Katherina Ushachov

2145 - Die Verfolgten


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rein?« Avri­el starr­te auf die Tür zum Ak­ten­raum und über­leg­te krampf­haft. Sie hat­ten nicht viel Zeit.

      »Das ist ein alt­mo­di­sches Schloss. Mit ir­gend­ei­ner Ma­gnet­kar­te.« Todd zerr­te an sei­nem UniCom her­um.

      »Heißt?«

      »Hast du an dei­nem UniCom nicht so ei­ne Hül­le mit ei­nem Ma­gne­ten drin? Da­mit sie nicht dau­ernd auf­klappt?«

      »Ha­be ich.« Avri­el lös­te sei­nen UniCom aus der Hül­le.

      »Gib mal her. Vi­el­leicht klappt das ja.« Todd hielt den klei­nen Ma­gne­ten ans Tür­schloss.

      12. Allegra – Atlanta – 07.07.2145

      Sie saß in der Ab­stell­kam­mer und spiel­te auf ih­rem UniCom. Le­vel 182 sperr­te sich schon seit zwei Wo­chen da­ge­gen, von ihr ge­knackt zu wer­den, und das nerv­te sie. Bis da­hin hat­te sie selbst die schwie­rigs­ten Etap­pen des Spiels nach we­ni­gen Ta­gen be­stan­den.

      Und wenn sie doch die Pre­mi­um­wäh­rung kauf­te? Mit ei­nem Fin­ger­schnip­pen wech­sel­te sie aus der Aug­men­ted-Um­ge­bung des Spiels in ihr Bank­pro­gramm, au­then­ti­fi­zier­te sich mit ei­nem Dau­men­ab­druck auf ei­nem vir­tu­el­len Feld über dem UniCom und ver­zog an­ge­sichts der klei­nen Zahl an ver­blie­be­nen Units ihr Ge­sicht. 25 Û und noch ziem­lich viel Mo­nat. Was, wenn sie den Le­vel trotz­dem nicht schaff­te?

      Ein Klop­fen an der Tür schreck­te sie aus ih­rer Kon­zen­tra­ti­on auf. Wer wuss­te, dass sie in der Ab­stell­kam­mer saß?

      Al­le­gra rühr­te sich nicht, lausch­te.

      »Al­ly? Ich weiß, dass du da drin bist.«

      Das war die Stim­me der Heim­lei­te­rin! Sie wuss­te, dass Al­le­gra noch wach war und wür­de sie ver­mut­lich da­für be­stra­fen.

      Ihr Herz klopf­te schmerz­haft, als sie den UniCom in ih­re Ge­säß­ta­sche steck­te und lang­sam auf­stand. Sie öff­ne­te die Tür und blick­te Miss Tan ins Ge­sicht.

      Statt ihr ei­ne Stand­pau­ke zu hal­ten, lä­chel­te die Heim­lei­te­rin sie nur an­ge­spannt an. »Gut, dass ich dich hier fin­de, Al­ly.« Ih­re Hän­de zit­ter­ten.

      »Wa­rum? Was ist los?«

      »Im gan­zen Coun­ty wur­de ei­ne Mu­tan­ten-Raz­zia aus­ge­ru­fen. Sie su­chen zwar einen jun­gen Mann, aber seit wann tun die Mu­tan­ten­jä­ger nur das, was sie an­geb­lich sol­len? Die wer­den al­len hier mit ih­ren Ta­schen­lam­pen in die Au­gen leuch­ten. Du bist in Ge­fahr.«

      Al­le­gra zwang sich, durch­zuat­men. »Ich weiß nicht, wie­so mich das be­tref­fen soll­te, Miss Tan.«

      »Wir ha­ben kei­ne Zeit für die­se Spie­le. Du weißt, dass du ei­ne Mu­tan­tin bist. Ich weiß, dass du ei­ne Mu­tan­tin bist. Wir müs­sen uns be­ei­len.«

      Al­le­gra wisch­te sich has­tig die feuch­ten Hand­flä­chen an der Hin­ter­sei­te ih­rer Ho­se ab. »Kann ich Ih­nen ver­trau­en?«

      »Ich hät­te dich bei den ers­ten An­zei­chen ver­ra­ten kön­nen, aber das woll­te ich nicht. Ich bin we­der blind noch blöd, Mäd­chen.«

      »Na gut …« Wi­der­wil­lig ver­ließ Al­le­gra den Ab­stell­raum. »Was jetzt?«

      »Du musst nach New Or­leans ge­hen.«

      »Die Stadt wur­de auf­ge­ge­ben.«

      »Ver­trau mir.« Miss Tan wisch­te an ih­rem UniCom her­um. »Ich ha­be dir ei­ne Rou­te ge­schickt, auf der du dort­hin ge­lan­gen kannst. Nur an die­sem Ort bist du si­cher und fin­dest Hil­fe. Dei­nes­glei­chen le­ben dort.«

