S.C. Keidner

Unvergängliches Blut - Sammelband


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Rodicas Sinne begannen zu schwinden, da ließ Inam sie endlich los. »Und jetzt verschwinde, du dreckige Menschenschlampe!« Sie zerrte sie hoch und hinaus in den Flur. Die Tür knallte hinter ihr zu.

      Rodica stolperte, fiel auf die Knie. Ihr Handgelenk, eine zerrissene Fleischwunde, blutete heftig und brannte wie Feuer. Schluchzend versuchte sie, sich zu erheben, schaffte es nicht. Ihr war schwindlig. Übelkeit überkam sie.

      »Was ist mit dir?« Sie hob den Kopf und sah durch den Schleier ihrer Tränen Zelinkan vor sich stehen.

      Sein Blick ging von ihrem zerfleischten Handgelenk zur Tür seiner Gemächer. Seine Stimme wurde heiser. »Hat Inam das getan?«

      Rodica versuchte erfolglos, ihr Schluchzen zu unterdrücken.

      »Du da!«, hörte sie Zelinkan rufen. »Hilf dem Mädchen! Bring sie zum Heiler!«

      Das Geräusch einer sich öffnenden und zuschlagenden Tür. Jemand legte ihr einen Arm um die Taille. »Rodica?« Es war Vazha. Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Bei den Göttern, was ist passiert? Komm, ich bringe dich hinunter!«

      Durch den Nebel von Schmerz und Blutverlust hörte sie, wie Zelinkan seine Tochter anbrüllte, gefolgt von einem dumpfen Klatschen und einem gellenden Schrei. Dann waren sie an der Treppe und Vazha half ihr zu den Räumen des Heilers.

      Kapitel 17

      Maksim starrte auf Rodicas bleiches Gesicht.

      Er konnte und wollte nicht verstehen, was Vazha ihm berichtet hatte. Inam hatte Rodica angefallen wie ein tollwütiges Tier.

      »Ihr ist zu viel Blut ausgesaugt worden. Noch ein wenig mehr und es wäre lebensgefährlich geworden. Und dann die Verletzung am Arm«, sagte der Heiler kopfschüttelnd. »Es wird einige Nächte brauchen, bis sie wieder arbeiten und Blut geben kann.«

      »Wird sie wieder gesund?«

      »Ja. Aber ihr Handgelenk wird vernarbt bleiben. Wer war das, Maksim? Der Herr wird diese Person nicht auf der Festung dulden.«

      »Ich werde diese Person hier auch nicht mehr dulden«, sagte Maksim gefährlich leise. »Tu alles, was nötig ist, damit sie keine Schmerzen hat und sich schnell erholt.« Damit stürmte er aus den Gemächern des Heilers, die Treppen hinauf und ohne anzuklopfen in Zelinkans Räume.

      Inam war allein, saß in ihrem Schlafraum auf dem Boden und faltete Kleider zusammen. Ihr Gewand war zerknittert, mit Blutspritzern darauf, Rodicas Blut, was seine Wut überkochen ließ.

      »Was hast du gemacht?«, brüllte er.

      Sie hob den Kopf. Ihre linke Wange war aufgeplatzt und das Auge zugeschwollen. Zelinkan hatte sie hart diszipliniert, hatte das getan, wovon sich Maksim gewaltsam zurückhalten musste. »Was soll ich gemacht haben?«, sagte sie teilnahmslos. »Ich habe mich genährt. Ist das hier etwa verboten?«

      »Genährt? Du hast Rodica beinahe umgebracht!«

      »›Du hast Rodica beinahe umgebracht‹!«, äffte sie ihn nach und sprang auf. »Verdammt, was ist nur mit euch los, mit Vater und dir? Das ist doch nichts weiter als eine kleine Menschenschlampe, eine Sklavin! Vielleicht hätte ich sie getötet. Und wenn schon: Es gibt genug davon.«

      »Du hast ihr das nur angetan, um dich an mir zu rächen! Gib es doch zu!«

      »Ja, verdammt! Ich wollte wissen, was an diesem dreckigen Stallmädchen dran ist, dass du sie mir vorziehst!« Mit den Verletzungen im Gesicht und der blutbespritzten Kleidung sah Inam aus wie eine Wahnsinnige. »Und weißt du was: Mit jemandem, der sich mit so einer einlässt, will ich nichts mehr zu tun haben! Ist es das, was dir gefällt? Diese stinkende Hure hinter dem Misthaufen zu besteigen?«

      Maksims Hand lag an dem Kurzschwert, das er im Gürtel trug, und er wusste, dass er sie umbringen würde, wenn er nicht sofort den Raum verließ. »Verschwinde von hier«, sagte er kalt. »Ich will dich nie wieder sehen, hast du das verstanden?«

      »Oho, er will mich nie wieder sehen.« Sie kicherte freudlos. »Da scheint die kleine Schlampe im Bett wirklich besser zu sein als ich. Aber sei unbesorgt. Vater schickt mich nach Hause. Ich reise heute noch ab.« Tränen glitzerten in ihren Augen. »Verdammt, Maksim! Ich dachte, wir würden uns verstehen! Ich wäre dir eine gute Gefährtin geworden.« Sie streckte die Hand aus, wollte ihn berühren, vielleicht ein letzter Versuch, ihn umzustimmen.

