ob sie es war? – das Haus, schloss ab und näherte sich zielstrebig dem Zigarettenautomaten, an dem er sein Leihauto geparkt hatte. Sie hantierte mit ihrer Karte, doch der Automat blinkte in einem wütenden Rot. Die altmodischen Blondlöckchen wippten im Rhythmus ihrer wütenden Flüche und als sie es endlich schaffte, zu zahlen, fielen die zwei Packungen auf den Boden.
Am liebsten wäre er zu ihr gerannt, aber Avriel hielt sich zurück. Sein Herz klopfte schmerzhaft. Wenn sie das war! Er durfte sie auf keinen Fall verschrecken. Also normale Spaziergeschwindigkeit.
Die Blondine kämpfte immer noch mit den Folgen der Schwerkraft. »Mist, Mist, Mist!« Sie versuchte, trotz High Heels und kurzem Rock nach den Zigaretten zu angeln.
Das war die Gelegenheit, sie anzusprechen. »Einen Moment, ich helfe Ihnen.« Avriel trat zu ihr, beugte sich schnell hinunter und reichte ihr die Zigarettenpackungen. Dabei blickte er ihr ins Gesicht. Das musste sie sein!
»Danke.« Sie lächelte vage. Vermutlich war sie älter, als sie aussah, ihre Kleidung wirkte modisch gesehen nicht ganz auf der Höhe. Auch ihr Lockenhaarschnitt war eher von der Art, wie ihn wesentlich ältere Frauen trugen. Dennoch … richtete er seine Augen auf die langen Beine der Fremden und folgte ihnen langsam mit dem Blick nach oben, bis der Saum ihres Minirocks seine ›Wanderung‹ stoppte.
»Meine Augen sind weiter oben. Noch weiter … Ja, genau.«
Ich weiß! Peinlich berührt starrte er ihr ins Gesicht, das sich zu einem spöttischen Lächeln verzog. Ihre blauen Augen leuchteten leicht im Dunkeln.
»Also, ähm … Ich sollte dann mal los.« Wieso benahm er sich so lächerlich?
»Ja, danke für deine Hilfe.« Die Frau stakste auf ihren High Heels davon.
Avriel zählte bis zehn, dann atmete er tief ein. Sie war es, und wenn er diese winzige Chance nicht verstreichen lassen wollte, musste er ihr nach! Sofort!
Er lief hinter ihr her. »Warten Sie!«
Die Frau machte sich nicht die Mühe, langsamer zu gehen.
Avriel spürte ein heftiges Stechen in seiner Seite. Benommen lehnte er sich an eines der Häuser.
Sie drehte sich am Ende doch noch um. »Kann ich Ihnen helfen, junger Mann? Bald ist Sperrstunde, soll ich Sie nach Hause bringen?«
Avriel schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, es geht. Alles in Ordnung. Es ist nur … Ich muss mit Ihnen sprechen.« Er zwang sich zu einem Lächeln.
»Mit mir?« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Warum?«
»Das kann ich hier draußen nicht sagen.« Er schaute sich gehetzt um.
Es gab nicht viel zu sehen. Ein paar Einfamilienhäuser wie die in Gordon City.
Wie das von Valentine.
Der Gedanke an sie, an das, was er getan hatte, nahm ihm die Luft zum Atmen. Ariane warf ihm einen seltsamen Blick zu und nickte. »Beeil dich.« Sie packte ihn am Handgelenk und zog ihn mit sich. »Du hast mich beobachtet, oder? Ich habe dich gesehen.«
Er nickte.
Ariane schloss die Haustür auf. Es war eines dieser zweistöckigen Häuser, die man sich in den 2120ern aus dem Katalog aussuchen und auf ein Grundstück stellen lassen konnte, eines sah aus wie das andere und diesem hier schien niemand besondere technische Modifikationen verpasst zu haben.
Eine der allgegenwärtigen Außenkameras schwenkte in seine Richtung. Jeder seiner Schritte wurde gefilmt, und Avriel konnte nur hoffen, dass sie dem verschwommenen Gesicht hinter einem Vorhang aus Locken immer noch keinen Namen zugeordnet hatten. Sonst war er verloren.
19. Ariane Faw – Atlanta – 08.07.2145
Ariane staunte – der junge Mann hätte genauso gut Riú sein können!
Doch nein, er war wesentlich jünger, und seine Augen waren grün. Außerdem zeigte sein Gesicht bereits ganz leichte Zeichen der Umstellung durch die Mutanten-Gene in seinem Körper. Für Arianes geschulten Blick war deutlich zu sehen, dass sein Gesicht sich noch stark verändern würde.
Das war schließlich nicht der junge Riú, sondern ein Mutant, die Ähnlichkeit konnte nur zufällig sein. Und doch bildete sie sich immer wieder ein, seine Augen wären dunkelgrau …
»Sie wollten mit mir reden?«
Er nickte ernst.
»Wir haben wenig Zeit.«
»Ich weiß. Sind Sie …« Er fuhr sich über den Militärhaarschnitt, und die Geste wirkte, als wäre er die Kürze nicht gewohnt.
Lange Haare. Der Junge hatte bis vor Kurzem noch lange Haare.
»Sind Sie Ariane Faw?«
»Die bin ich.«
»Darf ich mich setzen?« Er trat sichtlich verlegen von einem Fuß auf den anderen.
Auf einmal wusste sie, wer er war.
»Natürlich.«
Das war der Junge aus der Nachricht des Präsidenten.
»Sprich nicht so förmlich.« Ariane drückte einen Knopf im Flur, sodass sich sämtliche Vorhänge schlossen. Wortlos folgte Avriel ihr leicht schlurfend in ihre saubere Küche, wo Ariane Wasser aufsetzte und Teebeutel aus dem Küchenschrank holte. Erst als der Tee fertig war, setzte sie sich neben ihn auf einen der blauen Küchenstühle.
»Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie du heißt.«
Sie starrte ihn an.
»Avriel.« Er verzog das Gesicht, presste die Antwort zögernd hervor. »Mein Name ist Avriel Adamski.« Er verschränkte die Arme und blickte stumpf auf einen Punkt irgendwo neben ihr.
Adamski! Das ist Fabis Sohn! Sie selbst hatte den falschen Nachnamen vorgeschlagen, damit der Junge nicht zu Fabricia zurückverfolgt werden konnte. Nun ging ihr auch der Grund für seine Ähnlichkeit mit Riú auf. Es brodelte in ihr, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Du kannst mir vertrauen. Wenn du willst, kannst du mir sogar ins Gesicht leuchten, ich bin eine Mutantin.« Sie schmunzelte. Gleichzeitig fragte sie sich, warum sie ihm sofort vertraut hatte. Sie waren einander soeben begegnet und er hatte ihr am Automaten aufgelauert. War es die Ähnlichkeit mit Riú?
Langsam hob er seinen UniCom und fotografierte sie mit Blitz. »Stimmt. Mutantin.« Er entspannte sich sichtlich.
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Fabricias und Riús Sohn in