Charles Cubon

Teich-Gelüste


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erkannte, dass der Hohn ihm selbst galt und nicht dem Witz, über den sie während ihrer Ausbildung schon tausend mal auf Befehl lachen mussten.

      Marineoffizier Harro Kater, klein wie ein Terrier. Seine Männer überragten ihn teilweise wie Wolkenkratzer. Wegen seiner Herumbellerei nannten sie ihn heimlich Hasso. Er hatte seine Rekruten zum Abschiedsball im Auftrag des Kapitänleutnants Franz von Wedel einzuladen und verteilte auf Deck des Minensuchbootes die Karten.

      »Hab’ euch wohl noch nicht genug den Arsch geschliffen?«, knurrte er und seine vor Wut funkelnden Augen wanderten prüfend an Ernis Uniform hinauf und landeten wütend in Ernis Gesicht, der mit Abstand der Größte in der Truppe war und haargenau 2 Meter maß. Bananen-Erni schmunzelte ihn noch immer rotzfrech an.

      Hasso jaulte: »Freue dich, dass du jetzt dein letztes Stündchen auf diesem Pott hast.« Wütend flüsterte er: »Bete zu Gott, dass du nie wieder unter meinem Befehl dienen musst.«

      »Zu Befehl! Herr Offizier Kater!«, schrie Erni und salutierte mit todernster Mine. Dann bellte Hasso überlaut: »Ein letztes Mal! Wegtreten! – Ab zum Klamotten einpacken!«

      Diesen Hass, den er auf Erni empfand und den er bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, zum Ausdruck brachte, lag an einer merkwürdigen Entdeckung, die Erni seinerzeit gemacht hatte. Die Truppe hatte Landgang und sie ging von Bord des Marinebootes, das an einem Pier des New Yorker Hafens festgemacht hatte.

      In der abendlichen Dunkelheit entdeckte Erni seinen Kompaniechef Hasso beim Pinkeln, er erledigte sein kleines Geschäft an einem der roten Hydranten der Feuerwehr. Dabei hob er sein Bein an, als wäre er ein Straßenköter. Erni erinnerte sich an seine Blasenentzündung, die er vor Monaten hatte, daher dachte er, Hasso habe ein ähnliches Problem mit seiner Blase und diese Stellung würde ihm kolossale Erleichterung verschaffen.

      Beim Appell am nächsten Morgen sprach er seinen Kompaniechef an und meinte: Er hätte ihn zufällig pinkeln sehen und er habe schmerzhaft sein Bein dabei hochgezogen. Er könne ihm einige seiner Tabletten ausleihen, um sein Problem zu lindern. Die Pillen seien vorzüglich und er habe sie vorsorglich in seinem Gepäck, falls ihn diese Krankheit mal wieder erwischt. Nach diesem Gespräch bellte Hasso ihn wutentbrannt an und beschimpfte ihn als schwule Sau und Spanner. Ob ihm abends nichts anderes einfalle, als ihn beim pinkeln zu beobachten. Er sei ja wohl nicht normal in seiner Bananenbirne und dies sei ein ungeheuerlicher Vorfall. Erni solle ja seine Zunge hüten, sonst wolle er ihm seine Schwulheit austreiben und Meldung beim Kapitän machen. Enttäuscht steckte Erni die Pillen ein und verschwand verdattert in der Mannschaftskoje. Seither hatte Erni die Hölle auf Erden und musste jeden erdenklichen Mist an Bord erledigen. Oft dachte er darüber nach, aber er fand keine plausible Erklärung dafür, alles schien ihm seltsam und rätselhaft.

      Eines Tages kam Fritz, sein Mannschaftskumpel auf ihn zu. Sie schoben gerade Bordwache. Vertraulich verriet ihm Fritz, was er entdeckt hatte. Hasso, der kleine Terrier, hebe das rechte Bein beim pinkeln. Er hätte Hasso zum zweiten Mal auf dem Achterdeck beobachtet, als er in hohem Bogen über die Reling hinaus schiffte. Staunend sah Erni ihn an, sagte aber nichts weiter dazu, außer das er ihn beruhigte und meinte, dass sei wohl eine Angewohnheit von ihm, weil er ja fast immer an Bord sei, sogar auch oft, wenn alle anderen Landgang hatten. Aber er solle sich ja hüten, Hasso darauf anzusprechen. Vielleicht sei es ja auch eine seltene Krankheit, die ihn dazu zwinge. Somit gab es zwei in der Truppe, die Bescheid wussten, aber nie den anderen Kameraden etwas verrieten. Denn es gab auch Quatschköpfe darunter, die etwas ausplaudern konnten, wenn sie einen über den Durst gesoffen hatten.

      Nach dem Appell standen Erni und Fritz an der Backbordseite des Schiffes und qualmten genüsslich ihre Zigaretten. Sehnsüchtig sahen sie dem Land entgegen. Die saftig grünen Deichniederungen der Elbe boten einen vertrauten Anblick. Im Zeitlupentempo zogen sie an ihnen vorüber. Das Schnellboot befand sich auf dem Weg in den Hamburger Hafen und durchschnitt in gemächlicher Fahrt das trübe Elbwasser, wie ein Pflug die weiche Scholle. Sie waren die letzten Stunden an Bord und genossen die frische, heimatliche Brise, die ihnen um die Nase wehte.

