Karin Pfeiffer

Draggheda - Resignation


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»Es ist wunderschön hier ...«

      »Aber?«

      »Aber es ist nicht zuhause.«

      Viktor lächelte unbestimmt »Du hast Heimweh?«

      Eigentlich hätte diese Frage seltsam sein müssen. Schließlich hatte man sie entführt. Doch Mira war zu ehrlich, um Spielchen zu spielen. Nach einem Moment des Zögerns blickte sie ihm in die Augen »Nein, eigentlich nicht,« ganz automatisch fuhr ihre Hand zu ihrem Bauch »... alles was wichtig ist, ist hier.«

      Viktor schwieg und blickte auf den See hinaus. Seine Mundwinkel zuckten, als Mira fragte »Darf ich dich etwas wegen Dogan fragen?« Bedauernd schüttelte er den Kopf »NMira, ich bin mir nicht sicher, wohin deine Fragen uns führen würden. Im Moment ist es schwer, einzuschätzen wo wir alle stehen und ich will die Dinge nicht noch schwerer machen.« Er zögerte, doch dann gab er sich einen Ruck »Mira, ich will keine Fragen über Dogan beantworten, das steht nur Farq zu oder ihm selbst.« Mira hatte das Gefühl, das ihm mehr als unwohl war. Schließlich jedoch lächelte er sie offen an »Aber du darfst mir gerne zuhören ...«, in seinen Augen blitzte verschmitzt auf »... und ich darf über einen alten Freund reden.«

      Erleichtert gab sie sein Lächeln zurück. Er fand, dass sie wie eine rundliche Puppe aussah. Ihr Bauch wuchs, wurde langsam präsenter auf diesem winzigen Körper. Ihre Haare kringelten sich um das kleine Gesicht und sie sah so furchtbar unschuldig aus. Wenn er sie ansah, verstand er, dass Dogan sich für ... nicht passend ... hielt.

      Einen Moment noch zögerte er und sein Blick suchte nach Sian. Doch sie versorgte mit den beiden Jungs die Pferde und er hörte, dass sie sich entspannt mit ihnen unterhielt. Also wandte er sich Mira zu »Weißt du, Adara und Dogan haben eine Menge gemeinsam.« Gespannt verfolgte sie seine Worte, doch in der Dämmerung fiel es ihr schwer, den Ausdruck in seinem Gesicht zu deuten. Ihr war nicht bewusst, dass er nicht lächelte, dass sein Blick eine Mischung aus Sorge und Unbehagen war. »Adaras Vater war ein Zauberer aus dem alten Draggheda und ihre Mutter kam aus eurer Welt. Sie gehörten nicht zusammen und doch zeugten sie ein Wesen mit mächtigen Kräften. Und mit dem Mal das sie trägt, trägt sie eben auch unsere Hoffnung in sich.«

      Mira schwieg und Viktor verfolgte jeden ihrer Gedanken. Sie verstand für eine Sekunde was er ihr sagte, doch sie war so erpicht darauf, etwas aus Dogans Vergangenheit zu hören, Details über ihn zu erfahren, dass sie von Adaras Eltern keine Verbindung zu sich und Dogan zog. Viktor erkannte das und er beschloss, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen. Es würde Dogans Aufgabe sein, ihr genau diese Verbindung zu erklären.

      Also wechselte er das Thema »Als Dogan auf den Berg kam, wurde ihm Farq quasi auf den Schoß gesetzt. Farq war seine Aufgabe - und er nahm sie an. Dogan ist Farqs Felsen!« Nach einer kleinen Pause fuhr er fort »Und er war das in den ganzen Jahren während man aus Farq einen König machen wollte. Einen König, dessen Volk ausstirbt. Farqs Aufwachsen kein leichtes Aufwachsen. Er war der Sohn eines Vaters, der sich der schwarzen Magie verschrieb. Mit jedem Tag mehr. Und so wurde es schlimmer, je älter er wurde. Man mutete ihm Aufgaben zu, zwang ihn, seine Bestimmung anzunehmen, zwang ihn, sich derselben gefährlichen Magie auszuliefern. Und nach einer gewissen Zeit war Dogan der Einzige, zu dem Farq noch Nähe zugelassen hat. In dieser Zeit war nichts gut, nichts schien leicht und wir hatten kaum noch Hoffnung das Licht wieder zu sehen. Es sind Dinge geschehen, die nicht gut waren und es hat Dogan eine Menge Kraft gekostet, Farq wieder und wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Er wurde Farqs Rückgrat, er hat uns zusammengehalten und er ... er ist wichtig, ...« Viktor suchte ihren Blick »... er darf nicht fallen! Verstehst du? Ihre Verbindung zueinander darf nicht brechen!«

