als Alaric ihren Vater begrüßte. »So, nun bist du also der Erbe des Herrschers über die Stämme«, sagte sie leichthin.
Daher weht der Wind, dachte er, und erwiderte: »Ja, das bin ich dann wohl. Es bedeutet viel Arbeit für mich, aber noch viel mehr für meinen Vater.«
»Man sollte es mit der Arbeit nicht übertreiben, Maksim. Man braucht auch Erholung.« Ihr Augenaufschlag ließ ihn nicht im Ungewissen darüber, was sie meinte.
»Mir macht die Arbeit nichts aus«, entgegnete er, sie gewollt missverstehend. »Ah, da ist Delia!«
Seine Tante war zu ihnen getreten und er stellte ihr Inam vor.
Delia war höflich, aber zurückhaltend. »Du wirst das Leben auf der Festung eintönig finden«, sagte sie zu Inam. »Wir sind sehr mit den täglichen Arbeiten beschäftigt, gerade jetzt, wo die Ratsmitglieder hier leben werden. Kurzweil gibt es leider wenig.«
»Ich verstehe das.« Inam schien zu begreifen, dass man sich auf D’Aryun mit Gästen schwertat, die zu keinem besonderen Zweck anreisten. »Ich helfe natürlich mit, wo ich kann.«
»Das freut mich.« Delia lächelte höflich. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Alaric, unsere Gäste werden hungrig sein und die Mitternacht naht. Ich habe die Küche gebeten, uns das Mahl etwas früher als sonst aufzutragen. Danach können du, Zelinkan und Maksim sich zurückziehen. Inam«, sie wandte sich an die Besucherin, »du kannst mir helfen, eure Gemächer vorzubereiten. Ihr werdet im Wohntrakt untergebracht.«
Inam schien nicht begeistert von der Aussicht, Betten zu beziehen oder Staub zu wischen, denn ihr zustimmendes Lächeln wirkte verkniffen.
Maksim atmete innerlich auf. Er und Rodica konnten sich erst einmal weiter in dem Turm treffen. War es wirklich erst sechs Monde her, dass er nicht genug von Inam hatte bekommen können? Jetzt hätte er sie am liebsten auf ein Pferd gesetzt und nach Hause geschickt. Stattdessen führte er sie höflich zu der langen Tafel und rückte ihr den Stuhl zurecht.
»Vielen Dank, Maksim.« Wieder ein verführerisches Lächeln. Sie senkte die Stimme: »Wie geht es dir? Hast du mich vermisst?«
»Danke, mir geht es gut«, sagte er hölzern.
Sie runzelte die Stirn. »Was ist los? Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?«
»Doch, natürlich. Es ist nur, dass wir hier so viel zu tun haben, seitdem Vater der Herrscher ist. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.« Selbst in seinen Ohren klang das lahm und es wunderte ihn nicht, dass sie ihre dünnen Augenbrauen hob.
»Aha. Bei uns hat dich die Arbeit nicht von Vergnügungen abgehalten.« Die Betonung des Worts ›Vergnügungen‹ ließ keinen Zweifel, was sie im Sinn hatte. Er konnte ihr leider nicht sagen, dass ihn ›Vergnügungen‹ seit Rodica nicht im Geringsten interessierten.
Er seufzte. »Hör zu, ich habe wirklich viel um die Ohren. Zelinkan und ich haben die einmalige Chance, unsere Pläne zu verwirklichen, jetzt, wo Vater der Herrscher ist. Es mag sich nicht großartig anhören, aber es braucht Zeit und Geduld, bis wir alle auf unsere Seite gezogen haben. All die Streitgespräche, die Dispute, das zehrt an einem. Ich muss diese Chance jetzt nutzen und kann mich da nicht auf etwas anderes und schon gar nicht auf ›Vergnügungen‹ konzentrieren.«
Inams Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen. »Eure heiligen politischen Ambitionen! Ich verstehe. Vater wollte nicht, dass ich mitkomme. Du willst mich nicht hier haben und deine Tante will mich auch nicht. Ich werde mich bemühen, euch nicht in die Quere zu kommen.«
»Das wäre schön«, entfuhr es ihm, bevor ihm die Unhöflichkeit seiner Antwort klar wurde.
Einen Augenblick herrschte Stille, in der sie wohl darauf wartete, dass er sich wortreich entschuldigte, ihr versicherte, dass er sich über ihre Anwesenheit freue und sie keineswegs eine Last sei.
Er tat es nicht, zu sehr ärgerte es ihn, dass sie zu glauben schien, er würde für sie alles stehen und liegen lassen, wenn sie auf D’Aryun auftauchte. Mal abgesehen davon, dass sie die beschwerliche Reise bestimmt nicht auf sich genommen hätte, wäre Vater nicht zum Herrscher gemacht worden. Seine Attraktivität musste im Vergleich zum Sommer, als er nur der Sohn eines beliebigen Stammesfürsten war, stark zugenommen haben. Zelinkan setzte Inam unter Druck, sich einen Gefährten zu wählen. Der Erbe des Herrschers über die Stämme wäre für sie eine exzellente Wahl. Nur, dass er da nicht mitmachen würde, sollte das wirklich das Ziel ihrer Reise sein.
