Charles Cubon

Teich-Gelüste


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wie ein verdurstender aus der erfrischenden Quelle einer Wüstenoase.

      Jans Gefühle brachen wie ein heißer Sandsturm über ihn herein und sein erhabener Pharao stand inmitten des verheißungsvollen Palastes. Umgeben vom Lustgarten des Tals der Könige und sonnte sich, umhüllt von ihrer Leidenschaft, in der Wärme, die ihn umschloss und nicht freiließ. Über seinen Rücken zog der kalte Schauer seiner verlorenen Unschuld, hinab in den Stab der Verheißung, den sie nach der letzten Erleichterung tief befriedigt freigab. Sie lagen sich in den Armen und genossen das befreiende Gefühl der Begierde. Das Feuer, welches sie so unverhofft überrascht hatte, verglühte ganz langsam. Unendlich glücklich und beseelt schmiegten sie sich eng an einander, um nie wieder getrennt zu werden.

      Jans Augen blickten verträumt zu den kleinen Scheiben des Sprossenfensters. Hinaus in das Meer der tanzenden Flocken. Lautlos rieselte die schneeweiße Pracht herab aus dem Blaugrau des von Wolken bezogenen Himmels. Der Wind spielte mit dem Schnee und trieb ihn gegen das eiskalte Glas des Fensters. Schemenhaft erschien das Gesicht seiner geliebten kleinen Katja vom großen Nachbarhof der Familie Stern. Dicke Tränen rannen ihr über die Wangen und ihr Gesicht verschwand in dem Weiß der tanzenden Flocken. Erschrocken schnellte er hoch, aber er sah nur noch das schneeweiße Treiben. Der pfeifende Wind klebte den flockigen Schnee an die Scheiben und bedeckte: »Das Fenster der Aale!«

      Der erste Biss!

      Wie auf Befehl bekam Jan einen tosenden Beifall von den Jungs. »So, Leute, wer ist der Nächte? Wer opfert sich freiwillig?« »Von wegen! Ihr kennt ja das Spielchen!« »War aber gerade so spannend«, bemerkte Erni grinsend.

      »Also von mir bekommst du schon mal ein dickes Lob, was meint ihr?«

      »Ja, doch«, pflichteten sie ihm bei: »ein dickes Lob war die Geschichte schon Wert.«

      »Die hat er sich schon verdient«, meinte Leo. Er stand auf und sinnierte schmunzelnd: »Dein Alter war ja ein feines Früchtchen Jan. Kein Wunder, dass du direkt in seine Fußstapfen getreten bist.«

      Huby äußerte schallend: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, so lautet eine alte Bauernregel. Der Alte hat es ihm ja praktisch leibhaftig vorgeführt, wie man so eine einsame und verlassene Dame schnell rum kriegt.«

      Leo philosophierte: »Was so ein Fläschchen Rum alles bewirken kann, kaum zu fassen. Dieser Schlingel hat die Pulle auch noch seinem Alten aus dem Ladenregal geklaut. Mein lieber Freund Jan, wer hätte das von dir erwartet.«

      »Glatzköpfiger Pharao! Geile Idee! Jan, ich bin gespannt, was uns als nächstes noch für blühende Phantasiegeschöpfe begegnen?«, bemerkte Mano.

      »Was passierte mit der schönen Laura, Jan? Hast du sie noch oft beglückt?«, raunte Erni ihm zu und grinste ihn frech an.

      »Okay, Jungs!«, erwiderte Leo. »Ihr kennt ja alle die Spielregeln! Zuerst kommt die Entdeckung: Das aller erste Mal! Dann kommt die Liebe: Das aller erste Mal! Dann kommt: Was euch sonst noch so Merkwürdiges vor die Flinte kam.«

      Hubertus von Hochdonn rief aufgeregt: »Eine Pose ist weg! Leo ich glaube, das war deine! Sieh mal nach den Angelruten.« Zwei der vier finsteren Gestalten erhoben sich aus dem feurigroten Schein des Grillofens.

      »Ich denke, da hängt einer dran!«, rief Leo mürrisch. »Du stehst gerade so günstig. Schau mal nach!« Leo war in der Gruppe der Spezialist für alles, was Geldsegen und Angelgeschick betraf, er sorgte für die Jungs wie ein Vater für seine Söhne. Geschickt hatte er sie sich geangelt und sie wurden beste Kunden in seiner Bankfiliale. Leo war zehn Jahre älter, als der Rest der Truppe, das Alter der vier anderen unterschied sich lediglich um ein bis zwei Jahre und sie waren untereinander dick befreundet.

      Jan de Miesrè saß links von Leo und schaute erschrocken in Leos Gesicht. »Mein Gott! «, stellte er im Schein des Feuers fest. »Bald sehe ich auch so aus. Verdammt!«

      Es wirkte wie eine in Stein gemeißelte Statue, aus dem härtesten Granit der Alpen. Seine dicken Falten warfen tiefe Schatten. Sie durchzogen seine Wangen, wie Erosionsrinnen den angefressenen Fels, so wie sie nur der Sturm des Lebens hineinschleifen kann. Die einfallenden Mundwinkel wirkten tief eingegraben. Alles glich im schwachen Schein des Mondlichtes den schroffen Felswänden der weißen Klippen von Rügen.

