vorgefallen war. Sie verstand nichts von den Dingen, die die Männer antrieb. Ihre Gedanken drehten sich einzig darum, dass er sie gewählt hatte, um sie vor dem sicheren Tod zu schützen. Vielleicht war also nicht er das Monster, vor dem es sich zu schützen galt, sondern Farq? Und vielleicht hatte sie schon Schlimmeres erlebt als einen Mann, der ihr das Leben rettete?
Es waren diese Gedanken, an denen sich Mira festhalten wollte und so betete sie stumm, dass Sian aufhören möge. Doch die dachte überhaupt nicht daran »Mira! Hast du dazu nichts zu sagen? Das kann dir doch nicht egal sein? Was ist denn wenn dir hier was passiert? Kein Krankenhaus weit und breit?« Sie merkte vor lauter Aufregung überhaupt nicht, wie schwachsinnig sich ausgerechnet dieses Argument in Anbetracht der phantastischen Kräfte des Heilers anhörte.
Wie sie es gewohnt war, redete Sian sich immer weiter in Rage. Und dann war er plötzlich wieder da, dieser verdammte kleine Affe, der sich an sie klammerte und sie zwang, weiter und weiter zu keifen. Heute war der Name des Affen Panik und er verbiss sich in ihr »Mira! SAG JETZT WAS«!, forderte sie.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll!«, fuhr Mira auf. Einen Moment noch beherrschte sie sich, doch dann wurde sie wütend. »Vielleicht denkst du mal darüber nach, dass er uns das Leben gerettet hat! Vielleicht wären wir schon tot wenn Dogan sich nicht ... wenn er nicht...«
Überrascht hielt Sian inne, dann stammelte sie fassungslos »Das ist doch nicht dein Ernst! Mira! Du kannst doch nicht im Ernst in Erwägung ziehen, dich für ... also, Herrgott, als Gebärmaschine ... Mira! HAST DU NICHT VERSTANDEN, DASS DU MIT IHM INS BETT GEHEN SOLLST?«
»UND DU? HAST DU VERGESSEN, DASS DU DIE BEINE FÜR EINEN VERDAMMTEN SCHUSS HEROIN BREITGEMACHT HAST?« Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund, als Sians Blick verschwamm. Der Schlag hatte gesessen. Es tat Mira sofort leid, doch als sie sich entschuldigen wollte, wehrte Sian ab »Nein!« Verletzt hob sie die Hände, dann wandte sie sich um und verließ den Raum.
Vor der Tür wartete einer der Männer, der sie wortlos in Empfang nahm und in Bens Räume brachte. Zum ersten Mal schlossen sie sie ein, und als ihr das bewusst wurde, weinte Sian bitterlich. Danach senkte sich Stille über den Berg.
Beiden Frauen war nicht klar, wie viele Augenpaare sich auf sie richteten. Ben wusste, dass auch er beobachtet wurde, und er verweigerte sich dem Drang, Sian zu sehen. Er schäumte vor Wut. Viktor folgte ihm, um Schlimmeres zu verhindern. Der Boden bebte, als er sich Ben näherte. Vorsichtig streckte er die Hand aus »Ben!«, beschwor er ihn »Beruhige dich! Dogan hat deinen Anspruch anerkannt!« In seinen Augen hatte Dogan sich für Ben geopfert und nun musste Ben daran gehindert werden das kaputt zu machen, indem er sich gegen Farq stellte oder die Frau zu früh anfiel!
Ben musste sich beruhigen! Er brauchte eine Pause. Sein Körper vibrierte. Der Boden auf dem er stand, nahm die Vibration auf und sie war bis weit in den Berg hinein zu fühlen. Die Angst nicht zu bekommen, worauf er Anspruch erhoben hatte, lähmte seinen Verstand. In seinen Augen hatte Farq alles zerstört! Er hatte Dogan verraten, ihn in eine Falle gelockt und nun schon zum zweiten Mal die Frau als Druckmittel eingesetzt an die Ben sich gebunden fühlte. Das Zittern wurde stärker wenn er an den Blick dachte, den Sian ihm zugeworfen hatte, als man sie aus dem Raum brachte. Sie hasste ihn! Die Angst getötet zu werden weckte in ihr eine Stärke, die sie nun gegen ihn einsetzen würde. Und Farq hatte ohne Rücksicht damit gespielt. Für ihn waren sie nicht mehr als Spielfiguren. Ben konnte sich einfach nicht beruhigen!
Viktor drängte sich in sein Blickfeld. »Ben,« sagte er leise »sie ist durcheinander, sie ist wütend und verängstigt. Aber sie fühlt uns auch! Du weißt genau, dass sie unseren Instinkt in sich trägt. Sie wird ihm nachgeben, wie wir das auch tun mussten. Es ist egal, was Farq für ein Spiel spielt. Sian wird verstehen! Wir müssen sie nur beschützen bis es soweit ist. DU musst sie beschützen!«
Unglücklich hielt er inne und atmete erleichtert auf, als Bens stierer Blick sich langsam klärte.