Als er beharrlich schwieg, kehrte sie ihm wortlos den Rücken zu und begann ein Gespräch mit Vidars Gefährtin, die auf ihrer anderen Seite saß.
Nun, wenigstens habe ich jetzt Klarheit geschaffen, dachte er, nahm sein Messer und schnitt wütend in die gebratene Schweinelende, die man auf das Holzbrett vor ihm gelegt hatte.
Kapitel 12
Inams Gebaren sorgte bei den Sklaven für Furore.
Nachdem sie zusammen mit Delia und den Zimmersklavinnen die Gemächer hergerichtet hatte, war das Angebot mitzuhelfen rasch vergessen. Delia forderte es auch nicht ein. Wie sie Emese anvertraute, fürchtete sie, dass der Nutzen von Inams Hilfe wesentlich geringer war als der Aufwand, sie einzuweisen und zu beaufsichtigen.
Dabei wäre es auch geblieben, hätte Inam nicht eigene Vorstellungen entwickelt. Nach einigen Nächten verlangte sie, eine Frau zur persönlichen Verwendung zu bekommen, die sich um ihre Kleidung kümmerte und ihr als Blutsklavin zur Verfügung stand. Man könne von ihr, der Fürstentochter, nicht erwarten, dass sie ihre Kleider selbst herauslegte, veranlasste, dass sie gewaschen und geplättet wurden, und kleinere Näharbeiten vornahm. Auch sei sie es nicht gewöhnt, ihre Blutsklaven zu teilen. Ihr Zugeständnis sei, dass sie nur eine Sklavin und nicht mehrere für all dies wolle.
Sie hatte die Rechnung ohne Delia gemacht, die ihr höflich darlegte, dass man auf D’Aryun keine persönlichen Sklaven habe und dies in Anbetracht der vielen Vampire auf der Festung nicht in Frage käme. Sie müsse sich allein um ihre Kleidung kümmern und könne nach einem Blutsklaven rufen, wenn sie Blut benötige.
Delia berichtete Zelinkan von Inams Ansinnen, woraufhin es zu einem Streit zwischen Vater und Tochter kam, den alle, die sich in der Nähe der Gemächer der Besucher aufhielten, mitanhören konnten, unter anderem die Zimmersklavinnen, die in der Küche brühwarm darüber berichteten. Auch wie Inam tränenblind aus den Räumen stürmte und den Rest der Nacht damit verbrachte, durch die Festung zu irren.
»Das hat ihr den Kopf zurechtgerückt!«, erzählte Emese Rodica am Morgen nach jenem Streit, als sie sich für das Bett fertigmachten. »Die ist doch nur angereist, weil sie ein Auge auf den jungen Herrn geworfen hat! Als er bei den Arrajk’ag war, da hat sie mit ihm gespielt. Da war er gerade gut genug, um ihn sich ins Bett zu zerren. Aber jetzt, wo er der Erbe des Herrschers ist, ja, da will sie ihn!«
Rodica starrte sie sprachlos an. Was sagte Emese da? »Woher weißt du das alles?«, fragte sie vorsichtig, ängstlich bemüht, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Maksim und Inam? Das konnte, das durfte einfach nicht wahr sein!
»Zelinkans Krieger haben es Vazha berichtet.« Emese schüttelte energisch ein Kissen auf. »Die feine Dame ist ein ganz durchtriebenes Luder! Ihr armer Vater! Der versucht seit geraumer Zeit, einen Gefährten für sie zu finden. Am Anfang hat sie alle Verehrer abgelehnt. Nun hat niemand mehr Interesse an ihr. Wie auch, wo jeder weiß, dass sie sich praktisch den ganzen Stamm der Arrajk’ag ins Bett genommen hat! Ich sage dir, die setzt alles daran, sich den jungen Herrn als Gefährten zu angeln. Und wenn sie sich von ihm schwängern lässt!«
An diesem Tag konnte Rodica nicht einschlafen. Dass Maksim vor ihr Erfahrungen gesammelt hatte, war ihr bewusst, schließlich war er zehn Winter älter als sie. Sie hatten nie darüber gesprochen. Es war einfach nicht wichtig gewesen. Doch plötzlich erschien es ihr in einem anderen Licht. Es schmerzte, ihn sich in den Armen der schönen und eleganten Inam vorzustellen. Verglichen mit ihr war sie doch klein und hässlich in ihren einfachen Arbeitskitteln, die Hände häufig schmutzig von der Arbeit in den Stallungen!
Wütend