Karin Pfeiffer

Draggheda - Resignation


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geglaubt hatte. Er nickte zufrieden, als er erkannte, dass sie sich zusammenriss. Es wurde Zeit, dass Adara die Augen öffnete. Dogan brauchte sie. Er musste ihr bestätigen, was Farq als Einziger wirklich wusste, und was er in seiner Verbohrtheit zu ignorieren beschlossen hatte. Nur so würde sie in der Lage sein zu handeln.

      Vor vielen Jahren, als Raan ihm und Farq die Wahrheit über Dogan erzählte, hatte er ihn damit fast zerstört. Nach Dogans Genesung hatte sein Verstand ihn glauben lassen, dass das, was ihn nachts wach hielt nur ein böser Traum sei. Für eine elend lange Zeit litt er unter diesen Träumen! Er fühlte sich am falschen Ort, im falschen Körper! Er fragte sich, was er getan hatte, um so zu leiden! Doch dann setzte Raan den Tag der Weihe für die beiden kleinen Jungen an und an diesem Tag riss er ihm den Schleier von den Augen und zeigte ihm, zu was er geboren worden war! Und der Arwadok zeigte ihm, was er in Odiles Auftrag bereits getan hatte. Nach diesem Tag wusste Dogan, dass seine Träume in Wirklichkeit Erinnerungen waren. Als ihm das klar wurde, verstand er, warum er so litt und das er diesen Schmerz mehr als verdient hatte. Nur Farq hatte damals verhindert, dass er wahnsinnig wurde.

      Zu diesem Zeitpunkt erwartete Dogann getötet zu werden! Mit Freuden wäre er freiwillig auf einen Richtblock geklettert, doch Raan opferte ihn nicht! Stattdessen ließ er sie beide zu Kriegern weihen. Ganz still war ihrer beider Weihe verlaufen, kein Publikum, keine Zeugen. Niemand außer Raan und dem Arwadok waren Zeuge gewesen. An diesem Abend, dort oben in der großen Halle, hatte der kleine Junge die ersten Kinder getötet die schwach und verkrüppelt aus den Versuchen der Männer hervorgegangen waren, sich mit Frauen aus anderen Welten zu verpaaren. Das war seine abschließende Prüfung gewesen. Diese Nacht veränderte alles. Sie ließ ihn den ersten Schritt auf den Weg tun, der ihn genau an diesen Punkt brachte, an dem er nun war!

      Als Raan ihm nach diesem ersten Massaker eine Aufgabe gab, legte sich diese Aufgabe wie ein Harnisch um Dogan und half ihm zu ertragen, was er nun über sich wusste. Die Aufgabe Farqs erster Mann, seine Stütze und der Schutz dieses Volkes zu sein, füllte ihn ab diesem Moment aus, gab ihm den Halt, den er so dringend brauchte. Als ihn die Augen des alten Königs ansahen und er den Eid schwor, schwor er den Mächten ab, die ihn geboren hatten. Mit diesem Eid lieferte er sich den Draggheda endgültig aus. Er verschrieb sich ihnen, machte sich zum Werkzeug des alten Königs. Und bis zur Erlösung die Farq ihn erlangen ließ, nutzte er seine schwarzen Mächte für Raan und in seinem Auftrag. Diese zerstörerischen Kräfte nach Raans Tod tief in sich zu begraben, hatte Draggheda ein wenig sicherer gemacht. Es schien Dogan ein Witz der Geschichte zu sein, dass ausgerechnet Raans Sohn sie nun wieder entfesseln würde.

      Als Dogan nach Raans Tod das erste Mal als erster Krieger vom Hof ritt, wagte niemand mehr, die Gerüchte um seine Herkunft auch nur zu erwähnen. Alle warteten still und entsetzt auf den Sündenfall - doch er trat nie ein.

      So wurde Dogan das Schwert in Farqs Hand. Und niemals trat er aus der zweiten Reihe nach vorne. Im Laufe der Jahre verstummten die bösen Stimmen. Der Arwadok kam nicht mehr auf den Berg und je weniger er sich zeigte, desto mehr vertrauten die Menschen Dogan. Als Dogan nach Farqs Prägung der Einzige war, der sich seinem Wahnsinn noch in den Weg stellte, fingen die Menschen an, ihn zu achten. Und sie waren ihm dankbar, dass er ihren jungen König am Leben erhielt. Denn mit Adara verschwand ihre Hoffnung und außer Farq hatten sie nichts mehr, das ihnen eine Zukunft versprach. Es gab nur noch den zornigen Jungen der plötzlich König war, und das Monster in seinem Rücken, das ihren Untergang in sich trug.