      Jan war, wie Leo, ebenfalls gelernter Banker. Aber er stellte sehr schnell fest, dass dies nicht sein Traumjob war. Er verspürte wenig Lust, den Rest seines Lebens damit zu verbringen, die Aktionäre der Bank reich zu machen. Das war nicht sein Ding. Lieber machte er sich selbst reich. Als junger Mann übernahm er die marode Klitsche seines Vaters, die der Alte so in Grund und Boden gewirtschaftet hatte, dass der Konkursverwalter sie ihm laut lachend für ein Butterbrot und ein Ei aus der Konkursmasse hinterher warf. Somit stieg Jan seiner Zeit in das Nussgeschäft ein und kontrollierte seit Jahren die Nussmafia im Hamburger Freihafen. Sein Geschäft bestand vornehmlich darin, die verplombten Nusscontainer aus dem Terminal des Hafens abzuholen, um die Nüsse mit veralteten Maschinen in kleine 250 bis 500 Grammtütchen abzupacken. Ein unüberschaubares Heer von türkischen Gastarbeitern erledigte diesen stupiden Job. Jan vermarktete die Nüsse dann an den Einzelhandel, meist zu Preisen, die fast den Erstellungskosten glichen, was in der Regel unterm Strich wenig Kapitalrendite abwarf. Die hohen Gewinne, die er trotzdem seit Jahren dabei erzielte, hatte er einem dummen, unangenehmen Zufall zu verdanken. Es begann mit einer der üblichen Reklamationen, um den Preis nochmals kräftig zu drücken. Doch diesmal lag es überhaupt nicht in seiner Verantwortung. Er stieß rein zufällig auf das jetzige Hauptgeschäft, was seinem Fast-schon-Pleite-Unternehmen den unverhofften Aufschwung bescherte. Die ganze Sache war so spielend einfach, dass man nicht drauf gekommen wäre, sie zu erfinden. Sie war es ja auch schon. Man musste nur im richtigen Moment zugreifen und diese Idee, aus Alt mach Neu, umsetzen. Jan wurde glatt mit der Nase darauf gestoßen, als der Handelsmanager ihn anrief und erbost fragte: »Jan de Miesrè! Was hast du uns mieses in die Tüten reingemurkst? In der Charge steckt sämtlicher alter Nussmüll der letzten zehn Jahre. Ich schick’ dir diesen ranzigen Dreck zurück. Die ganze Lieferung ist der letzte Schrott.« Worauf ihn blitzartig, in seinem schon sehr hellen Köpfchen, ein Lichtstrahl traf. Spontan ging es ihm auf, wie daraus ein lukratives Geschäft zu machen war.

      Aus seiner Not heraus, berichtete er Leo davon. Leo war so clever, zückte seinen Taschenrechner und rechnete ihm eine um 25% höhere Rendite vor, welche unter dem Strich satte 30% Gewinn ausmachte. In vollster Überzeugung seines Plans, erhöhte Leo ihm die Kreditlinie und drehte ihm zusätzlich noch einen neuen Kredit an, damit die ganze Aktion durchstarten konnte. Bestens mit Kapital ausgestattet konnte Jan sämtliche unverkauften Nussprodukte in ganz Deutschland – nach der Weihnachtssaison – ganz generös für einen Spottpreis zurückkaufen. Der Handel war begeistert, diese so elegant auf einen Schlag wieder los zu werden und dankte es ihm mit neuen Aufträgen. Denn im neuen Jahr noch Nüsse aus der Weihnachtssaison zu handeln, war so unmöglich, wie im Winter den Eskimos noch Gefriertruhen zu verkaufen. Seither florierte sein Geschäft wie von selbst, die alten Nüsse wurden im folgenden Jahr zu 20% unter die neu geernteten Nüsse gemischt und zum Normalpreis verkauft.

      Seinen Freund Mano bat er, ihm eine neue verkaufsfördernde Verpackung zu gestalten. Kein Problem für Mano. Als Inhaber einer Designagentur entwickelte er ihm flugs eine neue Marke mit einem neuen Packungskonzept. Mit einem bombigen U.S.P., einer super Werbeidee, kitzelte er auch noch eine 1 A Premium-Qualität heraus. Er entwarf ein entsprechendes Packungsdesign, welches den Verkaufsvorteil dick herausstellte. So einfach gelangte der alte unverkäufliche Schrott, runderneuert in neuer Designverpackung wieder dort hin, wo er zum Teil herkam. Zurück in den Handel und natürlich zu dem neuen Premiumpreis.

      Mano war der Nächste in der Runde und wusste von diesen Machenschaften nichts. Er glaubte, dass dieser unheimliche Erfolg auf Grund seines neuen Konzeptes entstanden war und Jan bestärkte ihn auch voll darin.

      »Was macht die Rute?«, fragte Jan de Miesrè. »Ich habe sie gleich«, kam spontan die Antwort. »Psst, nicht so laut – du Dussel, nicht dass sich der Fisch erschrickt und noch vom Haken reißt.« Alle schlichen behutsam etwas näher zum Ufer und waren gespannt, was Mano da am Haken hatte. Mit geschicktem Ruck zog er die Angel an, so dass der Fisch