Christina Kreuzer

Ammerseeherzen


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konnte es nicht fassen. Vor ihm lag wirklich ein Kilo Barren Gold mit eingeprägten Reichsadler, Hakenkreuz und einer Reichsbank Nummer. Das Herz des Antiquars raste und die Augen glänzten im Wiederschein des Goldes. „Wo haben Sie das her? Haben Sie noch mehr davon?“

      „Das tut nichts zur Sache!“, zischte sein Gegenüber bedrohlich. „Was zahlen Sie dafür?“

      „Ich müsste den Barren erst einmal auf Echtheit prüfen …“ Weiter kam Hans Köberlin nicht.

      Der alte Mann machte blitzschnell einen Schritt nach vorne, griff mit seiner rechten Hand den Hals von Hans Köberlin und hielt den zappelnden, röchelnden Mann mit ausgestreckten Arm in der Luft, bis er blau anlief. Dann ließ er ihn einfach fallen. „Sie prüfen gar nichts! Entweder Sie zahlen oder wir haben uns nie gesehen!“

      Nur stoßweise kam die Antwort aus dem keuchenden, weit aufgerissenen Mund das Antiquars. Kalter Schweiß spiegelte sich auf seiner Stirn. „10 000 Euro!“, antwortete er mutig, auf den Boden liegend.

      „Sie wissen genau, dass ein Barren Gold mindestens 30 000 Euro wert ist. Wollen Sie mich verarschen?“, fauchte der Greis drohend über ihm.

      Von Schmerzen gekrümmt lag Hans Köberlin vor den Füßen des alten Mannes. „Bitte, machen Sie das nicht noch einmal!“, flehte er den Mann an. „Das da ist Hitler-Gold! Den Barren kann ich, wenn überhaupt nur auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Mehr wie 15 000 Euro gibt es nicht dafür.“

      Angus Streitberger überlegte nur kurz. Er brauchte dringend Geld, wenn er sich an Kommissar Dippold und seiner Kollegin rächen wollte. Seine goldene Sichel lag im Wasser des Kienbachs, die silberne Mondkreisscheibe der Kelten befand sich bei der Polizei und lagerte in einer Asservatenkammer und sein gesamtes Hab und Gut hatte das Seniorenheim in Seefeld, in dem er zuletzt wohnte, sicher auf einem Wertstoffhof entsorgt. Er musste den Betrag wohl oder übel akzeptieren. „Sie Halsabschneider! Ok, besorgen Sie das Geld. Angus packte den Antiquar erneut am Hals und drohte. „Falls Sie unser Treffen nicht für sich behalten, bring ich Sie um! Haben Sie mich verstanden?“

      Hans Köberlin zitterte wie Espenlaub und hauchte ein leises „Ja!“ aus seinem eingeschnürten Kehlkopf.

      „Ich melde mich wieder bei Ihnen.“ Genauso schnell und leise, wie der alte Mann erschienen war, verschwand er wieder. Hans Köberlin blieb minutenlang wie angewurzelt liegen, dann erfasste ihn schreckliche Todesangst und er rannte los, so schnell er konnte.

      *

      Jette und Boschi kamen am frühen Abend auf die Dienststelle zurück und informierten die Kollegen über den neuesten Stand der Ermittlungen. Boschi übergab den Koffer von Benjamin Sattler an Kommissar Maisetschläger. „Frank, wie ich sehe geht es Ihnen wieder besser. Bitte den Inhalt sichten und dann zur Spusi bringen. Gibt es schon was Neues von Dr. Reiter?“

      „Nein Chef! Bis jetzt nicht. Die Angaben von Otto Rasand habe ich überprüft. Seine Angaben stimmen. Ein Freund, der bei der Überführung der Segeljacht im Oktober letzten Jahres mitgeholfen hatte, kommt vorbei und will den Transport der Yacht am besagten Tag bestätigen. Ob Otto Rasand später noch einmal in seiner Halle war, konnte ich bislang nicht überprüfen. Die Keycard speichert jedenfalls alle Besuche in der Lagerhalle. Ich muss mir nur noch die passende App dafür besorgen“, antwortete Meise, während er den Koffer von Benjamin Sattler öffnete. „Gestohlen wurde nichts. Die Halle stand wirklich bis auf das Boot leer. Die Alarmanlage hat die Einbrecher wohl in die Flucht geschlagen. Ein Anwohner hat kurz nachdem die Sirene anging, zwei Männer gesehen, die zu einem weißen Lieferwagen ohne Aufschrift rannten und mit quietschenden Reifen davonrasten.“

      „Gibt es von denen eine Personenbeschreibung?“, fragte Jette nach.

      „Ja! Schlank, jung, beide trugen eine auffällig rote Jacke mit Kapuze, blaue Hose. Chef, ich habe die Daten sofort an alle Funkstreifen gemeldet!“, antwortete Frank ganz stolz.