      »Nee, hab noch keine so feste Freundin, die auf mich wartet. Alle Mädels, die ich kennen gelernt habe, waren schnell wieder verschwunden, weil sie meinen Bierdurst nicht mochten. Irgendwann finde ich schon die richtige Maus, die auch abends mal gern in die Kneipe mitkommt, wenn sich bei mir der Durst einstellt«, meinte Erni.

      »Holt deine Kleine dich ab?«, fragte Fritz neugierig.

      »Du kannst aber auch einen Stiefel saufen«, meinte Fritz anerkennend.

      »Das Saufen habe ich von der Wiege auf gelernt. Mein Alter hatte eine gemütliche Dorfkneipe. Schon als kleiner Junge half ich jeden Tag. Aufräumen, Gläser spülen, Tresen putzen, später dann ein zünftiges Bier zapfen und zum Schluss auch, es auszusaufen.« Beide lachten und schauten dem Lotsenboot entgegen, welches sich in voller Fahrt auf sie zu bewegte und sich durch die Gischt der Wellen kämpfte.

      »Ob die den alten Kasten so schnell wieder flott kriegen?«, sinnierte Fritz.

      »Das Schiff kommt in die Werft und soll morgen eingedockt werden, hat mir der Koch erzählt.«

      »Komm’ Fritz, das Boot des Hafenlotsens legt an, lass’ uns abhauen ich bin heilfroh, wenn ich diesen Schrotthaufen endlich verlassen kann und diesem verfluchten kleinen Terrier nicht mehr in die Augen blicken muss.«

      Am nächsten Abend traf sich die gesamte Truppe ein letztes Mal. Sie trugen die feschen blauen Uniformen des Marinegeschwaders, die sie anfänglich ihrer Dienstzeit so begehrten. Doch seit einigen Wochen hassten einige diese Klamotten wie die Pest.

      »Hallo Erni!«, empfing Fritz seinen Kameraden. »Sind schon fast alle da, bis auf Hasso unser kleiner Terrier.« Nach kurzer Zeit öffnete sich schwungvoll die Saaltür der gemütlichen Hafenkneipe und Hasso erschien. In der Tür stehend winkte er eine hübsche junge Dame herein. Sie trug ein sehr enges, elegantes Abendkleid mit tiefem Einblick, das die weichen Rundungen ihrer Figur betonte. Um eine ganze Kopflänge überragte sie den kleinen Hasso, der sie einhakte und sie ohne die Truppe eines Blickes zu würdigen, schnurstracks zum Kapitänleutnant führte. Schleimend und einschmeichelnd stellte er ihm die Dame vor.

      »Ob das seine Schwester ist?«, vermutete Fritz.

      Erni betrachtete sie fasziniert und überlege: »Die sieht ihm aber überhaupt nicht ähnlich.«

      Mit seiner großen Statur überragte Erni den ganzen Saal. Voller Bewunderung verfolgte er die anmutige Erscheinung der Dame. Sie blickte unsicher in die Runde und der Terrier zeigte auf seine Mannschaft. In überlautem Ton befahl er: »Jungs! Alle ein letztes Mal aufstellen. Haltung einnehmen. Den Käpten mit seiner Gattin begrüßen.«

      »Guten Abend!«, wünschte der Käpten und schüttelte lachend den Kopf.

      »Guten Abend, Kapitän! Guten Abend, Frau von Wedel«, brüllte die Truppe mit ohrenbetäubendem Lärm, wobei sich Frau von Wedel die Ohren zu hielt und freundlich zurück rief: »Guten Abend! Meine lieben Damen und Herren! Lassen Sie uns Ihren Abschied feiern. Ich wünsche Ihnen einen schönen, gemütlichen Abend und ich hoffe, dass Sie meinen Mann auch ja gut in Erinnerung behalten. Ich denke, das schöne Menü, entschädigt sie etwas für die lange Zeit während sie an Bord waren und dafür falls der Kapitän sie zu sehr gepiesackt haben sollte«, dabei sah sie ihren Mann augenzwinkernd an.

      »Hauptmann Kater! Lassen sie wegtreten! Haltung zum feiern einnehmen!«, rief der Käpten fröhlich.

      Einige Kameraden hatten ihre Freundin mitgebracht. Da es nicht vorgeschrieben werden konnte, weil nicht alle eine hatten, wurde die Gesellschaft auf Wunsch der Kapitänsgattin bunt durcheinander gemischt, so geschah es das alle Damen und Vorgesetzten auch zwischen den Rekruten saßen. Langsam, wie ein Lindwurm, schob sich die Reihe der Festteilnehmer um die lange Tafel, die festlich eingedeckt und mit freundlichen Blumensträußen dekoriert war. Wer seinen Platz entdeckte, konnte sich schon setzen. Erni beobachtete gespannt die Szene und bemerkte, dass Hasso, der kleine Terrier wild um sich sah. Irritiert nahm er seinen Stuhl und setzte sich. Die junge Dame ging unsicher weiter und suchte ihren Platz. Erni verfolgte sie mit einigem Abstand und sah, wie sie ihren Platz eroberte.

      »Wer wohl neben ihr