es, die ihm den Finger auf die Lippen legte und zum Verstummen brachte. »Mir geht es doch genauso«, flüsterte sie. »Seit ‒.«
»Du mich auf die Wange geküsst hast.«
»Ja. Ich … es war nicht überlegt.«
»Es war wunderschön«, sagte er mit belegter Stimme. »Seitdem muss ich immer an dich denken.«
»Und ich an dich.«
Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Wie dumm von uns. Da sind wir nächtelang aneinander vorbeigelaufen, und dabei ‒.«
Sie beugte sich vor, wollte ihn nur kurz küssen, doch seine Antwort war leidenschaftlich. Der Raum versank. Es gab keine Zweifel oder Bedenken mehr. Sie gehörte ihm und er ihr. Seine Finger zogen ihr das Oberteil von den Schultern, liebkosten ihre Brüste. Sie stöhnte gegen seine Lippen, als Verlangen sie wie ein Waldbrand durchfuhr.
»Rodica, ich will ‒.«
»Ja«, flüsterte sie heiser, woraufhin er sie in seine Arme riss, hochhob und zum Bett trug.
Kapitel 10
Für Rodica vergingen die langen Winternächte wie in einem Traum. Maksim und sie trafen sich heimlich. Ihnen war klar, was sie zu erwarten hatten, sollte ihre Liebe bekannt werden. Sowohl Emese als auch Alaric würden sie ihnen sofort verbieten.
Rodica erledigte ihre Arbeiten und den Blutdienst, während Maksim Besprechungen mit seinem Vater hatte und an den Kampfübungen der Krieger teilnahm. Wenn sie die Gelegenheit hatten, trafen sie sich in einem unbewohnten Raum in dem Turm, der am weitesten von den Wohngemächern entfernt lag. Bis auf die Krieger, die bei Wachwechsel über die Treppe zur Wehrmauer hinaufstiegen, kam niemand hierher. Die Turmräume waren klein und wurden nur bewohnt, wenn es keine andere Möglichkeit gab. In dem, den sie sich ausgesucht hatten, standen ein altes Bett und einige verstaubte Sessel. Sie hatten Decken und Felle gegen die Kälte auf das Bett gelegt, unter denen sie eingekuschelt lagen, denn sie wollten kein Feuer entzünden, damit man nicht auf sie aufmerksam wurde.
»Wir werden uns hier bald nicht mehr treffen können«, sagte Maksim eines Nachts, nachdem sie sich geliebt hatten und in den Armen hielten, ihr Kopf auf seine Brust gelegt. »Diese Räume werden den Räten zugewiesen, wenn sie zu Beginn des Frühjahrs auf die Festung ziehen. Ich glaube, dieser Turm soll am Ende des Mondes hergerichtet werden.«
Rodica schmiegte sich an ihn. »Lass uns jetzt nicht darüber nachdenken. Wir haben den Winter und sollten ihn nutzen.«
Er küsste sie auf das Haar. »Auf jeden Fall. Trotzdem müssen wir irgendwann einmal darüber sprechen, was mit uns werden soll.« Er seufzte. »Im Augenblick ist es leicht, sich heimlich zu treffen, aber wenn die Festung voll wird ‒.«
»Dann suchen wir uns einen anderen Platz.«
»Hm«, machte er. »Vielleicht außerhalb der Festung? Es gibt da einige Höhlen.«
»Dann müsste ich aber die Burg verlassen.« Rodica schüttelte sich. »Und in den Höhlen sind bestimmt Bären!«
Er drückte sie fest an sich. »Ich werde dich gegen Bären verteidigen! Und was das Verlassen der Burg angeht: Ich könnte dafür sorgen, dass du zur Feldarbeit eingeteilt wirst.«
»Aber dann müssen wir den Kriegern entgehen, die die Feldarbeiter beaufsichtigen. Sie werden nicht zulassen, dass ich so ohne Weiteres verschwinde.«
Maksim lachte. »Nein, sicher nicht. Da hast du recht. Aber vielleicht maskiere ich mich, komme auf meinem Pferd angeprescht und entführe dich! Ich werde so schnell sein, dass keiner der Krieger reagieren kann!«
Sie kicherte. »Und was dann?«
»Dann? Dann reiten wir weg. In den Süden des Gebirges.«
»Was ist im Süden?«
»Keine Ahnung. Das werden wir herausfinden.«
Jetzt musste sie lachen, wusste sie doch, dass dies Spinnereien waren.