      Er konnte sehen, wie sie versuchte zu verstehen, was er ihr sagen wollte. Doch wenn er ihre Gedanken verfolgte, dann fand er nicht, was nötig war. Sie verstand nicht, wie tragend Dogans Rolle in Draggheda war. Sie verstand nicht, dass Dogan kein menschliches Wesen war. Das er gefährlich war und dass er anfing, sich gegen seinen König zu stellen, seitdem die Frauen auf dem Berg waren. Für Viktor gab es nur einen Grund der so stark war, das Dogan in seiner Loyalität schwankte! Und das musste diese kleine Frau sein! Die Verantwortung, die damit auf ihr lastete, war so offensichtlich, dass sie sie doch fühlen musste! Doch der Blick aus ihren großen Augen zeigte ihm nur Fragezeichen. Viktor war enttäuscht, dass sie nicht verstand. Damit zwang sie ihn, weiter zu gehen als ihm lieb war. Hilflos stocherte er im Feuer herum. Schließlich fuhr er fort »Dogan blieb immer an Farqs Seite. Hat ihn nie in Frage gestellt. Von sich aus wäre er nie auf die Idee gekommen, sich eine Frau zu suchen. Wir älteren Krieger hatten die Wahl. Wir konnten ausziehen und versuchen uns mit den letzten Frauen zu verbinden. Aber er wollte nicht! Er hat eisern an der Seite von Farq ausgehalten.«

      Wieder folgte eine Pause, dann gab er sich einen Ruck. »Als Farq mit dieser aberwitzigen Idee kam Frauen zu entführen und ...«, einen Moment lang brach er ab und starrte den Boden an »Da hat Dogan wohl für sich eine Grenze gezogen und beschlossen, dass das mit ihm nicht zu machen ist.«

      Er nahm einen Schluck aus dem Becher, lächelte Sian an, die sich zu ihnen gesellte »Aber jetzt seid ihr auf der Bühne erschienen, und wir alle wussten sofort, worauf das hinaus laufen muss. Für Dogan waren all die Dinge, vor denen es ihm graute, plötzlich ganz nah und unausweichlich! Ich glaube, dass er zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Situation steht, die er so falsch findet, dass es ihn innerlich zerreißt! Es frisst an seiner Loyalität zu Farq! Es erschüttert ihn bis ins Mark! Verstehst du, was das für einen Mann wie ihn bedeutet?«

      Viktors Enttäuschung wuchs, als er ihren unsicheren Blick sah. Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte. Und ohne zu ahnen wie furchtbar er sich bei seinen nächsten Worten irrte, wurde er deutlicher »Dogan ist ein grausamer Mann. Das muss er sein und es macht ihm nichts aus. Aber du hast ihn irgendwie angerührt. Und plötzlich fängt er an seinen König in Frage zu stellen!«

       Dogan muss schlafen!

      Miras Anblick rührte Dogan nicht. Er verursachte Abscheu und Widerwillen. Er sah Viktor mit den Frauen den Berg verlassen, und erleichtert atmete er durch. Er hatte keine Ahnung von dem, was Viktor den Frauen zeigen wollte, und es war ihm auch egal. Ihn beschäftigten heute ganz andere Dinge. Denn er musste schlafen!

      Seine Hülle wurde immer dünner, er wurde angreifbarer. Die Dunkelheit in ihm waberte wie dicker Nebel gegen diesen fragilen Schutz. Sie breitete sich in ihm aus wie Faulgase. Sie nahm ihm den Atem und in ihrem schwarzen Nebel verstärkte sich Odiles Stimme. Dogan wusste, dass Schlaf nötig war um wieder zu sich zu kommen. Doch der Schlaf barg für ihn ein Risiko. Wenn er schlief, hielt niemand Wache. Niemand bewachte das, was er so sorgsam in sich verschlossen hielt. In der Vergangenheit hatte Farq diese Wache für ihn übernommen, wenn er sich dieser Grenze näherte. Doch so wie die Dinge jetzt zwischen ihnen standen, konnte er das nicht.

      Im Moment musste er sich selbst helfen. Wütend blickte er sich in seinem Kerker um. Das hier, diese Zellen, dieser Keller und die Räume und Höhlen darunter waren sein Zuhause! Und jetzt waren die wenigen Dinge, die dieses Zuhause ausmachten weg! Farq hatte all seine Sachen zu der Frau bringen lassen. Dogan blickte sich um, Wut explodierte in ihm und mit ein paar großen Schritten schoss er nach oben. Ein lauter Pfiff genügte und sofort hörte er einen Fluch und den Schmerzensschrei des Stallmeisters. Dann preschte sein Hengst aus dem Stall und mit einem Satz war Dogan aufgesprungen und aus dem Hof galoppiert.

      Farq sah ihm nach. Er hatte versucht, zu Dogan durchzudringen, doch die Wut seines Kriegers verdunkelte alles. Sie erlaubte ihm nicht, ihn zu erreichen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn ziehen zu lassen.

      Dogan gab seinem Hengst kein Ziel vor, doch das war auch nicht nötig. Sie verstanden einander blind. Als Dogans Augen wieder sehen wollten, sich wieder auf seine Umgebung konzentrieren konnten, atmete er tief durch. Der Hengst hatte ihn an einen Ort gebracht, an dem er kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte.

       Das Dickicht war schier undurchdringlich und Dogan wusste, dass das Tier ihn durch einige schwarze Tunnel außerhalb der unmittelbaren Reichweite seines Volkes getragen hatte. Würde jetzt etwas schiefgehen, hatte er Zeit sich zu fangen. Zeit, den Kampf gegen sich aufzunehmen. Erleichtert ließ er sich vom Pferderücken gleiten. Zur Sicherheit schickte er