Verblüfft verfolgte er die zwei andere Jungs, die auf ihre freien Stühle zustrebten und sich setzten. Zügig ging er zu dem einzigen noch freien Platz. Mit einem gekonnten Handkuss begrüßte er seine Tischdame, wie ein Gentleman. Erstaunt über so viel Charme, der ihr zu Teil wurde, errötetet sie.
Erni setzte sich stolz neben sie und begann sogleich ein Gespräch, dabei prüfte er, ob ihr Begleiter, der kleine Terrier, sie aus seiner Position beobachten konnte. Zufrieden stellte er fest, dass der Terrier viel zu ungünstig saß, um ihn zu erblicken. Erni selbst hätte diese überraschende Sitzordnung nicht besser planen können. Hasso wirkte, neben der übergrossen Kapitänsgattin, wie ein kleiner Wicht mit der er gestikulierend plauderte. Der Kapitän saß ihm direkt gegenüber und betrachtete schmunzelnd diese urkomische Szene. Mit unsicherem Blick wendete Erni sich zu der jungen Dame und betrachtete sie. Ihr liebevoller Gesichtsausdruck erinnerte ihn an seine frühe Jugend. Mit freundlichem Augenaufschlag sprach sie ihn an: »Hallo, ich bin Frau Kater.« Irritiert antwortete Erni mit seiner dunklen Bassstimme: »Ach, ich wusste gar nicht, dass Herr Offizier Kater eine so hübsche junge Schwester hat.«
Mit urplötzlich ernster Miene entgegnete sie bestimmend: »Ich bin seit zwei Jahren seine Frau!« Wie vom Blitz getroffen starrte er sie entgeistert an und meinte: »Entschuldigen Sie bitte. Ich wusste nicht ...«
»Ist schon gut!«, unterbrach sie ihn und fuhr fort: »Er ist halt ein wenig älter als ich. Es macht mir aber nichts aus. Es war trotzdem ein sehr nettes Kompliment. Vielen Dank. Sie konnten ja nicht ahnen, dass es so ist«, dabei sah sie bewundernd an ihm hoch und meinte mit ironischem Blick: »Sie sind aber ganz schön groß, ich bin es gar nicht gewohnt, so aufzublicken.«
»Darf ich Ihre Bestellung entgegen nehmen?«, fragte der Oberkellner höflich. Gut gelaunt bestellte Erni eine Flasche Champagner und sprach mit seiner ultratiefen Bassstimme: »Heute gebe ich einen aus und wenn’s meinen Sold der letzten sechs Monate verschlingt. Morgen fange ich wieder in meiner alten Firma an, der Boss braucht mich dringend.«
Taxierend blickte sie ihn an und fragte: »Was haben Sie denn für einen schönen Beruf, dass Sie so darauf brennen, gleich wieder zu arbeiten?«
Verständnislos schaute er in ihre erwartungsvollen dunklen Augen und erwiderte stolz: »Ich bin gelernter Großhandelskaufmann und Fruchtexperte für die schönsten und besten Früchte der Welt. Ab nächsten Monat gehe ich auf Reisen, um die neuen Plantagen unseres Bananen-Lieferanten aus Panama anzusehen.
Mein Boss fühlt sich schon etwas zu alt für den Job mit den endlos langen Reisen. Ich habe die Chance, in zwei Jahren, sein Handelskontor zu übernehmen. Er hat nämlich keine Erben und ich bin quasi wie ein Sohn für ihn.«
»Das klingt ja sehr interessant. Dann werden Sie ja noch eine steile Karriere machen. Meine besten Wünsche sollen Sie begleiten. Viel Glück und ein gutes Händchen dafür, dass alles, was Sie sich vorgenommen haben, auch gelingt.«
»Ungefähr drei Monate werde ich unterwegs sein. Von Mittelund Südamerika rüber auf die Karibikinseln zu den Bahamas. Dann geht’s ab nach Kalifornien, Los Angeles und weiter über den Nordpool nach Australien. Von dort nach Thailand, Malaysia, die Philippinen, über Dubai, Iran und die Türkei geht’s dann zurück Richtung Hamburg.«
»Da möchte ich auch mal hin. Wahnsinn! Das muss doch ein Vermögen kosten?«, erwiderte sie aufgeregt.
»Bezahlt alles die Firma, ist ja eine Geschäftsreise.« »Und ihre Freundin? Wo sitzt die denn heute Abend?« »Ach, ich habe leider noch nicht die Richtige gefunden«, stellte Erni unzufrieden fest. »Dafür war bislang keine Zeit. Ich habe ewig gepaukt und gearbeitet. Wenn ich eine hätte? Die würde ich auch glatt auf diesem Trip mitnehmen!«, versicherte er ihr lachend.
»Das würde mein Boss sogar freudestrahlend bezahlen, damit ich endlich unter die Haube komme und nicht so kinderlos ende wie er. Es ist übrigens auch Bedingung in meinem Vertrag. In den nächsten fünf Jahren muss ich ihm eine präsentieren. Sonst geht der ganze Laden an eine Stiftung und ich darf dann nur noch als Geschäftsführer dort arbeiten.«
»Das ist ja furchtbar!«, entrüstete sie sich.