      Boschi lachte lauthals. „Rot und Blau! Gott sei Dank spielt heute nicht Bayern gegen 1860. Die Beschreibung bringt uns bestimmt nicht weiter!“

      Meise wandte sich beleidigt wieder dem Koffer zu und breitete unterdessen den Inhalt auf dem Boden aus. „Oha! Sein Laptop! Leider gesichert. Kleidung, ein paar Bücher, Schuhe und … Igitt! Gebrauchte Unterwäsche und Socken.“ Meise raffte angewidert die Wäsche zusammen und packte sie schnell zurück in den Koffer.

      „Haha, kein Mörder drin!“, witzelte Boschi. „Spaß beiseite! Frank, überprüfen Sie mir bitte, ob auf dem Computer was Brauchbares drauf ist. Haben wir eigentlich schon das Handy von Sattler gefunden?“

      „Nein Chef! Bisher nicht, aber ich habe bereits den Anbieter herausgefunden und mit der Firma telefoniert. Die schicken uns alle Verbindungsdaten und auch wo das Handy zuletzt eingeloggt war.“

      „Sehr gut Frank! Machen Sie denen Druck, sonst dauert das ewig! Ok, wir treffen uns morgen in alter Frische. Schönen Feierabend!“ Jette und Boschi verließen zusammen das Kommissariat. „Zu dir oder zu mir?“ fragte Boschi, bevor sie in ihre Autos stiegen.

      „Zum Zumba!“, antwortete Jette grinsend. „Kommst du mit, Boschi?“

      „Nein, bloß nicht! Das Rumgehoppse ist nichts für mich.“ Boschi hatte ganz vergessen, dass Jette mit ihren Mädels am Montag immer in den Fitnessclub ging. „Dann viel Spaß, mein Schatz. Power dich richtig aus!“

      *

      Am nächsten Tag wollte Jette Boschi mit einem Frühstück überraschen, stellte sich um sechs Uhr morgens den Wecker, besorgte frische Semmel und Butterhörnchen und fuhr zu ihrem Schatz nach Schlagenhofen, wo Boschi in einem kleinen Häuschen mit wunderschönen Garten wohnte. Die Hauskatze Minka begrüßte Jette mit einem lauten „Miau!“ und strich hungrig um ihre Beine, während sie mit mehreren Bäckertüten in der Hand akrobatisch die Haustür öffnete. „Guten Morgen Schatz! Überraschung!“ Jette ging in die Küche, stellte die Kaffeemaschine an und wollte dann den Frühstückstisch im Esszimmer decken. „Boschi, auf …!“

      „Guten Morgen!“ Aus Boschis Schlafzimmertür grüßte eine junge Frau, schlank, blond und nur mit einem von Boschis weißen T-Shirts bekleidet.

      „Äh! … Guten …“ Jette traute ihren Augen nicht. Vor Schreck fiel ihr ein Teller aus der Hand. „Klirr!“

      „Hihi!“ Lachend lief die unverschämte Person an Jette vorbei und verschwand im Bad. Jette stand zuerst wie angewurzelt, dann kam eine unbeschreibliche Wut in ihr hoch. Sie stürmte wie eine Furie ins Schlafzimmer und sah Boschi aufrecht im Bett hocken. „Du Drecksack betrügst mich mit dieser Schlampe! Schämst du dich nicht, du, du …“ Jette fand keine Worte mehr. Enttäuscht und wütend warf sie den anderen Teller in seine Richtung, traf aber nur die Wand, machte auf dem Absatz kehrt und rannte aus dem Zimmer.

      Boschi sprang aus dem Bett, sprintete sofort hinter ihr her, überholte Jette im Flur und versperrte ihr den Weg. „Spinnst du, Jette? Halt! Warte!“

      „Geh mir aus den Augen! Du Schwein! Wie lange geht das schon?“ Jette schossen Tränen in die Augen. Energisch versuchte sie an Boschi vorbei zu drängeln. „Ist die überhaupt schon volljährig, du … du …“ Ihr fehlten die Worte.

      „Jette, warte! Lass mich doch erklären!“ Boschi stand im karierten Schlafanzug mit ausgebreiteten Armen vor ihr und versperrte ihr die Haustür. „Es ist nicht das was du denkst! Jette, das ist meine Tochter!“

      „Eine dümmere Ausrede fällt dir auf die Schnelle nicht ein? Deine Tochter! Du schläfst mit deiner Tochter in einem Bett? Du bist doch Plemplem! Boschi, geh mir aus den Weg! Sonst …“ Jette drängelte zur Tür.

      „Babba, was ist los? Könnt ihr nicht ein wenig leiser streiten?“, kam es aus der Küche.

      Jette total in Rage, drehte sich um und sah die junge Frau, die jetzt grinsend in der Küchentür stand. „Du Luder hältst dich hier raus, verstanden! Papa? Das ich nicht lache! Wollt ihr mich verarschen?“

      „Nein Jette! Darf ich dir vorstellen? Andrea, meine Tochter! Sie besucht mich während der Ferien.“ Boschi atmete tief