich das eine oder andere Tier holen. Es dauert zwar noch, aber für den Winter wäre eine Behausung auch notwendig."

      "Ja, natürlich. Daran haben wir Städterinnen gar nicht gedacht. Sie haben wirklich Ahnung, Markus", strahlte ihn Anita an und er lächelte zurück. Attraktiv war er, dachte sie. Er könnte zwar vom Alter her fast ihr Sohn sein, doch das hatte Anita noch nie davon abgehalten, zumindest mit ihrem Gegenüber zu flirten.

      "Haben Sie auch Katzen?" fragte er weiter.

      "Ja, eine", antwortete Anne. "Sie liegt wohl oben auf einem der Betten und schläft. Sie ist schon alt und war hier eigentlich noch nie richtig draußen."

      Markus wiegte den Kopf. "Wir sollten vorsichtshalber auch einen eingezäunten Außenbereich bauen. Auch wegen ihm." Sein Blick ging zu Micki, der daraufhin erwartungsvoll wedelte.

      Keine der Frauen schien es zu stören, dass sie bereits beim wir angekommen waren.

      "Dürfte ich mir mal den Stall anschauen?" Sofort standen alle Frauen auf. Anita nahm Markus kurz am Arm und dirigierte ihn lächelnd in Richtung Tür. Im Stall angekommen, bemerkte er staunend: "Das sieht aber schon sehr ordentlich aus. Hier müsste vorerst nichts gemacht werden." Er rüttelte an den Balken und nickte zufrieden. "Wohin führt diese Treppe?" Es kam Bewegung in die Frauen, die bisher abwartend in der Stallgasse gestanden hatten. "Dort oben haben wir einige kleine Zimmer und ein Duschbad einbauen lassen." Markus nickte, schien aber nicht weiter interessiert.

      Stillschweigend verständigten sich die Frauen mit Blicken: Markus war der Richtige. Er war die ideale Besetzung für diesen Job. Ihn wollten sie haben. Doch bevor eine der Frauen etwas sagen konnte, sagte Markus etwas und das gefiel den Frauen gar nicht.

      "Ich habe jetzt alles Wichtige gesehen. Ich würde gern ein oder zwei Nächte darüber schlafen."

      "Aber warum?" Entgeistert schaute Ursa ihn an. "Haben wir Ihnen zu wenig Geld geboten, Markus?"

      Doch bevor er antworten konnte, meinte Amelie: "Wir können doch über alles reden." Dabei schaute sie ihn fast Mitleid heischend an.

      Markus lächelte: "Zwei Nächte."

      Ernüchtert fügten sich die Frauen, obwohl Anita noch einmal einen Versuch startete. Sie hakte sich lächelnd