      Er wich vor ihrer Berührung zurück und lachte hohl. »Du? Nein, gewiss nicht. Und wage es nicht, mir jemals wieder unter die Augen zu kommen!« Er stürzte aus dem Raum und sollte Inam tatsächlich nie wiedersehen.

      Kapitel 18

      Maksim verbrachte den Rest dieser Nacht an Rodicas Seite. Sie hatte sich in ihr und Emeses Quartier zurückgezogen, lag mit einer Decke über den Beinen auf ihrer schmalen Bettstatt. Ihm war es gleich, dass damit jeder wissen würde, was zwischen ihnen war. Er hielt ihre gesunde Hand und redete ihr tröstend zu. Es waren weniger der Blutverlust und der Schmerz, die ihr zusetzten, als die boshafte Gewalt, die sie erfahren hatte.

      »Sie, Inam, hat von uns gewusst«, sagte er.

      Erschreckt versuchte Rodica, sich aufzurichten, wurde aber von ihm sanft in das Kissen zurückgedrückt. »Bitte, bleib liegen, Liebes. Du musst dich ausruhen.«

      »Sie weiß von uns?«, flüsterte Rodica. »Aber … wie?«

      »So, wie es scheint, waren wir nicht vorsichtig genug.«

      Sie seufzte schwer und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Es sollte mich nicht überraschen. Ich bin auch schon darauf angesprochen worden. Ach, Maksim. Ich … ich weiß nicht, ob ‒.«

      »Sag es nicht, Liebste«, unterbrach er sie. »Doch, wir haben eine Zukunft. Daran glaube ich fest und ich tue alles dafür!«

      »Das weiß ich doch. Es ist nur … zum ersten Mal ist mir klar, wie schwer das alles für uns werden wird. Getuschel ist eine Sache, aber das mit Inam?« Tränen schwammen in ihren Augen. »Dass jemand so böse wird deswegen, das hätte ich nicht gedacht.«

      »Inam sah sich schon als meine Gefährtin«, sagte Maksim verbittert. »Gestern Nacht kam sie tatsächlich in meine Räume und versuchte, mich zu verführen. Ich habe sie hinausgeworfen und ihr Vater hat sie zur Rede gestellt. Da muss sie erkannt haben, dass sie niemals meine Gefährtin sein wird. Es ist typisch für sie, dass sie ihre Wut darüber an jemand Schwächeren auslässt. Aber hab keine Angst. Sie hat die Festung verlassen.«

      »Ich habe keine Angst. Ich weiß nur nicht, ob ich stark genug für all das bin.«

      »Das bist du.« Maksim lächelte und beugte sich über sie, um sie sanft zu küssen. »Wir werden das durchstehen, versprochen!«

      Sie gab sein Lächeln zurück, schwach, aber immerhin.

      Er drückte ihre Hand. Es musste sich etwas ändern. Inam und alle, die wie sie dachten und handelten, mussten aufgehalten werden.

      »Aber wie lange wird das dauern?«, fragte Rodica in einem Tonfall, der ihm sagte, dass sie nicht das erste Mal darüber nachdachte. »Wir … ich habe nicht alle Zeit der Welt, Maksim.«

      Es gab ihm einen Stich ins Herz. Er war unsterblich, sie nicht, doch daran wollte er jetzt nicht denken. »Nun, die erste Ratssitzung findet im Frühjahr statt, wenn alle Fürsten angereist sind. Zelinkan und ich werden unsere Vorschläge einbringen und sehen, wer uns unterstützt. Dann werden wir diejenigen bearbeiten, die gegen uns sind.« Er lächelte, trug eine Zuversicht zur Schau, von der er nicht wusste, ob sie begründet war. »Es wird bestimmt nicht so lange dauern, bis du alt und grau bist, Rodica.«

      »Willst du mich denn überhaupt noch, wenn ich alt und grau bin?«

      »Und wie ich dich will!« Er strich ihr über die Wange. »Ich liebe dich, Rodica, ganz gleich, ob du graue Haare hast oder nicht. Und überhaupt. Ich bin ein Krieger. Ich werde in Schlachten ziehen müssen. Niemand kann sagen, wie lang