Erika Frank

Im Bett mit Palermo


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Strandlust vergangen, und ich nahm den übernächsten Bus, um heimzukehren. Nach dem Duschen wollte ich mir eine Handtasche, eine kleine schwarze für den Abend, kaufen. Gegenüber der Pension gab es einen Miu Miu Laden. Als ich aus dem Zimmer trat, begegnete ich der Putzfrau. Wir kamen ins Gespräch. Ich versuchte mein Italienisch: „Hallo Simona, ich gehe mir eine Handtasche kaufen. Wie geht es? Macht die Arbeit Spaß? Seit wann sind Sie in Italien?“ „Seit zwanzig Jahren bin ich hier“, meinte sie zu mir und fuhr fort, Betten zu beziehen. Ich ging. Im Geschäft gegenüber fand ich eine schöne Tasche. Als ich bezahlen wollte, merkte ich, dass ich mein Portemonnaie vergessen hatte. Ich entschuldigte mich bei der kleinen hübschen Verkäuferin: „Legen Sie die Tasche bitte beiseite. Ich bin in zwanzig Minuten zurück.“ Ich rannte über die Straße. Als sich der historische Aufzug in Bewegung setzte, sah ich Massimo mit dem Auto kommen. Ich fuhr nach oben. Ich freute mich, ihm endlich zu begegnen. Aufgeregt erzählte ich Simona, was mir passiert war und ging in mein Zimmer, um mein Geld zu holen. Ich quatschte und zögerte, weil ich wusste, er käme gleich hoch. Dann hörte ich den Lift halten. Die Eingangstür ging auf, Massimo kam und schleppte Pakete mit Wasser und Toilettenpapier. Ich ging ihm entgegen und machte Anstalten, ihm zu helfen, was er entschieden ablehnte. Die Putzfrau erklärte ihm, was mir passiert war. Er fuhr dann nochmals runter, Ware hochholen und ich tat, als ob ich etwas vergessen hätte und ging wieder zurück in mein Zimmer. Als ich es verließ, sah ich eine langstielige dunkelrote Rose auf meiner Handtasche liegen, die ich in der Lobby auf der Couch abgestellt hatte. Wow, dachte ich, eine Rose für mich? Meine Augen strahlten. Ich sah ihn aus dem Lager­raum kommen und ging auf ihn zu: „Danke für die Rose“, flüsterte ich. Er lächelte verlegen und ich machte Anstalten, ihn zu küssen. Er zeigte mit dem Daumen auf den Mund: „Pst, vorsichtig die Putzfrau. Ich lade dich zum Motorradfahren nach Afrika ein.“ Ich flüsterte: „Nach Afrika?“

      „Ja, hast du Lust?“

      „Wow, klar. Immer.“ Ich brachte die rote Rose ins Zimmer und stellte sie in eine Mineralwasserflasche. Es wurde die meist fotografierte Rose, die rote Rose - Lieblingsblume einer Stierfrau. Immer und immer wieder machte ich Aufnahmen. Natürlich war diese Rose auch noch schön als sie nach und nach eines ihrer zwanzig Blätter verlor. Dann ging ich die Tasche bezahlen und schlenderte entspannt durch Palermo.

      Am nächsten Morgen fuhr ich traurig, weil ich ihm nicht begegnet war, mit dem Bus an den Strand. Antonios nervende Anrufe ignorierte ich. Als ich nachmittags nach Hause kam, war ich wieder traurig. War das schon alles? Okay, er bekam was er wollte. Sollte ich ihn anrufen? Nein, das machte ich nicht. Abends ging ich in ein Konzert ins Theater Massimo, dem größten Opernhaus Italiens und dem drittgrößten Opernhaus Europas. Ich las in verschiedenen Medien über das Theater, das 1875 im Stil des Historismus erbaut wurde, dass es aufgrund korrupter Mafia-Baupolitik wegen Baumängeln mehr als zwanzig Jahre geschlossen war. Unter dem Bürgermeister Orlando, dem Mafiajäger, wurde es wiedereröffnet. Als ich das Treppenhaus betrat, war ich sichtlich erschrocken über die vielen Decken, die durch Balken gestützt wurden. Türen waren versperrt. Ich dachte, so etwas wäre in der Schweiz oder in Deutschland aus Sicherheitsgründen gar nicht möglich. Da bliebe das Theater geschlossen. Ich hatte eine Karte für den obersten Rang erstanden. Auf den alten schmalen zweisitzigen Holzbänken mit Seitenlehne saß man sehr unbequem. Dazu die moderne Musik, die mir gar nicht ins Ohr gehen wollte. In der Pause wollte ich eigentlich gehen, aber zufällig kam ich mit meinem Nachbarn, einem gepflegten Endfünfziger, ins Gespräch. „Nach der Pause kommt der interessantere Teil, Puccini, den müssen Sie hören.“ Er hatte mich überzeugt und ich blieb. Er gab mir zu verstehen, mich zu ihm auf seine Bank zu setzen. Nach dem Konzert lud er mich zu ei­nem Glas Wein ein. Wir fanden draußen nahe dem Theater einen Tisch im Café und plauderten. Er war Ingenieur und arbeitete in Palermo. Am Wochenende fuhr er immer zu seiner Familie, die bei Catania wohnte. Sein gutes Englisch überraschte mich. Er begleitete mich bis vor die Haustür, gab mir ein Küsschen auf die Wange, denn mehr erlaubte ich nicht, und wir verabredeten uns. Freitag früh. Ich wollte gerade meine Haare föhnen, da hörte ich Massimo kommen. In Windeseile zog ich mein weißes knielanges Hemd an und ging zu ihm in die Lobby. Mit einem fröhlichen Guten Morgen begrüßte ich ihn und setzte mich zu ihm auf die Couch. „Was hast du gestern gemacht?“, fragte er.