      Reglos saß Dogan vor Adara. Die beiden magischen Wesen musterten einander. »Dogan, was willst du von mir?« Adara atmete schwer. Diese verdammten Schatten, sie ... sie schienen näher zu kommen und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Auf Dogans unwirsche Handbewegung hin wichen sie zurück. Adara machte ein paar hastige Atemzüge. Trotz der Kälte fühlte sie Schweiß auf ihrer Stirn. Noch einmal fragte sie »Was willst du?«

      Er sah sie an und sie bekam eine Gänsehaut, als sein Blick sich auf ihren Bauch richtete. Nur mit Mühe konnte sie panisches Kopfschütteln vermeiden. Sie musste nicht nachdenken, bevor sie um das Leben des Kindes flehte »... Nein! Bitte! Dogan, ich will dieses Kind!«

      Er atmete tief ein und nach einem unerträglich langen Augenblick des Schweigens nickte er »Gut, dann soll es so sein!« Gerne hätte sie erleichtert aufgeatmet, doch es fühlte sich nicht an, als ob die Gefahr vorüber war. Endlich hob er den Blick von ihrem Bauch »Bedeutet Farq dir etwas oder willst du immer noch fort?«, fragte er. »Jetzt wo du sein Kind trägst, weißt du, was es für dich bedeutet, was es für das Kind bedeuten würde! Willst du immer noch fort?«

      Adara wurde wütend und ihr Gesicht war Antwort genug. Sie wusste, dass er ihr vorschlug, ihr genau das zu ermöglichen, was er ihr vor Wochen noch versagt hatte. Er hatte sie für diesen Wunsch verachtet. Er hatte sie wie einen Hund hierher zurückgezerrt und gedemütigt. Vor wenigen Wochen noch hätte sie keine zweite Frage gebraucht, um zu verschwinden. Doch nun? Nun war da dieses Kind in ihr. Und das änderte alles. Sie wollte Farq und das was ein Leben mit ihm für sie bedeuten würde immer noch nicht, doch er hatte sie zu seiner Königin gemacht. Ihre Instinkte trugen sie wieder. Für Adara gab es keine Alternative mehr! Ihr Kind würde hier geboren werden, hier wo es hingehörte. Wo man es beschützen konnte, es verehren und achten würde. Nicht in dieser stinkenden Welt voll von oberflächlichen Menschen die es jagen würden, sobald sie seiner Andersartigkeit gewahr wurden. Vor Wochen also wäre sie bereits auf dem Weg zum Stall gewesen, noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hätte. Doch heute blickten sie einander an und sie verstand, dass er nun den Punkt erreicht hatte, an dem sie vor Jahren gescheitert war. Denn sie war weggelaufen und nun wo sie wieder hier war, fragte sie sich, wozu sie all das getan hatte.

      Dogan schaute sie an, er nahm ihre Gedanken auf und er lächelte traurig »Es ist gut, dass du nicht gehen willst« sagte er sanft »Er wird dich brauchen! Er wird jemanden an seiner Seite brauchen der ihn führt!« Müde fuhren seine Hände über sein Gesicht »Wir stehen nicht mehr auf derselben Seite und dass heißt, dass er alleine ist! Zum ersten Mal in seinem Leben ist er alleine! Und er trifft schwerwiegende Entscheidungen! Entscheidungen, die von seiner Gier gefordert werden, nicht von Vernunft oder Weitsicht!« Adara versuchte, in seinen dunklen Augen zu lesen. »Er fordert ein schwarzes Kind von mir! Ein Kind mit Mal reicht ihm nicht mehr! Er will mehr!« Die Muskeln in seinem Gesicht bewegten sich und gaben ihm einen noch härteren Ausdruck »Nun weißt du, das alle Gerüchte der Wahrheit entsprechen! Nun weißt du, warum ich ihm nicht geben will was er fordert! Er ... ich ... es könnte der Untergang für Draggheda sein! Doch er ... er ist der König! Ich ...« Dogan schloss für einen Moment die Augen »... weiß nicht, wie ich den Kopf aus der Schlinge ziehen soll.«

      Als ihre Blicke sich trafen war die Kriegerin bereit, zu handeln »Ich töte dich! Jetzt und hier! Sofort - lass es uns zu Ende bringen! Auf der Stelle!«

      Er lächelte warm, stand auf und sank vor ihrem Bett auf die Knie. Dann griff er nach ihr und seine großen Hände umfassten ihr Gesicht. Sanft zog er sie an sich. Er küsste sie leicht auf die Stirn und sie fühlte, wie sich seine Kälte auf sie übertrug als seine Lippen ihre Haut berührten. Automatisch zuckte sie zurück, doch seine Hände lagen wie ein Schraubstock um ihren Kiefer. Sie hielten ihren Kopf an Ort und Stelle.

      Seine Lippen murmelten an ihrer Stirn »Odile würde dich lieben! Das wäre einer dieser Momente, auf die sie wartet! Momente, in denen meine Verzweiflung mich blind macht! Deshalb quält sie mich so! Sie würde von mir auf dich übergehen in dem Moment, in dem ich schwächer werde und sie nicht mehr halten kann! Fühlst du sie? Willst du sie in dir haben? Willst du, dass sie sich über das Kind legt, das du trägst?«

      Er hielt sie fest und Adara wurde übel, als sie verstand, was er jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde seines Lebens in sich trug. Es war Tod und Verwesung in ihm. Gift und Verderbtheit tobten durch seinen Intellekt. Es kroch ihm aus jeder Pore und sie hörte Odiles hasserfülltes Schreien. Sie hörte die Laute aller Toten, die es jemals in dieser Welt gegeben hatte. Sie fühlte ihren Schmerz und ihr Leid! Nur für wenige Sekunden ließ er sie teilhaben, dann gab er sie frei.

      Sofort wich sie vor ihm zurück und er lächelte, als er bemerkte, dass sie mit derselben Geste wie Mira das Leben in ihrem Bauch beschützte. Er ließ ihr Zurückweichen zu. Dogan hatte nur sicherstellen wollen, dass sie verstand, mit wem sie es zu tun hatte. Sie durfte