S.C. Keidner

Unvergängliches Blut - Sammelband


Скачать книгу

fest, dass dies der einzige Weg ist, wie wir Vampire überleben können! Wie lange wird es dauern, bis keine Menschen mehr im Gebirge oder im Niemandsland leben? Bis alle Menschen in die Städte geflohen sind? Was wird dann aus uns?«

      »Ich denke nicht, dass alle Menschen vor uns fliehen«, entgegnete Alaric. »Es gibt genug, die bleiben, gerade im Niemandsland.«

      »Meinst du wirklich?«, beharrte Maksim. »Werden sie nicht irgendwann der Überfälle und Entführungen müde sein?«

      »Ich bin der Ansicht, dass Sklaven keinen Anreiz zur Flucht haben, wenn wir vernünftig mit ihnen umgehen. Du siehst es hier, auf der Festung. Wir haben noch nie einen Fluchtversuch erlebt. Den Menschen geht es gut. Sie fühlen sich sicher.«

      Genau das hatte Rodica gesagt. Es ärgerte ihn, dass Vater denselben Einwand vorbrachte. »Weil sie nichts anderes kennen! Und ja, hier fühlen sie sich sicher, auch wenn sie Gefangene sind. Aber was ist mit Sklaven von Fürsten wie Aibek? Oder Raiden Tyr?«

      »Das stimmt«, räumte Alaric ein. »Aber ist es nicht besser, bei diesen Fürsten auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Sklaven hinzuwirken, als auf die Abschaffung des Sklaventums zu drängen? Ein großer Teil der Stämme wird die Sklaverei nicht beenden wollen, schon allein, weil sie das teuer zu stehen käme. Blutdiener kosten Gold. Doch wenn wir vorleben, wie man mit Sklaven vernünftig umgeht, werden sie eher willens sein, über eine Veränderung nachzudenken, und sei es zunächst, dass sie ihre Sklaven besser behandeln. Vielleicht ist das sogar der Anfang vom Ende der Sklaverei, wer weiß. Mein Punkt ist, dass Zelinkans und dein Vorschlag ein rabiater Schritt ist. Ich glaube, eine Anzahl kleiner Veränderungen ist zielführender als ein drastischer Bruch mit unseren Traditionen.«

      »Die Blutdienerschaft war eine Tradition, mit der wir gebrochen haben«, erinnerte Maksim ihn.

      »Ich weiß. Doch die Sklaverei funktioniert für viele Stämme sehr gut. Selbst wenn ich von dem sofortigen Wechsel zur Blutdienerschaft überzeugt wäre – was ich nicht bin – würde der Rat der Stämme dem nicht zustimmen.« Er lächelte Maksim an. »Aber das heißt nicht, dass du deine Ideen nicht verfolgen sollst. Auch wenn ich nicht überzeugt bin, ist einiges von dem, was Zelinkan sagt, durchaus nicht falsch. Doch ihr könnt die Dinge nicht übers Knie brechen und braucht die Unterstützung des Rats.«

      Maksim nickte langsam. »Ich habe verstanden. Ich werde versuchen, Mitstreiter im Rat zu finden.« Er warf einen Blick aus dem Fenster, wo der tief stehende Mond das nahende Ende der Nacht ankündigte. »Entschuldige, Vater. Vidar und ich wollen vor Sonnenaufgang noch einen Waffengang absolvieren. Erlaubst du, dass ich mich entferne?«

      »Geh nur, wir sind hier fertig. Der Rat der Stämme ist vollständig. Jetzt müssen wir das Datum der ersten Sitzung festlegen.« Alaric stand gleichzeitig mit ihm auf. »Wir müssen den Räten genügend Zeit zur Übergabe ihrer Verpflichtungen an ihre Stellvertreter und für die Anreise geben. Die erste Sitzung wird wohl erst im Frühjahr stattfinden.«

      Das gab ihm die Zeit, sich eine Strategie zurechtzulegen, um Unterstützer für seine Ideen zu finden. Er verabschiedete sich von Alaric und eilte in sein Gemach. Es stimmte, er plante einen Waffengang mit Vidar. Doch seine Gedanken kreisten wieder um Rodica. Es war nicht nur die Hitze ihres Kusses. Als sie zusammen vor dem Kaminfeuer saßen, er ihr von seinen Ideen erzählte, hatte er sich wohlgefühlt. Dass sie ihm zuhörte und mit ihm diskutierte, gab ihm Ansporn, seine Ideen zu verwirklichen. Nie hatte er so in der Gegenwart einer Frau empfunden und das verwirrte ihn.

      Er war sicher, dass es ihr mit ihm ähnlich erging. Nach dem Kuss erschien sie atemlos und eine plötzliche Röte war in ihre Wangen gestiegen. Ihre Verlegenheit, wenn sie sich sahen, sprach Bände.

