Liara Frye

Die Weltenwanderin


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das jetzt etwas sagen? Zumindest ging keine Glühbirne in ihrem Kopf an.

      Da fing Ercan – der Starke von beiden – an, zu erzählen. »Die Prophezeiung spricht davon, dass jemand mit der Bezeichnung Weltenwanderin in unsere Welt übergeht. Wir haben auf diese eine Person gewartet.« Kurz sammelte er sich, dann redete er weiter. »Es gibt die Erde und es gibt unsere Welt. Diese beiden Planeten sind Parallelwelten, die sich in den Landbeschaffenheiten gleichen, aber andere Bewohner beherbergen. Auf eurer Seite sind die Menschen, auf unserer … Na, das erfährst du noch früh genug.«

      Er räusperte sich, bevor er weitersprach. »Jedenfalls steht in der Prophezeiung geschrieben, dass beide Planeten aufeinander zusteuern und durch einen Zusammenprall alles ausgelöscht wird. Die Weltenwanderin kann zwischen den beiden Welten wechseln und soll dies verhindern. Allerdings ...« Er sah zu den Sternen, als würden sie ihm wie Hoffnungslichter entgegenblinken. Dann senkte er seinen Blick wieder. »Allerdings sollte das schon geschehen sein, daher wurden einige von uns unruhig. Schlachtpläne werden entwickelt, wie man die Erde vernichten kann, bevor sie uns vernichtet.«

      Auch Maya sah nun in den Himmel. Ein Teil von ihr war bestürzt über die Ereignisse und sagte ihr, dass sie vorsichtiger sein musste, um nicht in etwas Großes hineingezogen zu werden. Der andere Teil versuchte, alles zu verstehen, und kam zu einem Entschluss: Sie musste träumen. Das war die einzig logische Erklärung. Sie lobte leise ihre Fantasie für diesen Traum und beschloss, einfach mitzuspielen. Sie würde noch früh genug ihren nervigen Bruder, ihre gestresste Mutter und ihre Stifte wiedersehen. Sobald sie aufwachen würde. Diese Vorstellung ließ ihre ganze Anspannung von ihr abfallen und sorgte für einen klaren Kopf. »Wenn es stimmt, was ihr sagt … frage ich mich, warum sieht man die Erde nicht am Himmel? Oder einen anderen Planeten?«

      Nun war es wieder der Junge, der antwortete. »Die Erde ist noch zu weit entfernt von unserer Welt. Sie kommt aber im rasenden Tempo näher und es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Spezialisten schätzen zwei Monate. Und da sich auch dir bekannte Planeten ein gutes Stück entfernt befinden, kann man diese ebenfalls nicht sehen. Wir haben unsere eigenen Planeten, die uns mit Licht und Energie versorgen.«

      Irgendwie klingt es schon plausibel, dachte sich Maya. Aber irgendwie auch nicht, denn wieso sollten sich die zwei Planeten selbst ansteuern? Sie äußerte ihre Frage und Ercan zuckte zur Antwort mit den Schultern.

      »Es sind Parallelwelten. Es wird vermutet, dass nicht zweimal das Gleiche existieren kann, und um diesem Widerspruch zu entkommen, versuchen die Welten, sich gegenseitig zu vernichten. Es kann auch sein, dass sie sich gegenseitig anziehen, wie zwei Magnete. Niemand weiß das so genau …«

      Maya nickte. Das verstand sie, auch wenn sie noch nicht ahnte, welche Wahrheit dahintersteckte. Vor allem fragte sie sich, warum die beiden Bescheid wussten und auf der Erde noch nie jemand von all dem gehört hatte. Oder doch? Vielleicht wusste sie einfach nichts davon. »Und es gibt verschiedene Wesen in den Welten?«

      All das schien ihr doch zu abstrus, als dass sie es richtig ernst nehmen konnte. Ercan knackte mit seinen Knöcheln und ließ ein dröhnendes Gähnen hören. »Ja, aber … das wirst du noch erfahren. Eins nach dem anderen.«

      Enttäuschung machte sich in ihr breit. So ein interessanter Traum, und dann erfuhr sie noch nicht mal alles!

      Ihre Augen suchten die Umgebung ab. Es sah hier wirklich wie in ihrer Heimat aus: Vor ihr erstreckte sich eine lange Straße, die sich in der Dunkelheit verlor. Die Häuser wirkten wie bleiche Fassaden und ließen nichts von ihrem Charakter durchscheinen. In diesem fahlen Straßenlicht schien alles unwirklich und als sie die beiden Männer wieder ansah, bemerkte sie die dunklen Ränder unter deren Augen. Tatsächlich wirkten sie erschöpft.

      »So, nun, wo geht es als Nächstes hin? Wo kann ich schlafen?« Die Hemmungen hatte sie wohl in dem Moment verloren, in dem ihr klar geworden war, dass all dies nicht Realität sein konnte. Ernsthaft etwas passieren konnte ihr ja ohnehin nicht.