»Vielleicht kann ich da ja ein bisschen aushelfen. Ich kenne eine ganz hübsche liebe junge Frau. Sie ist eine gute Freundin von mir.«
»Entschuldigung, darf ich einschenken?«, fragte die Kellnerin über Ernis Schultern hinweg und zeigte ihm die Champagnerflasche. »Ist das auch ein Guter?«, fragte er skeptisch. »Ja der Beste, den wir hier auf Lager haben!«, antwortete sie prompt. »Na, dann lassen Sie mal den Korken knallen und hinein damit in die Gläser.« Im Verlauf des Abends verstand sich Erni mit seiner Tischpartnerin immer besser, vorsichtig schob sie ihm einen winzigen Zettel mit ihrer Adresse zu und bat ihn flüsternd, sie in den nächsten Tagen anzurufen, damit er die Freundin kennen lerne, die sie ihm vorstellen möchte. Spontan willigte er ein und versprach: »Ich melde mich, aber was sagt Ihr Mann dazu?«
»Ach, der hat zu Hause nicht viel zu melden«, entgegnete sie abwinkend und lächelte zuversichtlich. Erstaunt nahm er das zur Kenntnis und meinte: »Auf dem Schiff ist Herr Kater ein knallharter Typ, von allen gefürchtet, außer vom Kapitän.«
Nach einer Weile fragte sie spontan: »Müssen Sie auf ihren vielen Reisen nicht auch Fotos machen?«
»Ja natürlich, ich vergaß es völlig zu erwähnen. Unterwegs habe ich eine kleine Fotokamera dabei, falls mir etwas besonderes auffällt oder angeboten wird, mache ich Fotos von der Qualität der Waren und schicke sie mit dem nächsten Flieger in die Firma.«
»Ach ja, wenn Sie möchten, dass ich Ihnen meine Freundin vorstelle, schalte ich die Alarmanlage aus. Dann können Sie unbemerkt und bequem durch den Garten herein kommen. Wir haben zur Gartenseite ein sehr großes Wohnzimmerfenster, von dort aus können Sie erst mal sehen, ob sie Ihnen überhaupt gefällt. Sie ist ein etwas schüchternes Kätzchen und noch ganz unschuldig, aber ein sehr lieber Mensch. Und, fast hätte ich es vergessen, sie hat so einen kleinen Hund dabei, falls Sie sich darüber wundern. Machen Sie bitte für mich ein paar schöne Erinnerungsfotos. Aber bitte nicht vergessen, denn die Fotos benötige ich ganz dringend für eine Überraschung!«
»Vielen Dank für die freundliche Einladung! Ich melde mich in den nächsten Tagen, sehr verehrte Frau Kater.«
Hektisch legte Erni den Telefonhörer auf und sah besorgt zur Uhr. Den letzten Auftrag schmiss er noch auf den hohen Stapel seines Schreibtisches. Er war wieder angekommen im Rausch des vollen Stress. »Verdammt, ich muss los«, dachte er. Gestern hatte er sich mit der unverhofft neuen Bekannten verabredet und wollte pünktlich dort sein. Die Kamera, hoffentlich sind noch Filme im Kühlschrank. Er hetzte in die Pantry, riss den Kühlschrank auf, schnappte sich die Filme und sauste zum Büro seines Chefs. Nach dem sein Klopfen nicht erhört wurde, drückte er leise die Türklinke und öffnete die schwere Doppeltür. Sein Boss hing in seinem Sessel und schnarchte bedächtig vor sich hin. Vorsichtig tippte er ihm auf die Schulter und sprach ihn an. Auf seinen Zähnen herumkauend räusperte er sich und öffnete seine schlaftrunkenen Augen.
»Verflixt nochmal! Bin ich schon wieder eingepennt?«, rief er ärgerlich. »Ich hab doch noch einen Termin heute Abend und müsste schon längst unterwegs sein.«
»Entschuldigung Boss!«, antwortete Erni hektisch.
»Ich habe noch eine Bitte an Sie: »Auf mich wartet eine ganz wichtige Verabredung. Können Sie heute Abend auf meine Anwesenheit verzichten. Ich bin bei einer sehr liebenswürdigen Dame eingeladen und lerne dort ein hübsches Mädchen kennen.«
Staunend forderte er ihn auf: »Dann hau bloß schnell ab und sieh zu, dass du sie an Land ziehst.« Lachend fügte er noch hinzu: »Stell dich bloß nicht so dämlich dabei an, die wollen alle nur das eine, schnell heiraten, verstehst du. Heiraten und Kinder kriegen.«
»Ja, ja, Boss ich weiß. Tschüs Boss!«
»Wart mal einen Moment, hier nimm die Schlüssel, du kannst heute meinen Wagen nehmen, vielleicht hilft das bei deinem Vorhaben. Ich bin total müde und kaputt. Ich bestell’ mir ein gemütliches Taxi!«
Zufrieden saß er in der großen Limousine. Beruhigt stellte er