Karin Pfeiffer

Draggheda - Resignation


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zwang sich, ihm zu folgen, und langsam glitt ihr Blick an seiner sich verändernden Statur hinauf. Seine Augen waren hinter Schatten verborgen, als er befahl »Sag mir was du siehst!«

      »... Schlangen!« wisperte sie.

      »Hast du eine Ahnung davon, was es für dich bedeuten würde, wenn wir Farqs Befehl folgten?«

      Ihr Köpfchen bewegte sich, es war nicht zu erkennen, ob es ein Zittern oder ein Nicken war. Dann schloss sie die Augen und barg ihr Gesicht in ihren Händen.

       »Gut,« dachte er »sie kann mich nicht ansehen. Sie schlottert vor Angst! Das ist ein Anfang!« Er ging vor ihr in die Hocke. Seine Hand griff nach ihrem Kinn und er hob es so an, das sie ihm nicht ausweichen konnte »Er will das ich dir ein Kind verpasse! Das ist alles worum es bei dem ganzen Theater geht! Hör auf, dich in deiner rosa Blase zu verstecken. Mach dir bewusst, was das für dich bedeutet! Es geht ihm nur um ein Kind! Ob du nach der Geburt am Leben bist oder tot, spielt für ihn keine Rolle!«

      Und während er die Worte noch aussprach, brach sie in lautes Schluchzen aus. Ihre Tränen fielen auf seine Hand und für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Fast hilflos fuhr er fort »Ich will das alles genauso wenig wie du ...« Seltsamerweise hatte er sie trösten wollen. Es war ein ihm fremdes Gefühl und seine Reaktion überraschte ihn mehr als sie. Und genau deshalb trafen Miras Worte ihn wie eine Ohrfeige »DOCH! ICH WILL DAS! ICH WILL TUN WAS ER SAGT! ICH WILL DAS ...«

      Völlig überfahren ließ Dogan ihr Gesicht los und zuckte zurück. Sie sah ihn direkt und er musterte sie sprachlos. Er erkannte Angst ihn ihren Augen - und eine Sturheit, die er ihr nicht zugetraut hatte. Ohne zu verstehen wie das geschehen konnte, fand er sich plötzlich in einer Diskussion mit ihr wieder. »Du hast Adara doch gesehen? Willst du so enden wie sie? Ich ...«

      »Bist du wie Farq?«

      »Nein!«

      »Dann wirst du mich auch nicht ... Du wirst ... auf mich aufpassen!«

      »Mira! Ich kann nicht ... du hast ja keine Ahnung, wie ...«

      »Er zwingt dich!« unterbrach diese verdammte dünne Stimme ihn immer wieder »Er droht, dir etwas Schlimmes anzutun, wenn du seinem Befehl nicht folgst! Nimm mich zur Frau und lass ihn ins Leere laufen!«

      »Was? Ich soll ...? WARUM?«

      »Weil ich ... weil ... ich weiß nicht!« Ihr winziges Köpfchen fuhr herum, ihre Schultern zuckten, während sie nach Worten suchte. »Weil ich mich sicher fühle, seit dem ich hier bin! Du wirst mein Baby schützen, wirst auf mich aufpassen! Und ich kann dich schützen! Ich kann tun was er verlangt, und dann bist du frei! Du ...« ihr Atem stockte!

      »Ich werde dich umbringen wenn ich ...« er war erschüttert und brach ab, während sie ihm trotzte »Nein, das wirst du nicht!«

      »Du hast Adara gesehen, sie hat ...«

      »Sie hat sich gewehrt!« In ihre Stimme hatte sich ganz langsam eine abschätzige Kälte geschlichen.

      »Er hat sie fast umgebracht!« nun schrie er und sie schrie zurück »Weil sie sich gewehrt hat! Aber ich werde mich nicht wehren! Ich werde tun was nötig ist! Ich werde ...« wieder zuckten die Schultern, weil sie nicht wusste, was sie tun musste. Frustriert schrie sie ihn an »Du wirst mir sagen, was ich tun soll, so dass du nicht böse werden musst! Dann wird alles ganz einfach werden und der ganze Dreck liegt hinter uns! Dann können wir hier leben! In aller Ruhe, du bist weiter sein ... sein ... sein Was-auch-immer! Und ich bin in Sicherheit! Ich bekomme mein Kind! Bekomme unsere Kinder! Ich werde hier glücklich sein dürfen! ICH WILL HIER GLÜCKLICH SEIN!«

      Trotzig hatte sie aufgestampft und Dogan stand ohne Worte vor ihr. Er suchte nach Ausflüchten, nach einem Grund, der sie überzeugen musste. Er suchte nach einem Schwert, in das er sich stürzen konnte. Und dann hörte er die Stille in sich hallen: Kein Lachen, kein Fluchen! Nichts drang aus der Dunkelheit nach oben. Es war, als ob die Schwärze den Atem anhielt. Odile schwieg lauernd in der Dunkelheit! Nichts war mehr, wie es sein sollte - alles verschwamm um ihn. Was so einfach sein sollte verkehrte sich ins Gegenteil. Er atmete immer noch tief durch, als sie ihn ansprach ...