»Nein, im Ernst«, sagte Maksim und strich ihr liebevoll das Haar aus dem Gesicht. »Das zeigt mir, dass ich recht habe. Mehr als all die Diskussionen mit Zelinkan hast du mir die Augen geöffnet. Die Sklaverei muss beendet werden. Weil ich dich liebe und dich als meine Gefährtin möchte.«
Sie sah ihn zärtlich an. »Ich liebe dich auch, Maksim.«
Er neigte den Kopf und küsste sie. »Ich habe noch etwas Zeit, bis ich zu Vater muss. Wir sollten das ausnutzen«, murmelte er und streichelte über ihre Brüste, um dann die Hand zwischen ihre Schenkel gleiten zu lassen. Sie seufzte entzückt. »Ich nehme an, dieses Geräusch bedeutet, dass du nichts dagegen einzuwenden hast?«
Ihre Finger umfassten seine Männlichkeit, was er mit einem scharfen Atemzug beantwortete. »Nein«, sagte sie. »Ganz und gar nicht.«
Kapitel 11
Rückblickend sollte ihm das Beisammensein mit Rodica flüchtig erscheinen, etwas, das einem unaufhaltsam durch die Finger glitt und im Dunkel der Zeit entschwand. Sie liebten sich in dem kleinen Raum im Turm. Häufig sprachen sie darüber, wie es weitergehen sollte, doch kamen sie nie zu einem Ergebnis. Sie lebten von Tag zu Tag, gaben sich trotz, oder gerade wegen der Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten, ganz ihrem Liebesabenteuer hin. Er nährte sich nur noch von Rodica und vermutete aufgrund einiger Äußerungen, die sie machte, dass Delia die Romanze zwischen ihnen ahnte. Niemandem sonst schien etwas aufzufallen und seine Tante würde sie nicht verraten, da war er sicher.
In einer kalten Nacht, der Winter neigte sich seinem Ende zu, stand er im Hof und wusste, dass es Probleme geben würde, an die er nie gedacht hätte. Schwere nasse Flocken rieselten vom dunklen Nachthimmel herab, verschmolzen mit der Schneedecke, die sich über die Festung gelegt hatte, oder vergingen mit einem leisen Zischen in den Flammen der Fackeln. Die Pferde der Besucher aus dem Osten schnaubten und schüttelten die feuchten Mähnen.
»Maksim!« Inam glitt von ihrem Schimmel zu Boden. Sie war elegant gekleidet, trug einen silberfarbenen Pelzmantel über ihrem dunkelroten Reitkleid, schwarze Stiefel und Handschuhe. Ihren Kopf zierte eine Fellmütze und ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. »Endlich sind wir angekommen! Du ahnst gar nicht, wie ermüdend diese Reise war!«
»Inam. Es ist schön dich, zu sehen.« Er deutete eine Verbeugung an und wandte sich dem zweiten Besucher, ihrem Vater Zelinkan, zu. »Seid willkommen! Wir haben dich … euch nicht so früh erwartet. Wieso habt ihr die beschwerliche Reise durch den Schnee auf euch genommen?«
»Vielen Dank, Maksim.« Zelinkan, ein schwerer bedächtiger Mann, strich sich über den penibel gestutzten Vollbart. »Ja, die Jahreszeit ist tatsächlich ungünstig, aber ich möchte verschiedene Dinge mit deinem Vater besprechen, bevor die anderen Fürsten eintreffen.«
Maksim verstand. »Ich habe mit Vater bereits erste Gespräche geführt. Vielleicht könnten wir zusammen ‒.« Er stockte, wollte vor den Kriegern und Sklaven nicht zu viel sagen.
»Natürlich, das habe ich gehofft, Maksim.« Zelinkan warf seiner Tochter einen ungehaltenen Blick zu. »Inam bestand darauf, mich zu begleiten, wohl wissend, dass es auf D’Aryun nichts für sie zu tun gibt.« Seine Stimme hatte einen harten Ton angenommen. Wie es schien, war es zwischen ihnen zu mehr als einer Auseinandersetzung gekommen, was diese Reise anging.
Nun, auch er, Maksim, war alles andere als glücklich darüber, dass Inam hier auftauchte. »In der Tat«, pflichtete er Zelinkan bei und sagte zu Inam: »Ich werde meine Tante Delia bitten, sich um dich zu kümmern. Aber ich befürchte, dir wird langweilig werden.«
»Oh, das glaube ich nicht, Maksim.« Inam lächelte ihm verschwörerisch zu. »Ich denke, ich werde Wege finden, mich zu amüsieren.«
Er erwiderte nichts darauf und bat Zelinkan, Inam und die sie begleitenden Krieger in die Halle. Rodica nahm sich zusammen mit einem Stallburschen der Pferde der Besucher an. Ihr kurzes Lächeln, zärtlich