Gerhard Grollitsch

An den Grenzen der Wirklichkeit


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Fehler habe ich schnell gefunden, weil ich …“ In diesem Augenblick begann das Telefon sich störend einzumischen.

      Der Chef meldete sich. Er nahm Haltung an, als er hörte, wer am Apparat war.

      „Es tut mir leid, Herr Kommerzialrat. Wir müssen uns das genau anschauen…“

      Ich wollte diskret den Raum verlassen und hatte schon den Türgriff in der Hand, als mich eine heftige Handbewegung des Chefs verharren ließ.

      „Beruhigen Sie sich doch, ich schick Ihnen gleich meinen besten Mann…“

      Er wollte noch etwas sagen, aber sein Gesprächspartner hatte wohl aufgehängt.

      Mit gerötetem Gesicht rief er mir zu: „Fahren Sie gleich zur Firma Kerbler ins Industriezentrum Ebental, Adresse bei Frau Bürger. Die haben ein Problem.“

      Ich schloss die Türe und eilte zur Sekretärin, die mir bereits den Arbeitsauftrag hinhielt.

      „Na, hoffentlich gelingt es Ihnen, die Störung bei Kerbler zu beheben, damit wir die lästige Firma endlich abhaken können.“

      Während ich im Auto unterwegs zum Kunden war, gingen mir höchst angenehme Gedanken durch den Kopf. Mein Chef hatte mich seinen besten Mann genannt. Das baute auf. Ich war noch nicht sehr lange bei Maschinenbau Ortner tätig, aber es gefiel mir.

      Das Betriebsklima war gut, die Arbeitskollegen hatten mich akzeptiert und der Chef mich soeben gelobt.

      Es war mein erster Arbeitsplatz nach der HTL, die ich noch vor meiner Flucht aus Wien, abzuschließen vermochte. Lief doch sehr gut. Was wollte ich mehr?

      Ich war jung und hier in Klagenfurt hatte ich schon einige hübsche Maiden ausgemacht. Sogar im Haus meiner Wirtin begegnete ich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit einem Mädchen, dessen Lächeln täglich intensiver wurde, so dass ich mich wohl näher mit ihr befassen müsste.

      Industriegelände Ebental.

      Die Firma Kerbler war leicht zu finden. Ein großes Werksgelände wurde durch eine Schranke neben einem Wärterhäuschen abgegrenzt.

      Ich meldete mich an, bekam einen Laufzettel, und mit dem Hinweis „Sie werden schon dringend erwartet, aber vorher ins Sekretariat, Bürogebäude zweiter Stock“ wurde mir die Dringlichkeit bewusst gemacht.

      Als ich die Stiege hocheilte, rannte mich beinahe eine schwungvoll nach unten gleitende Person um.

      „Hoppla“, sagten wir wie aus einem Mund und hielten uns aneinander fest.

      Sie lachte.

      „Entschuldigung, ich hab Sie nicht bemerkt, Sie waren so plötzlich da...“

      „Es gibt nichts zu entschuldigen. Im Gegenteil, ich bin ein Glückpilz, weil mir ein Engel schon am frühen Morgen in die Arme fliegt.“

      Sie errötete und machte sich von mir frei.

      „Was machen Sie hier?“. Ihr Lächeln begann zu erlöschen.

      „Ich werde dringend im Sekretariat erwartet, daher meine Eile.“

      „Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Tschüss“

      Beeindruckt schaute ich ihr nach.

      Im Sekretariat wurde ich vom Werkmeister abgeholt und über die häufig auftretende Störung informiert.

      „Unser Chef ist ganz schön sauer. Hoffentlich kommen Sie auf den Fehler. Ihre Kollegen haben die Ursache nicht gefunden und nur Ersatzteile getauscht.“

      Ich positionierte meine Messgeräte und schaltete, um mir ein Bild zu machen, die Anlage mehrmals ein und aus.

      Ich lokalisierte die Bereiche und dann hatte ich es.

      „Es liegt nicht an den Hydraulikelementen, es liegt an der Ansteuerung hier. Bei mehreren Impulsen hintereinander lässt ein Chip aus. Das habe ich gleich.“

      Ich wechselte das ganze Modul.