      „Ich war am Strand und abends im Konzert, wo mich jemand anschließend zu einem Glas Wein eingeladen hatte.“ Es knisterte zwischen uns. Wir waren nervös. Er sah mich an und schob mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Wir rückten näher und begannen uns zu küssen und befummelten uns. Er fasste an meine Brüste. „Komm wir gehen in mein Zimmer, dort ist es bequemer“, sagte ich. Wir liebten uns wie Ausgehungerte. Nach unserem Akt lag ich in seinen Armen. Er streichelte mich und sagte leise: „Ich habe dich gestern Abend mit der Vespa gesucht.“ „Wann?“, fragte ich und dachte, ist das süß, ich alte Frau werde gesucht. „Gegen einundzwanzig Uhr.“ „Warum hast du mich nicht angerufen?“, meinte ich. „Ich bin auch am Restaurant Valle di Templi vorbeigefahren, dem Restaurant, das ich dir ja empfohlen hatte.“ Oh, wie süß, dachte ich. Ich antwortete: „Auch, wenn ich nicht allein war, ich hätte sofort alles stehen und liegen gelassen und wäre zu dir geeilt.“ Nach unserem Liebesakt fuhr er mich mit der Vespa zum Strand. Das machte mir wieder Laune. Im dichten Verkehr waren die Vespas und Mopeds immer die ersten, die sich wild durchschlängelten und an der Kreuzung davonkamen. Dicht an dicht. Danach folgten die Motorräder. Die Busspuren wurden zum Überholen genommen. Bei Rot fuhren viele auch über die Ampel. Es herrschte ein Chaos. Aber trotzdem hatte ich nie einen Unfall gesehen. Die Einwohner fuhren zügig und selbstbewusst. Und was die Sizilianer alles auf ihren Mopeds transportierten und wie oft mindestens drei Leute auf einer Vespa saßen, oft noch ein Hund dabei. „Wo soll ich halten? Hier?“ „Nein, dort bitte.“ Ich stieg beim Kiosk an der Uferpromenade ab. Ich lächelte, bedankte mich, reichte ihm den Helm, er wendete und fuhr ohne sich umzudrehen davon. „Bis heute Nachmittag, so zwischen sechszehn bis siebzehn Uhr bin ich dort“, sagte er.

      „Okay, ich bin da. Ich mache gern meinen Nachmittagsschlaf.“ Ich war im siebten Him­mel! Nachmittags traf ich wie verabredet pünktlich zu Hause ein, die Haare vom Baden im Meer und Wind zerzaust, nass; der Körper voller Sand, denn ich wusste noch nicht, wo man am öffentlichen Strand duschen konnte. Die stehenden Brustwarzen zeichneten sich durch das leichte Shirt ab. Ich trug anstatt des BHs das Bikinioberteil. Kaum in meinem Zimmer angekommen, hörte ich den Lift halten und die Haustür zuschnappen. Er kam. Meine Tür war offen. Massimo warf sich aufs Bett. Aus dem Bad kommend sagte ich zu ihm: „Ich brauche keine Dusche, du liebst mich doch auch mit Sand oder?“, und schmiss mich auf ihn. Meine nassen zottligen Haare störten ihn im Gesicht nicht. Er war so sehnsüchtig nach Sex. Unwahrscheinlich. Schnell schob ich meinen Slip zur Seite, um meinen Schritt frei zu machen, und er drang in mich ein. Ich fühlte sein warmes Glied. Der Duft von Salz, Sand, Meer inspirierte uns. Wir liebten uns und konnten nicht genug kriegen. Er drehte mich auf den Rücken, nahm meine langen Beine, die ich hochstreckte, und küsste meine Füße. Oh mein Gott, das war so einmalig. Wer tat das schon? Nur wenige Männer hatten bisher beim Sex meine großen Füße geküsst. Es kribbelte so sehr, als seine Lippen meine Zehen küssten und sie leckten. War das erotisch!

      Samstag, den ersten Juni, sendete ich ihm die erste SMS: ‚Massimo fahren wir wieder auf den Monte Pellegrino? Ich warte auf dich‘. Seine Antwort kam prompt: ‚Ich bin in der Post. Ich weiß nicht, ob es heute möglich ist‘. „Sehe ich dich heute?“ Er rief mich an: „Ich bin in zehn Minuten bei dir.“ Wir knutschten uns wieder wie wild im Bett liegend. Seine Frau rief an. „Pst, leise!”, warf er mir mit dem Zeigefinger auf seinen Mund deutend zu und nahm das Telefonat entgegen. Während er mit ihr sprach, küsste ich zärtlich seinen Penis.

      Von nun an kam Massimo wochentags jeden Morgen und klopfte an meine Tür, zog sich aus und legte sich zu mir ins Bett. Wir liebten uns. Mal blieb er länger, zwei Stunden, mal nur kurz, eine halbe Stunde. Dann verabredeten wir uns immer noch für den Nachmittag. Massimo hatte von Anfang an gesagt, dass er nicht frei war. Er war zwar nicht verheiratet, aber er lebte in einer Partnerschaft und hatte zwei Kinder, für die er Verantwortung trug. Mir war es zu dem Zeitpunkt egal, ich wollte meinen Spaß. Ich wollte aufregenden Sex haben, denn ich gehörte zu den Menschen, die Sex brauchten. Für mich war der Sex Erholung und einfach notwendig, um mich gut zu fühlen. Noch ahnten wir beide nicht, dass wir