      Es war Wahnsinn. Sie war ein Mensch, eine Sklavin. Sie würde alt werden und sterben. Sein Vater würde einer Verbindung mit ihr niemals zustimmen. Er würde sein Erbe verlieren, falls er Rodica zur Gefährtin nahm. Doch all das war ihm egal. Ihm verlangte so sehr nach ihr, dass es schmerzte.

      Es hatte gedauert, bis er den Entschluss gefasst hatte. Er war ihm nicht leicht gefallen, wusste er doch, zu was das führen konnte.

      Er würde sie zu sich bitten, um sich von ihr zu nähren.

      Kapitel 9

      Rodica brachte Rüben aus dem Schuppen in die Küche, als Vazha ihr sagte: »Der junge Herr will, dass du zu ihm kommst. Er muss sich nähren.«

      Maksims Lippen würden ihr Handgelenk berühren! Sie senkte den Kopf, ließ sich nicht anmerken, dass ihr Herz zu rasen begonnen hatte. Zugleich wünschte sie sich weit weg, ohne zu verstehen warum.

      Sie wusch sich Hände und Arme unter der Pumpe und ging mit klopfendem Herzen zu Maksims Gemach. Kaum erschien sie auf der Schwelle, rief er: »Komm herein und schließe die Tür.«

      Sie gehorchte und blieb unschlüssig stehen. Er saß am Tisch, vor sich Karten des Gebirges, in der Hand eine Feder.

      »Rodica.« Er lächelte und legte die Feder weg. »Komm, setz dich hierher. Ich benötige Blut.«

      »Natürlich«, sagte sie und sank auf den Stuhl ihm gegenüber. Ihre Knie berührten sich, was den schnellen Schlag ihres Herzens weiter beschleunigte.

      Er nahm ihre Hand mit einem sanften Griff und zog mit dem Daumen eine sinnliche Spur über ihre Haut. Sie holte heftig Atem.

      »Deine Haut ist so weich«, sagte er leise, hob die Hand und legte seine Lippen auf ihr Handgelenk. Fast erschien ihr diese Berührung wie ein zärtlicher Kuss. Feuer flammte in ihr auf und es gelang ihre kaum, ein Keuchen zu unterdrücken. Dann bohrten sich seine Zähne in ihre Haut. Sie musste ihn einfach unverwandt ansehen und ließ sich von seinen tiefen dunklen Augen gefangen nehmen, auch wenn die Stimme der Vernunft ihr zuflüsterte, dass es nicht sein durfte. Wie bei Delia spürte sie keinen Schmerz, nur einen sanften Druck, wo seine Zähne die Haut durchstießen. Und wie bei Delia war die Blutaufnahme vorbei, bevor sie sich sammeln konnte.

      Er strich mit dem Finger über die beiden kleinen Wunden, hielt ihre Hand weiter umfasst, als wolle er verhindern, dass sie davonlief. Sie dachte gar nicht daran. Die Nähe zu ihm war überwältigend und viel zu kostbar.

      »Hattest du Schmerzen?« Seine Stimme klang besorgt, unsicher.

      Sie schüttelte schnell den Kopf und sagte hastig: »Nein, es … es ist nur, ich … bin das noch nicht gewöhnt. Ich meine … Delia … sie hat ein paar Mal mein Blut getrunken. Ich ‒.«

      Er ließ ihre Hand los und legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. Sie stockte in ihrem sinnlosen Redefluss, hielt zitternd den Atem an. Er strich ihr langsam über die Wange, seine Hand glitt durch ihr Haar, legte sich um ihren Hinterkopf und zog sie sanft aber bestimmt zu sich.

      »Maksim«, flüsterte sie, als seine Lippen näherkamen und sie in seinen Augen zu versinken drohte. Sie schluckte trocken.

      »Ja?« Seine Stimme war vor Verlangen rau.

      Es war der letzte Rest an Verstand, der sie dazu brachte zu sagen: »Wir sollten ... nicht ‒.«

      »Ich weiß.« Er küsste sie.

      Sie keuchte auf, öffnete unwillkürlich die Lippen, damit er ihren Mund in Besitz nehmen konnte. Der Griff seiner Hand verstärkte sich. Sie folgte ihm willig, legte ihre Arme um seinen Hals. Der Schlag ihres Herzens, vorher ein unruhiges Pochen, schwoll an zu einem Tosen.

      Nie hatte sich ein Kuss so angefühlt. Er begann süß und atemberaubend und wurde besitzergreifend, riss sie mit sich wie eine winterliche Schneelawine, gewaltig und unaufhaltsam. Sie vergrub die Finger in seinen Haaren, wollte ihn mit allen Sinnen spüren. Seine freie Hand begann, ungeduldig an den Knöpfen ihres Kleids zu zerren, öffnete einen nach dem anderen. Feuerströme fegten durch ihre Adern, als er dabei zart ihre Haut streifte.

      Seine Lippen wanderten zu ihrem Hals, während seine Hand in den Ausschnitt ihres Kleids glitt und sie sanft streichelte. Als sie aufstöhnte, zog er seine Hand plötzlich zurück und richtete sich auf.

      Sie protestierte schwach.