Katherina Ushachov

2145 - Die Verfolgten


Скачать книгу

ob sie es war? – das Haus, schloss ab und nä­her­te sich ziel­stre­big dem Zi­ga­ret­ten­au­to­ma­ten, an dem er sein Lei­h­au­to ge­parkt hat­te. Sie han­tier­te mit ih­rer Kar­te, doch der Au­to­mat blink­te in ei­nem wü­ten­den Rot. Die alt­mo­di­schen Blond­löck­chen wipp­ten im Rhyth­mus ih­rer wü­ten­den Flü­che und als sie es end­lich schaff­te, zu zah­len, fie­len die zwei Pa­ckun­gen auf den Bo­den.

      Am liebs­ten wä­re er zu ihr ge­rannt, aber Avri­el hielt sich zu­rück. Sein Herz klopf­te schmerz­haft. Wenn sie das war! Er durf­te sie auf kei­nen Fall ver­schre­cken. Al­so nor­ma­le Spa­zier­ge­schwin­dig­keit.

      Die Blon­di­ne kämpf­te im­mer noch mit den Fol­gen der Schwer­kraft. »Mist, Mist, Mist!« Sie ver­such­te, trotz High Heels und kur­z­em Rock nach den Zi­ga­ret­ten zu an­geln.

      Das war die Ge­le­gen­heit, sie an­zu­spre­chen. »Ei­nen Mo­ment, ich hel­fe Ih­nen.« Avri­el trat zu ihr, beug­te sich schnell hin­un­ter und reich­te ihr die Zi­ga­ret­ten­pa­ckun­gen. Da­bei blick­te er ihr ins Ge­sicht. Das muss­te sie sein!

      »Dan­ke.« Sie lä­chel­te va­ge. Ver­mut­lich war sie äl­ter, als sie aus­sah, ih­re Klei­dung wirk­te mo­disch ge­se­hen nicht ganz auf der Hö­he. Auch ihr Lo­cken­haar­schnitt war eher von der Art, wie ihn we­sent­lich äl­te­re Frau­en tru­gen. Den­noch … rich­te­te er sei­ne Au­gen auf die lan­gen Bei­ne der Frem­den und folg­te ih­nen lang­sam mit dem Blick nach oben, bis der Saum ih­res Mi­ni­rocks sei­ne ›Wan­de­rung‹ stopp­te.

      »Mei­ne Au­gen sind wei­ter oben. Noch wei­ter … Ja, ge­nau.«

      Ich weiß! Pein­lich be­rührt starr­te er ihr ins Ge­sicht, das sich zu ei­nem spöt­ti­schen Lä­cheln ver­zog. Ih­re blau­en Au­gen leuch­te­ten leicht im Dun­keln.

      »Al­so, ähm … Ich soll­te dann mal los.« Wie­so be­nahm er sich so lä­cher­lich?

      »Ja, dan­ke für dei­ne Hil­fe.« Die Frau staks­te auf ih­ren High Heels da­von.

      Avri­el zähl­te bis zehn, dann at­me­te er tief ein. Sie war es, und wenn er die­se win­zi­ge Chan­ce nicht ver­strei­chen las­sen woll­te, muss­te er ihr nach! So­fort!

      Er lief hin­ter ihr her. »War­ten Sie!«

      Die Frau mach­te sich nicht die Mü­he, lang­sa­mer zu ge­hen.

      Avri­el spür­te ein hef­ti­ges Ste­chen in sei­ner Sei­te. Be­nom­men lehn­te er sich an ei­nes der Häu­ser.

      Sie dreh­te sich am En­de doch noch um. »Kann ich Ih­nen hel­fen, jun­ger Mann? Bald ist Sperr­stun­de, soll ich Sie nach Hau­se brin­gen?«

      Avri­el schüt­tel­te den Kopf. »Nein. Nein, es geht. Al­les in Ord­nung. Es ist nur … Ich muss mit Ih­nen spre­chen.« Er zwang sich zu ei­nem Lä­cheln.

      »Mit mir?« Sie zün­de­te sich ei­ne Zi­ga­ret­te an. »Wa­rum?«

      »Das kann ich hier drau­ßen nicht sa­gen.« Er schau­te sich ge­hetzt um.

      Es gab nicht viel zu se­hen. Ein paar Ein­fa­mi­li­en­häu­ser wie die in Gor­don Ci­ty.

       Wie das von Va­len­ti­ne.

      Der Ge­dan­ke an sie, an das, was er ge­tan hat­te, nahm ihm die Luft zum At­men. Aria­ne warf ihm einen selt­sa­men Blick zu und nick­te. »Be­eil dich.« Sie pack­te ihn am Hand­ge­lenk und zog ihn mit sich. »Du hast mich be­ob­ach­tet, oder? Ich ha­be dich ge­se­hen.«

      Er nick­te.