      Der Junge warf Ercan einen vielsagenden Blick zu, der anscheinend weniger überzeugt von der unausgesprochenen Idee war.

      »Nein«, Ercan schüttelte den Kopf. »Unter keinen Umständen!«

      »Ach, bitte. Du weißt, was passiert, wenn sie ins Hauptquartier gelangt … Wir müssen sie verstecken, bevor er sie findet.«

      »Und das bei mir?« Ercan schnaufte verächtlich. »Wir wissen noch nicht mal, ob sie es ist.«

      Plötzlich befiel Maya eine Welle der Müdigkeit. Ihre Augen wurden schwer und die Unterhaltung entglitt ihr, die Worte verwirrten sie nur noch … Sie starrte vor sich hin und wartete nur noch auf einen Entschluss.

      »Wieso nimmst du sie nicht mit zu dir?«

      Maya hatte schon fast vergessen, wie hochnäsig der Junge sein konnte, als er zur Antwort ansetzte. »Ich nehme doch kein Menschenkind mit zu mir! Bah! Nein, bei dir ist sie sowieso viel sicherer. Und mein Zuhause wäre außerdem viel zu gut für sie.«

      Ihr wurde bewusst, wie sehr sie fror. Ihre Kleider waren noch immer nass und die Kälte drang bis in ihre Knochen. Bibbernd schlang sie die Arme um sich und betete um ein warmes Bett. Sicher würde sie bald aufwachen, daran hielt sie fest.

      »Nun gut, ich nehme sie zu mir. Aber du solltest aufpassen, was du sagst. Sie ist vielleicht unsere Rettung.«

      Dankbar warf sie dem großen Mann einen Blick zu. Von dem Jungen, dessen Namen sie nicht wusste, Beleidigungen hinzunehmen, war nicht sehr angenehm. Auch wenn ihr die Worte in diesem schläfrigen Zustand weniger ausmachten als im wachen. Die beiden Freunde brummten noch eine Verabschiedung und dann trottete Maya schräg hinter dem großen Ercan her, der sie durch die stillen Straßen führte.

      Maya durchbrach schließlich das Schweigen. »Du glaubst nicht daran, oder?«

      Ihre Stimme war leise, und so war sie sich nicht sicher, ob er sie gehört hatte. Unverwandt ging er weiter, nicht einmal den Kopf drehte er zu ihr nach hinten.

      Nach einer Weile antwortete er dann doch. »Woran soll ich nicht glauben?« Im Gegensatz zu Maya sprach Ercan laut und scharf, als traue er ihr nicht, obwohl er sie in diesem Moment zu sich nach Hause führte.

      Maya musste sich räuspern, ehe sie antworten konnte. Sie hob ihre Stimme an. »Daran, dass ich diese Weltenwanderin bin, wie der Junge es vermutet hat.«

      Die Schritte von Ercan wurden langsamer, doch er drehte sich nicht zu ihr um. »Sein Name ist Ian. Und nein, das glaube ich tatsächlich nicht.«

      »Wieso?«, drängte Maya weiter, denn sie hoffte sehr, nicht diese Person sein zu müssen. So viel Verantwortung und Aufmerksamkeit? Darauf konnte sie verzichten. Zwei Welten vor ihrer Zerstörung zu retten, wie sollte das gehen? Aber warum war Ian dann so überzeugt davon gewesen? Ian. So hieß er also. Der vorlaute Bengel, der ihr mit seiner arroganten Art gehörig auf die Nerven ging, obwohl sie ihn erst kennengelernt hatte.

      Noch während sie auf Ercans Antwort wartete, wurde ihr bewusst, dass sie es diesmal vergebens tun würde.

      *

      Etwas an Ercans Haus kam ihr seltsam vor, aber in dem schlaftrunkenen Zustand, in dem sie sich befand, wollte sie einfach nicht darauf kommen, was es war. Zumal sie in der Dunkelheit sowieso nicht alles erkennen konnte. Morgen, wenn es hell ist, werde ich mir alles genauer ansehen. Irgendwie gelangte sie wohl ins Innere des Hauses und ehe sie sich versah, fiel sie auf das gemachte Bett, das vermutlich in einem Gästezimmer stand. Sie spürte bereits, wie ihre Augen zufielen, versuchte jedoch mit aller Kraft, wach zu bleiben. Dabei war ihr so schön warm und die Tatsache, dass sie sich in einem fremden Bett befand, störte das Gefühl der Geborgenheit kaum. Sie war so dankbar, sich nun endlich ausruhen zu können, dass sie kaum merkte, wie sie weiter abdriftete. In der festen Absicht alle Erinnerungen auch nach dem Aufwachen zu behalten, versuchte sie, die Geschehnisse dieses Tages durchzugehen, angefangen bei dem See …

      Aber es war zu spät und so fiel sie in einen leichten Schlaf, der bald unterbrochen werden sollte.

      Geweckt wurde sie von einem lauten Gong, der in jedem Winkel des Hauses widerhallte. Steif blieb sie