mit Inams Ankunft hätte er es ihr sagen müssen!
Ach, sagte ihre innere Stimme spöttisch, du hast ihm nicht von Andrei erzählt, oder? Warum sollte Maksim dir dann von seinen Liebschaften berichten?
Ja, es stimmte, er wusste nichts von Andrei. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie enttäuscht war. Was hatte Maksim an dieser Inam gefunden? Ihre Schönheit? Dass sie eine Fürstentochter war, eine Vampirin von Stand?
Sie zwang sich, den Tatsachen ins Gesicht sehen. Maksim würde sich eines Tages eine Gefährtin nehmen, schon aus dem einfachen Grund, um die Erbfolge des Hauses D’Aryun sicherzustellen. Eine Gefährtin von fürstlichem Geblüt wie Inam. Auch wenn er diese Gefährtin nicht lieben sollte – und Liebe spielte bei der Wahl der Gefährtin eines zukünftigen Fürsten kaum eine Rolle – so wäre da eine andere, mit der sie konkurrieren würde. Die Maksim Erben gebären konnte. Und die eine so machtvolle Position hätte, dass sie die Geliebte ihres Gefährten von der Festung verbannen konnte. Oder Schlimmeres. Auch wenn sie bisher nicht viel von Inam gesehen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass diese Frau eine Geliebte neben sich dulden würde.
Ihr war, als ob ein kalter Windstoß durchs Zimmer fegte. Sie wickelte sich fester in ihre Decke. In der nächsten Nacht musste sie mit Maksim sprechen.
Kapitel 13
»Was ist los mit dir?« Er küsste Rodica zärtlich auf die kleine Bisswunde am Handgelenk, genoss die samtene Weichheit ihrer Haut auf den Lippen.
Sie standen sich in seinem Gemach gegenüber. Wegen der Gespräche mit seinem Vater und Zelinkan hatte er nur kurz Zeit, um sich von ihr zu nähren, und so waren sie dem Turm ferngeblieben.
Sie senkte den Kopf, aber nicht schnell genug, als dass er nicht die aufsteigenden Tränen bemerkte. Ein Schreck durchfuhr ihn. »Rodica, Geliebte, was ist los?« Er hob ihr Kinn, sah sie forschend an. »Sprich mit mir, bitte.«
Sie schluckte. »Es ist … diese Inam.«
Verflucht. »Was hast du gehört?«
Es war die Antwort, die er befürchtete. »Dass du bei ihr gelegen bist, als du bei den Arrajk’ag warst. Dass sie deine Gefährtin werden will.« Sie wischte sich mit einer raschen Bewegung die Tränen weg. »Maksim, ich … weiß, dass du … Erfahrungen mit anderen Frauen hast, dass ‒.«
»Pst«, sagte er leise und legte ihr den Finger auf die Lippen. »Ja, das habe ich. Auch mit Inam, das gebe ich zu. Aber ‒.«
»Nein, das ist es nicht … also, nicht wirklich. Oder vielleicht doch. Eher der Gedanke, dass diese Frau … nun ja, deine Gefährtin werden will … und du irgendwann eine Gefährtin nehmen musst. Eine Vampirin. Und das zu wissen … es tut weh.«
Er seufzte tief. »Ach, Rodica. Ja, ich bin bei Inam gelegen, aber das war, bevor wir uns verliebt haben. Es bedeutete nichts. Zumindest mir nicht und ich dachte, Inam ginge es genauso. Jedenfalls wurde sie es nicht müde zu beteuern, dass sie sich nur ihrem Vergnügen hingebe und keinen Gefährten wolle. Jetzt wünschte ich mir aus vollem Herzen, dass es nie geschehen wäre. Weil es dir wehtut.« Er zog sie in seine Arme, hielt sie und wollte sie nie wieder loslassen.
»Aber wenn sie jetzt doch einen Gefährten will?«, fragte sie zaghaft.
Er spürte ihr Zittern und küsste sie sanft auf das Haar. »Dann muss sie sich den woanders suchen, denn mich bekommt sie nicht. Zwischen mir und Inam war nichts. Ich liebe sie nicht, habe sie nie geliebt. Ich kann und werde keine Gefährtin nehmen, die ich nicht liebe.«
»Aber irgendwann musst du doch ‒.«
»Nein! Vater ist der Fürst und der Herrscher der Stämme. Er ist unsterblich. Schon allein das ist ein Grund, weswegen ich niemals der Fürst der D’Aryun werde, und weswegen ich keine Gefährtin nehmen muss. Wer weiß, vielleicht nimmt Vater sich irgendwann eine Gefährtin und zeugt einen weiteren Nachfolger. Du siehst, ich muss gar nichts machen!«
Sie zitterte immer noch und er strich tröstend über ihren Rücken. »Fürchte dich nicht, Liebste«, murmelte er. »Ich werde nicht zulassen, dass man uns trennt. Ich liebe dich.«
»Aber können wir wirklich so weitermachen? Ich bin ein Mensch, du ein Vampir. Es ‒.«
»Deswegen will ich, dass sich unsere Gesellschaft ändert!«, unterbrach er sie hitzig. »Ich will dich lieben können, ganz offen, ohne diese Geheimnistuerei! Und ich werde keine andere Gefährtin nehmen als dich!«
»Oh, Maksim«, flüsterte sie.