»Lass sie mich für einen Augenblick aus der Schusslinie bringen.«, bat er ihn. »Auch die Kleine braucht eine Verschnaufpause – genauso wie Dogan und Du!« Nach einem langen Moment nickte Ben und Viktor verlor keine Zeit und traf Vorbereitungen.
Farq nahm all das auf. Er beobachtete seine Männer genauso, wie er die Frauen beobachtete. Die Situation in der sie sich befanden, war für alle neu. Er lächelte freudlos. Es tat ihnen gut, sich mal mit anderem Scheiß zu beschäftigen.
Und so wachte er über seine Männer und beobachtete die Frauen. Der Zorn den Sian ausstrahlte, schien gleißend hell und Farq mochte die Intensität ihrer Gefühle. Sian war kein Mensch aus der anderen Welt! Sie gehörte hierher und unabhängig von dem, worum es ihm in der Hauptsache ging, war er dankbar, dass Dogan sich endlich ergeben hatte. In den richtigen Händen würde sie scharf wie ein Diamant werden. Es hätte ihm leidgetan, ihren Tod zu befehlen.
Dann wandte er sich Mira zu. Die Stille die ihm bei ihr entgegenschlug, war so völlig anders als das, was in Sian tobte, dass er für einen Moment Sorge um sie und das Ungeborene verspürte. Doch dann, als er sich in ihrem Verstand umsah, fuhr er überrascht zurück.
Staunend betrachtete er die Klarheit, mit der die kleine Frau ihre Zukunft beschlossen hatte. Eine Zukunft in Draggheda, eine Zukunft an Dogans Seite. Eine Zukunft, in der sie beschützt würde. In der man sie gewählt hatte. In der man für das Kind sorgte, das sie erwartete. Die Bilder waren klar und sehr detailliert.
Während Farq über den Gedanken der Frauen brütete, hielt er Adara an seiner Seite. Auch sie nahm wahr, was in Mira vorging. Ihre Stirn war gerunzelt, während sie ihre Gedanken verfolgte. Niemand hätte erwartet, dass Mira so reagieren würde. Farq hatte gehofft, dass sie die Möglichkeit einer Verbindung in Betracht ziehen möge. Doch dass sie quasi bereits ihren Haushalt einrichtete, davon war er nicht ausgegangen. Fast war sie Farq unheimlich und er suchte in ihrem Verstand nach dunklen Flecken.
Was dachte sie, was passieren musste, bevor sie an den Punkt kam, den dieses idyllische Bild ihr zeichnete? Sie war keine Jungfrau mehr. Sie wusste, was geschehen musste. Doch all das blendete sie so gekonnt aus, dass weder Farq noch Adara erkennen konnten, wie sie sich dieses wichtige Detail vorstellte.
Als Farq sich aus ihr zurückzog wirkte er nachdenklich. Eigentlich hätte es nicht besser laufen können. Doch er traute dem Frieden nicht. Verdammt, sie schien sich leichter mit der Situation abzufinden als Dogan. Adara nahm wie selbstverständlich teil an seinen Gedanken und sie klang traurig, als sie sagte »Er hängt fest wie eine Fliege im Spinnennetz!«
Nein, du darfst mir keine Frage stellen
Sie waren seit einigen Stunden unterwegs. Viktor hatte einen offenen Wagen anspannen lassen. Zwei der jüngeren Krieger war zur Begleitung abkommandiert worden. Die Draggheda waren neugierig auf die Frauen. Und in der warmen Sonne schien sogar Sian für den Moment beschlossen zu haben, nicht zu kämpfen. Mira hatte sich bei ihr entschuldigt. Beruhigt hatte Viktor zugesehen, wie die beiden Frauen sich versöhnlich umarmten. Sie fragten nach Zac und er war erleichtert, berichten zu können, dass es ihm gut ging. Über seine Zukunft war noch keine Entscheidung getroffen, doch die Zwillinge würden sich für ihn verwenden. Farq hatte keinen Vorteil zu erwarten, wenn er ihn töten ließe. Es würde weder Dogan noch Ben helfen, wenn er damit die Frauen gegen sie aufbrachte. Für den Moment also war Zac in Sicherheit.
Die Männer flankierten den Wagen und ließen die Stimmung auf die Frauen wirken. Zufrieden beobachtete Viktor, wie sie sich entspannten. Wo immer möglich, plauderte er freundlich ein paar Worte mit denen, die ihnen entgegenkamen. Er versuchte, ihnen Draggheda zu zeigen. Jedenfalls den Teil, den er im Moment für sicher hielt. Die wenigen Frauen denen sie begegneten, wünschten Glück zur Geburt, streichelten ohne Berührungsängste den Bauch der Schwangeren. Viktor verfolgte, wie seine Welt sich diesen fremden Frauen öffnete. Und hinter seinem Lächeln verbarg er die Befehle, die er von Farq erhalten hatte: »Achte darauf, was du ihnen zeigst und mit wem du sie sprechen lässt. Sie sind lange noch nicht soweit die Wahrheit zu sehen. Ich will nicht, dass sie Gerüchte über Dogan hören!«
So viele Sterne
Am