      „Und sind Sie sicher, dass die Anlage keinen Ärger mehr macht? Warum sind Ihre Kollegen nicht darauf gekommen?“

      „Ja, liegt wahrscheinlich daran, dass wir im Servicebereich nur Mechaniker haben, die elektronisch nicht so geschult sind, ich aber schon.“

      Die Miene des Meisters entspannte sich, er lächelte, unterschrieb die Arbeitsbestätigung und wies mich an:

      „Die Kopie geben Sie bei unserer Frau Pontasch im Sekretariat ab.“

      Mit kräftigem Händedruck verabschiedete er sich.

      Ich ging zurück zum Sekretariat, um dort auftragsgemäß die Kopie abzugeben, als wieder das Bild des Mädchens in mein Bewusstsein trat.

       Ich muss mehr über sie erfahren, überlegte ich.

      „Ich bin fertig, die Anlage läuft“, rief ich der Vorzimmerdame zu und setzte mein charmantestes Lächeln auf.

      „Hoffentlich tut sie das morgen auch noch“, brummte sie.

      „Wenn Sie mir eine Frage beantworten, komme ich gerne wieder“, zwinkerte ich ihr zu.

      Sie schenkte mir nun ihre Aufmerksamkeit.

      „Worum geht es denn?“

      „Ich bin früher mit einem blonden Mädchen zusammengestoßen. Ist die bei euch beschäftigt?“

      „Ah die Erika. Nein, die hat uns nur besucht.“ Nun lächelte auch Frau Pontasch.

      „Ist sie öfter da?“

      „Ja, häufig“, ihr Lächeln wurde intensiver.

      Mir fiel im Moment nichts mehr ein, was ich noch fragen könnte, und so winkte ich ihr nur verabschiedend zu.

       Erika.

      Mir ist, als wäre der Tag stehen geblieben.

      Ich bilde mir ein, doch eine ganz vernünftige Person zu sein, jedenfalls hab ich das bisher geglaubt. Aber seit mich der junge Mann im Stiegenhaus im Arm gehalten und in meine Augen geschaut hat, bin ich wie gelähmt.

      Ich hörte gar nicht so recht, was er sagte, ich wollte nur weg von ihm. Doch er lässt mich nicht los. Dauernd muss ich an diese Begegnung denken. So etwas habe ich noch nicht erlebt.

      Und dann dieser Zusammenstoß. Komplett verrückt, meine Reaktion auf diesen Jungen. Na ja, als Junge ist er wohl nicht mehr einzustufen, denn er wirkt auf mich sehr souverän, wie er unsere plötzliche Begegnung gemeistert hat.

      Ist das am Ende der Grund für meine Gemütslage? Weil ich einem richtigen Mann begegnet bin?

      Na gute Nacht, wenn ich auf Männer immer so reagiere. Ich muss mich mehr zusammennehmen…

      Vielleicht kann ich bei Frau Pontasch mehr über ihn erfahren?

       Hermann

      Ein völlig neues Gefühl bestimmt mich.

      Niemals hat mich eine Person wie dieses Mädchen derart gefangen genommen.

      Als ich in der Früh zur Arbeit fahren wollte, lag am Nebensitz die Kopie der Arbeitsbestätigung, die ich in tendenziösem Unterbewusstsein bei Kerbler nicht abgegeben hatte. Ich wollte den Zettel schon wegwerfen, als mir eine Idee kam. Nun habe ich doch einen unverfänglichen Grund wieder hinzufahren, um mehr über Erika zu erfragen, dachte ich. Vielleicht sehe ich sie sogar, wenn sie so häufig dort ist, wie die Sekretärin angedeutet hat.

      Zunächst musste ich mich aber in meiner Firma melden.

      Mit Ungeduld wartete ich auf die Gelegenheit, mich wieder in den Außendienst absetzen zu können. Die kam bald mit einem neuen Auftrag.

      Zuerst zu Kerbler, nahm ich mir vor. Der neue Auftrag konnte solange warten.

      „Einen schönen guten Morgen“, schmetterte ich in den Raum.

      Die Sekretärin