Christina Kreuzer

Ammerseeherzen


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      Kommissar Maisetschläger riss sich zusammen und holte tief Luft. „Ah, Chef! Gott sei Dank! Kommen Sie schnell! Wir haben hier eine Mumie!“

      „Ach geh zu! Meise halten Sie durch! Haha! Wir sind schon unterwegs!“, lachte Boschi und schnappte sich seine abgetragene Lederjacke von der Stuhllehne. Jette nahm ihren modischen Mantel und die teure Gucci Handtasche von der Garderobe und folgte ihm. „Sepp, sagst du bitte Dr. Reiter Bescheid?“

      „Mach ich sofort!“ Sepp wählte schon die Nummer der Spurensicherung. Dr. Wolfgang Reiter war der für Starnberg zuständige Rechtsmediziner, Leiter der Spusi, KTU und Pathologie in München. Er hatte in den letzten drei Jahren sehr viel Arbeit mit der Außenstelle Starnberg.

      Jette und Boschi waren inzwischen schon auf dem Hof des Kommissariats und stiegen in Jettes Mini Cabrio. „Langsam Jette!“ Boschi hasste ihren Fahrstil. Er hielt sich an der rechten Seitenarmlehne fest und bremste jedes Mal mit. Jette fuhr schnell, für Boschi etwas aggressiv, aber sicher. „Lass dir Zeit, Jette! Die Leiche ist schon tot!“

      „Boschi, denk doch mal an unseren armen Kollegen! Frank ist ganz allein mit einer Mumie!“

      „Der hat doch Polizeiobermeister Meier und Müller dabei. Er wird sich schon nicht in die Hose machen.“ Boschi dachte an die beiden Polizisten, die meist seinem Kommissariat unterstellt waren und inzwischen jede Menge Erfahrung mit Mordopfern gesammelt hatten.

      „So aufgeregt habe ich Frank noch nie erlebt.“, entgegnete Jette und fuhr gerade bei dunkelorange über eine Ampel. „Das ist doch seine erste Leiche!“

      „Ach geh zu!“ Boschi überlegte. Im letzten Fall war Frank bei keinem Leichenfund dabei. „Stimmt! Da muss er jetzt durch! Jette, das schafft der schon.“

      Zehn Minuten später kamen sie in Gauting an. Das Rolltor der Halle stand weit offen und im grell beleuchteten Innenraum parkte der Dienstwagen von Polizeiobermeister Sascha Meier und Christian Müller mit eingeschaltetem Blaulicht. Die Alarmanlage der Halle blinkte rot und johlte, wie die Sirene der Feuerwehr. Die beiden jungen Polizisten lehnten an der Motorhaube und hielten sich die Ohren zu.

      „Hey Jungs, macht den Alarm und das Discolicht aus!“, brüllte Boschi den beiden zu. „Guten Morgen! Wo ist Kommissar Maisetschläger?“

      „Guten Morgen Chef. Der krabbelt irgendwo da hinten rum!“ Obermeister Müller zeigte zum Ende der Lagerhalle, an deren rechte Seite eine große Segelyacht auf einem Anhänger parkte. „Wir haben versucht die Anlage abzuschalten. Klappt aber nicht! Dafür brauchen wir einen Keycode. Die Halle gehört zur Spedition Rasand und der Ausflugsdampfer in der Ecke dem Besitzer der Spedition, einem gewissen Otto Rasand. Er ist bereits auf dem Weg hierher.“

      Jette blickte sich um. „Die Halle ist ja leer! Haben die alles bis auf das Schiff mitgenommen?“

      „Das wissen wir noch nicht!“, antwortete Obermeister Meier. „Das Rolltor ist definitiv aufgebrochen. Was alles gestohlen wurde kann uns nur der Besitzer sagen.“

      „Ok! Ihr kümmert euch um den Mann, wenn er kommt. Ich will eine Liste von allem was fehlt. Wer hat den Einbruch gemeldet?“

      „Ging automatisch! Die Alarmanlage ist mit unserer Außenstelle Gauting verbunden.“

      „Ach geh zu!“ Boschi zupfte Jette am Ärmel. „Ich sehe jetzt nach Frank. Jette, willst du mit oder bleibst du lieber hier?“

      „Blöde Frage! Komm Boschi!“ Jette marschierte zielstrebig voran, in Richtung der Yacht.

      Am Segelschiff, das etwa zehn bis zwölf Meter lang war, angekommen, riefen sie nach ihrem Kollegen. „Frank! Hallo Frank, wo sind Sie?“ An der Reling stand eine Leiter, die fast zwei Meter nach oben an Deck führte. Frank meldete sich nicht. Boschi griff die Leiter mit beiden Händen und schaute zu Jette. „Du zuerst!“

      „Hihi! Boschi, bekommst du nicht genug von meinem Hintern?“ Jette lachte und stieg die Leiter aufreizend langsam hoch.