      Aria­ne schloss die Haus­tür auf. Es war ei­nes die­ser zwei­stö­cki­gen Häu­ser, die man sich in den 2120ern aus dem Ka­ta­log aus­su­chen und auf ein Grund­stück stel­len las­sen konn­te, ei­nes sah aus wie das an­de­re und die­sem hier schi­en nie­mand be­son­de­re tech­ni­sche Mo­di­fi­ka­tio­nen ver­passt zu ha­ben.

      Ei­ne der all­ge­gen­wär­ti­gen Au­ßen­ka­me­ras schwenk­te in sei­ne Rich­tung. Je­der sei­ner Schrit­te wur­de ge­filmt, und Avri­el konn­te nur hof­fen, dass sie dem ver­schwom­me­nen Ge­sicht hin­ter ei­nem Vor­hang aus Lo­cken im­mer noch kei­nen Na­men zu­ge­ord­net hat­ten. Sonst war er ver­lo­ren.

      19. Ariane Faw – Atlanta – 08.07.2145

      Aria­ne staun­te – der jun­ge Mann hät­te ge­nau­so gut Riú sein kön­nen!

      Doch nein, er war we­sent­lich jün­ger, und sei­ne Au­gen wa­ren grün. Au­ßer­dem zeig­te sein Ge­sicht be­reits ganz leich­te Zei­chen der Um­stel­lung durch die Mu­tan­ten-Ge­ne in sei­nem Kör­per. Für Aria­nes ge­schul­ten Blick war deut­lich zu se­hen, dass sein Ge­sicht sich noch stark ver­än­dern wür­de.

      Das war schließ­lich nicht der jun­ge Riú, son­dern ein Mu­tant, die Ähn­lich­keit konn­te nur zu­fäl­lig sein. Und doch bil­de­te sie sich im­mer wie­der ein, sei­ne Au­gen wä­ren dun­kel­grau …

      »Sie woll­ten mit mir re­den?«

      Er nick­te ernst.

      »Wir ha­ben we­nig Zeit.«

      »Ich weiß. Sind Sie …« Er fuhr sich über den Mi­li­tär­haar­schnitt, und die Ges­te wirk­te, als wä­re er die Kür­ze nicht ge­wohnt.

       Lan­ge Haa­re. Der Jun­ge hat­te bis vor Kur­zem noch lan­ge Haa­re.

      »Sind Sie Aria­ne Faw?«

      »Die bin ich.«

      »Darf ich mich set­zen?« Er trat sicht­lich ver­le­gen von ei­nem Fuß auf den an­de­ren.

      Auf ein­mal wuss­te sie, wer er war.

      »Na­tür­lich.«

      Das war der Jun­ge aus der Nach­richt des Prä­si­den­ten.

      »Sprich nicht so förm­lich.« Aria­ne drück­te einen Knopf im Flur, so­dass sich sämt­li­che Vor­hän­ge schlos­sen. Wort­los folg­te Avri­el ihr leicht schlur­fend in ih­re sau­be­re Kü­che, wo Aria­ne Was­ser auf­setz­te und Tee­beu­tel aus dem Kü­chen­schrank hol­te. Erst als der Tee fer­tig war, setz­te sie sich ne­ben ihn auf einen der blau­en Kü­chen­stüh­le.

      »Ich ha­be dich noch gar nicht ge­fragt, wie du heißt.«

      Sie starr­te ihn an.

      »Avri­el.« Er ver­zog das Ge­sicht, press­te die Ant­wort zö­gernd her­vor. »Mein Na­me ist Avri­el Adam­ski.« Er ver­schränk­te die Ar­me und blick­te stumpf auf einen Punkt ir­gend­wo ne­ben ihr.

      Adam­ski! Das ist Fa­bis Sohn! Sie selbst hat­te den falschen Nach­na­men vor­ge­schla­gen, da­mit der Jun­ge nicht zu Fa­bri­cia zu­rück­ver­folgt wer­den konn­te. Nun ging ihr auch der Grund für sei­ne Ähn­lich­keit mit Riú auf. Es bro­del­te in ihr, aber sie zwang sich, ru­hig zu blei­ben. »Du kannst mir ver­trau­en. Wenn du willst, kannst du mir so­gar ins Ge­sicht leuch­ten, ich bin ei­ne Mu­tan­tin.« Sie schmun­zel­te. Gleich­zei­tig frag­te sie sich, warum sie ihm so­fort ver­traut hat­te. Sie wa­ren ein­an­der so­eben be­geg­net und er hat­te ihr am Au­to­ma­ten auf­ge­lau­ert. War es die Ähn­lich­keit mit Riú?

      Lang­sam hob er sei­nen UniCom und fo­to­gra­fier­te sie mit Blitz. »Stimmt. Mu­tan­tin.« Er ent­spann­te sich sicht­lich.

      Sie wuss­te nicht, was sie sa­gen soll­te. Fa­bri­ci­as und Riús Sohn in