      Al­le­gra tipp­te den Bild­schirm an und so­fort pro­ji­zier­te der UniCom ei­ne Ho­lo­kar­te in die Luft. Sie run­zel­te die Stirn. »Das sind … mehr als fünf­hun­dert Mei­len. Wie soll ich das zu Fuß schaf­fen?«

      »Da­rum geht es nicht. Ent­we­der du schaffst es oder du stirbst. Wenn du bleibst, kannst du nur ster­ben.«

      »Wie viel Zeit ha­be ich noch?«

      »Die Nach­richt ging vor ei­ni­gen Stun­den raus, sie ha­ben in Gor­don Ci­ty an­ge­fan­gen. Du musst schnells­tens hier weg.«

      »Gut.« Al­le­gra at­me­te tief durch. »Ich brau­che mei­ne Schu­he und Pro­vi­ant.« Sie wa­ckel­te mit den Ze­hen in ih­ren Flip­flops.

      »Ich ha­be einen Ruck­sack in der Kü­che vor­be­rei­tet. Zieh dich um. Ich war­te dort auf dich.«

      Al­le­gra zog die Flip­flops aus und husch­te bar­fuß in den Schlaf­saal.

      Ei­ni­ge der an­de­ren Mäd­chen schlie­fen be­reits, an­de­re spiel­ten heim­lich auf ih­ren UniComs.

      »Al­ly! Wo kommst du auf ein­mal her?«

      »Sch! …« Ei­lig zog Al­le­gra ih­re Schu­he un­ter dem Bett her­vor, zog sich ein Paar So­cken über die Fü­ße und schlüpf­te in die Turn­schu­he.

      »Al­ly?«

      »Seid still!« Sie zog ei­ne leich­te Jeans­ja­cke über und schlich wie­der zur Tür.

      Die­ses Mal quietsch­ten ih­re Turn­schu­he auf­dring­lich.

      »Al­ly, wo gehst du hin?«

      »Wie­so bist du noch auf?«

      »Was ist hier los? Ich will schla­fen!«

      »Al­ly?«

      Ih­re Hän­de fühl­ten sich eis­kalt an.

      Die an­de­ren Mäd­chen wuss­ten nichts. Noch nicht. Sie brach­ten die Nach­richt, die auch sie ge­le­sen hat­te, nicht mit Al­le­gra in Ver­bin­dung. Aber bald wür­den sie ver­ste­hen. Und dann?

      13. Avriel Adamski – Gordon City – 07.07.2145

      Er dreh­te die Ak­te zwi­schen den Hän­den und trau­te sich nicht, sie auf­zu­ma­chen und zu le­sen.

      Und das seit Stun­den.

      Es war ein­fach al­les viel zu schnell ge­gan­gen. Todd hat­te die Tür zum Ak­ten­schrank ge­knackt und wäh­rend Avri­el nach sei­ner Ak­te ge­sucht und sie sich un­ter das T-Shirt ge­klemmt hat­te, ver­ur­sach­te sein bes­ter Freund so viel Cha­os im Raum, dass der Ver­lust der Un­ter­la­gen erst ein­mal nicht auf­fal­len wür­de.

      Dann hat­te Todd ihn in ei­nem an­de­ren Kel­ler ver­steckt und kam ei­ni­ge Zeit spä­ter mit Cra­ckern und ei­ner Fla­sche Was­ser zu­rück. »Die Ron­ny tobt.«

      »Klar. Was hast du er­war­tet? Dass sie euch für das Cha­os ei­ne Me­dail­le ver­leiht?«

      »Äh …«

      »Ja, ge­nau.«

      »Ich lass dich dann mal hier. Sag mir ein­fach nicht, wann du ab­haust. Oder sag es mir doch. Dann len­ke ich die Ron­ny ab, ja?« Todd ver­schwand.

      Seit­dem war Avri­el al­lei­ne mit den Ak­ten und den Cra­ckern.

      »Was soll’s …« Er leg­te sich auf den Bauch, brei­te­te die Pa­pierak­te aus und be­leuch­te­te sie mit dem UniCom.

      Laut den Ein­tra­gun­gen war er erst ei­ni­ge Ta­ge alt ge­we­sen, als ihn ei­ne Frau auf ih­rer Tür­schwel­le ge­fun­den hat­te. Er trug ein Bänd­chen am Arm, auf dem sein Na­me und sein Ge­burts­da­tum