      „Wir sind im Dienst Jette! Mach weiter!“ Erst jetzt bemerkte Boschi seinen Fauxpas und grinste schelmisch. „Sorry Jette, natürlich hätte ich zuerst hinaufsteigen sollen!“

      Oben angekommen stürzte ihnen Frank Maisetschläger mit gefährlicher Schnappatmung entgegen. „Chef! … Jette! … So eine Sauerei habe ich noch nicht gesehen!“ Frank musste würgen und stand in seinem teuren Designeranzug, wie ein Häufchen Elend vor ihnen.

      „Kotzen Sie mir ja nicht an den Tatort!“, warnte ihn Boschi und reichte ihm ein Taschentuch.

      „In der Kajüte!“, presste Frank noch hervor und erbrach sich dann über die Reling auf den Hallenboden.

      „Mahlzeit!“ Boschi zog sich umständlich die verhassten Gummihandschuhe über und öffnete mit den Fingerspitzen die Tür zum Unterdeck. Jette folgte hinter ihm. Sofort schlug ihnen ein süßlicher Geruch entgegen. „Allmächd!“ Auf einem Tisch mitten im Raum lag die mumifizierte Leiche eines Mannes. Jette schluckte und dachte sofort an was Schönes, damit es ihr nicht genauso wie Frank ging. „Oh mein Gott!“

      „Pass auf! Eingetrocknetes Blut!“, warnte sie Boschi von einer Lache auf dem Boden und beugte sich über das Opfer. „Der hat ein Riesenloch im Brustkorb. Ein junger Mann, ich schätze so um die Dreißig.“

      Jette blickte sich angewidert um. Auf einem kleinen Herd in der Kombüse stand eine benutzte Bratpfanne. „Er hat sich vor seinem Tod noch etwas zu Essen gemacht. Keine Anzeichen von einem Kampf!“

      „Entweder kannte er seinen Mörder oder er wurde hier nur abgelegt.“ Boschi stellte bereits erste Hypothesen an. „Was ich eher vermute. Die Tür zur Kajüte wurde jedenfalls nicht aufgebrochen!“

      „Oder er wurde von einem Einbrecher überrascht!“ Jette fand den Mut die Mumie näher anzuschauen. Die dünne, trockene Haut lag direkt auf den Knochen, begann sich an manchen Stellen abzuschälen. Der Körper war vollständig mit einem weißen Belag bedeckt. „Wo sind seine Augen?“, fragte Jette erschrocken.

      „Ungeziefer, Mäuse? Ich glaube die Spurensicherung ist da. Komm Jette, machen wir Platz. Dr. Reiter wird`s schon herausfinden.“

      Jette und Boschi verließen das Schiff und stiegen die Leiter wieder hinab. Endlich ging auch die nervende Sirene der Alarmanlage aus. Anscheinend war der Besitzer der Halle endlich eingetroffen. Frank hing immer noch, wortlos, fahl weiß im Gesicht und total fertig, über der Reling des Schiffes.

      Dr. Reiter kam ihnen mit schnellem Schritt entgegen, groß gewachsen, Brillenträger, modisch gekleidet in einem weißen Ganzkörperanzug. „Guten Morgen Frau Jettenbach, Herr Dippold. Was haben Sie Schönes für meine Kühltruhe?“

      „Guten Morgen Dr. Reiter! Eine männliche Leiche, bereits mumifiziert, mit einem Mordsloch im Brustkorb. Wir haben alles so gelassen, wie es war. Wenn Sie bitte nachschauen, ob der Tote Papiere bei sich hatte. Wir befragen inzwischen den Besitzer der Lagerhalle.“ Boschi blickte sich um. „Äh, sind Sie heute alleine? Wo ist ihre Mannschaft?“

      „Alle unterwegs! In Grünwald gab es eine Einbruchserie und die „oberen Zehntausend“ sind sehr besorgt. Sie wissen schon! Alles Amigos vom Polizeipräsidenten. Na dann, schau mer mal!“ Dr. Reiter kletterte mit seinem Koffer elegant die Leiter hinauf und die beiden Kommissare gingen zum Eingang der Halle, an dem der Spediteur Otto Rasand neben Polizeiobermeister Meier und Müller wartete.

      Jette und Boschi stellten sich kurz vor. „Herr Rasand, haben Sie schon einen Überblick, was gestohlen wurde?“, fragte Boschi neugierig.

      „Nix!“, antwortete Herr Rasand zu aller Überraschung.

      „Wie nichts?“, erkundigte sich Jette nochmal.

      Otto Rasand schüttelte den Kopf. „Nichts, nothing, nada! Die Halle war bis auf meine Segelyacht leer. Ich war seit Oktober letzten Jahres nicht mehr hier. Damals habe ich das Schiff hier eingewintert und untergestellt.“

      „Ach geh zu! Und die Leiche in ihrer Kajüte haben Sie gleich mit winterfest untergebracht?“,