      »Bitte hör mir zu!« flüsterte sie. Dogan blickte auf sie herab »Mira, du hast keine Ahnung ...«

      »Das muss ich auch nicht!«, unterbrach sie ihn und der schneidende Unterton in ihrer Stimme kotzte ihn an. »Ich muss nicht verstehen, warum all das passiert! Das ist deine Sache, nicht meine! Ich ... ich muss nur da sein! Ich muss auf mein Kind aufpassen! Ich muss nur genug Frau sein, dass du ...« Doch dann brach sie ab und schien vor sich selbst erschrocken. Ihre blassen Finger fuhren über ihren Bauch und es war, als ob er zwischen ihren Gliedern einen winzigen Herzschlag wahrnahm.

      »Ich hasse Farq!«, stieß sie dann leise aus »Ich hasse, was er dir antut! Ich ...«

      Sie hob den kleinen Kopf, ihr Blick suchte ihn »Wie armselig muss er sein, dass er seinen besten Mann so in die Enge treibt!« Sie schwieg einen Moment und er konnte sehen, wie sie ihren ganzen Mut zusammennahm. »Auch wenn es noch so unfair dir gegenüber ist, da ist etwas in meinem Kopf und es sagt ständig: Es ist eine Chance! Dieses neue Leben ist eine Chance! Und dann bewegen sich meine Gedanken. Sie zeigen mir nie, was ich zurücklasse, sie zeigen mir nur, was mich hier erwartet!«

      Mit jedem Wort wurde das Licht auf ihrem Gesicht heller. Ihre Augen glänzten, ihre Lippen waren feucht, ihre Zähne klein und wenn sie lächelten, dann schimmerten sie wie Perlen. Doch all das sah Dogan nicht. In seinem Kopf hallte dieser kaum wahrnehmbare kalte Trotz mit dem sie ihn immer weiter trieb. »Ich ... ich sehe dich!«, flüsterte sie jetzt »Ich weiß, dass du mich nicht willst, doch ich ... ich glaube wir könnten es miteinander aushalten, uns aneinander gewöhnen!«

      »Du hast keine Ahnung, wovon du da sprichst!«

      »Ja, ist schon möglich,« erwiderte sie mit fester Stimme »und das macht mir Angst. Aber so wie es aussieht, nutzt dir das nichts mehr!« Die Kälte in ihrer Stimme war nun mehr als deutlich und er fing an, darauf zu reagieren. So standen sie einander gegenüber. Seine Fäuste waren geballt und für einen winzigen Moment überlegte er, ihr einfach das Genick zu brechen. Doch dann riss er sich zusammen und unternahm einen letzten Versuch, sie abzuwehren. »Solange dein Kind nicht geboren ist, wird er nichts erzwingen! Ich verstehe, was du dir hier erwartest und es gibt genug Krieger, die dir genau das geben würden. Lass mich einen anderen für dich wählen ...«

      »Nein!« spuckte sie hervor »Ich will dich! Farq will dich! Und du hast deine Wahl ebenfalls schon getroffen!« Ihre Worte trafen ihn wieder völlig unvorbereitet. Niemals hätte er ihr einen solchen Schachzug zugetraut. Doch sie war eben der perfekte Spielstein geworden in dem Spiel das Odile und Farq um ihn spielten. Und es schien ihr zu gefallen, ihn so ausgeliefert zu sehen.

      Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls sie zu schlagen. Lange blickte er schweigend in dieses winzige sture Gesicht und als er sich abwandte, wusste er, dass ihr Tod ihn nicht beschweren würde.

      Doch da war auch das, was in ihr war. Winzig, klein - und es begann Verbindung zu ihm aufzunehmen. Herzschlag um Herzschlag ...

      Ohne ein weiteres Wort pfiff er den Hengst herbei. Es gab nichts mehr zu sagen. Als das Tier vor ihm stand, sah er sie abwartend an. Schweigend trat sie zu ihm. Mit einem Satz sprang er auf und wieder packte er sie an den Oberarmen und setzte sie vor sich. Einen Moment lang zögerte sie, dann ergriff sie seine Hand und versuchte, sie auf ihren Bauch zu legen. Sie blickte sich nicht zu ihm um. Es war eine besitzergreifende Geste und Dogan hasste sie dafür.

      Doch Mira war Ablehnung gewohnt. Sie war gewohnt, dass man ihr nicht zu Füßen lag, und sie verstand instinktiv, dass er unabhängig von Farqs Befehl eine Schwachstelle hatte. Und genau auf dieser Schwachstelle ruhte nun seine Hand.

      »Dogan?«

      Er antwortete nicht.

      »Egal was geschieht,« flüsterte sie »... du musst sie beschützen!«

      In seinem Inneren formierte sich ein Sturm, der seine Sicherheit hinwegfegen wollte. Doch die Hand auf ihrem Leib war nicht bereit, sich zu bewegen. Es