Er konnte ihre Erschütterung spüren und dass seine Worte sie nicht beruhigt hatten. »Habe Geduld mit mir«, bat er. »Unser Weg wird nicht einfach sein. Aber wir werden ihn gehen. Zusammen! Ich werde immer bei dir sein!«
Er presste sich an sie, küsste sie innig. Sie antwortete hungrig, fast verzweifelt, als wolle sie ihm glauben und darauf vertrauen, dass alles gut wurde. Er löste seine Lippen von den ihren und vergrub sein Gesicht in ihren duftenden Haaren. Seine Pläne mussten wahr werden. Sie mussten einfach!
Kapitel 14
Rodica verbrachte den Rest dieser Nacht, nachdem sie die Stallarbeit erledigt hatte, auf der Wehrmauer. Die Graupel, die der scharfe Wind vor sich hertrieb, stachen ihr ins Gesicht. Warin hatte ihr zugenickt und war zum anderen Ende der Mauer gewandert, als habe er gespürt, dass sie allein sein wollte.
Trotz Maksims Versicherungen wurde sie das bohrende Gefühl der Unsicherheit nicht los. Als sie bei ihm war, er sie hielt, da hatte sie einen Augenblick geglaubt, dass sie alle Hindernisse überwinden würden. Doch jetzt kamen die Zweifel zurück.
Maksim setzte all seine Hoffnungen in neue Gesetze, die er zusammen mit diesem anderen Stammesfürsten, Zelinkan, anstrebte. Aber würde es ihnen gelingen, die Stämme zu überzeugen? Falls sie die Gesetze änderten, würde dies dazu führen, dass Verbindungen zwischen Menschen und Vampiren akzeptiert wurden? Könnte Maksim trotz all seiner Beteuerungen gezwungen sein, sich eine Vampirin als Gefährtin zu erwählen?
Dann gab es da noch weitere Dinge, die sie beunruhigten. Maksim war unsterblich, ihr Leben hingegen endlich. Natürlich konnte er sterben, ihm konnte in einer Schlacht oder einem Kampf der Kopf abgetrennt werden, der einzige Weg, einen Vampir zu töten. Aber im Grunde genommen hatte er alle Zeit, um seine Vorhaben durchzusetzen, mochte dies zehn, dreißig oder hunderte von Wintern dauern. Sie hatte diese Zeit nicht. Würde er sie noch lieben, wenn sie alt und runzlig war?
Sie stemmte die Ellenbogen auf die Mauer und starrte in die Berge. Die blattlosen Gerippe der Bäume im Wald tief unter ihr streckten sich in den nächtlichen Himmel. Der See lag still da, sein Wasser gefroren von der Kälte des Winters.
»Was ist los, Mädel?« Warin war zurückgekommen und baute sich neben ihr auf.
Sie seufzte.
»Der junge Herr?«
Sie fuhr zusammen. »Woher weißt du ‒?«
Der Vampir lächelte. »Mädel, ich bin das älteste Wesen auf der Festung. Werde nun fünfhundertunddrei Winter alt. Da bleibt einem nichts verborgen.«
»Ach, Warin.« Sie starrte blicklos in die Ferne. Also wusste man trotz all ihrer Vorsicht über sie Bescheid. Vielleicht hatte Warin bei einem Wachwechsel bemerkt, wie sie in dem Raum im Turm verschwanden, wer weiß. »Was soll ich nur machen?«
»Ich gebe dir einen Rat, Mädel. Du musst ihn nicht annehmen, aber denk drüber nach. Du und der junge Herr, das ist eine schwierige Sache. Ein Vampir und ein Mensch. Mir ist das gleich. Wäre meine Ella ein Mensch, würde ich sie genauso lieben. Aber vielen ist es nicht gleich. Ihr werdet immer dagegen ankämpfen müssen. Wenn ihr euch dessen bewusst seid, dann schafft ihr das. Aber erträumt euch keine Zukunft, die es nicht geben kann, denn dann ist die Enttäuschung umso größer.«
»Kannst du das Maksim sagen?«, platzte es aus ihr heraus.
»Es stimmt, der junge Herr