Karin Pfeiffer

Draggheda - Resignation


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sie anzusehen. Dabei schweiften seine Gedanken zurück zu der Flöte im unteren Zimmer. Sie machte Musik? Wie sich das wohl anhörte? Er legte sich zurück und wartete.

      Als sie bemerkte, dass sie nicht mehr allein war, drang er in sie ein, um ihr den Schreck zu ersparen. Wie ein schwerer Mantel legte er sich über sie. »Hab keine Angst ...«, schnurrte er in ihrem Verstand »Ich bin es nur ...« Erst dann ließ er sie die Augen öffnen und er freute sich über das Zucken in ihren Mundwinkeln als sie ihn erkannte. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch als er den Kopf schüttelte, schwieg sie folgsam. Sie wehrte sich nicht, als seine große Hand sie an sich zog.

      ....

      Als er später, von ihr abließ, dankte er dem Schicksal, das seine Maschine ausgerechnet in diesem Kaff hatte verrecken lassen. Himmel, war die Frau ausgehungert. Sie war unter seinen Händen laut gewesen. Sie wollte angefasst werden und kam nachgerückt, wann immer er nur einen Zentimeter Platz zwischen ihnen ließ.

      Zufrieden winkelte er den Arm an, auf dem ihr Kopf lag und holte sie zu sich. Jetzt stöhnte sie leise »Ich will ja ...«, lachte sie »... aber ich kann nicht mehr ...«

      Und er lachte mit ihr, drehte er sie auf die Seite und schob sich hinter sie.

      »Morgen!«, versprach er und dann schliefen sie ein.

       Die Tage danach

      Fran fragte sich immer noch, wie das eigentlich alles hatte geschehen können. Er war ein Bild von einem Mann, so etwas hatte sie bisher höchstens in ihren Büchern gesehen. Und nun lag der Mann in ihrem Bett und schien sich dort irgendwie wohl zu fühlen. Er hatte ihr ein »Morgen« versprochen und sein Versprechen gehalten. Und zwar jeden Tag, seit dem er hier aufgetaucht war. Sie verstand nicht, warum er hier war, warum er blieb oder wo er herkam. Und es war ihr auch egal. Frances fühlte sich, als ob Falk all ihre lange verloren geglaubten Gefühle wiederfand und sie ihr zurückgab. Dafür war sie ihm unendlich dankbar. Und so stellte sie die Fragen nicht, die hätten gestellt werden müssen: Wer bist du? Wo kommst du her? Was willst du von mir? Wann wirst du wieder gehen?

      Falk mochte ihren Humor. Frances konnte wunderbar über sich selbst lachen und tat das oft und ausgiebig. Sie war tatsächlich so echt, wie es auf den ersten Blick gewirkt hatte. Sie war Kunsthistorikerin. Er hatte keine Ahnung, was genau sie tat und sie machte auch nicht den Versuch es ihm zu erklären. So wie sie ihm eigentlich gar nichts erklärte. Denn es tat nichts zur Sache. Er wollte nichts wissen, und sie verschwendete ihrer beider Zeit nicht mit Geschichten.

      Einmal fragte er sie nach dem Sinn der ganzen verstreuten Bücher und sie antwortete schlicht »... man hat mich erzogen Ordnung zu halten, und jetzt« ein wenig hilflos schaute sie sich um und verstand, wie ihre Worte angesichts des Chaos um sie herum wirken mussten, dann lächelte sie ein zaghaftes Lächeln »... und jetzt ist es mir egal ...«, zögernd sah sie ihn an. Sie erwartete eine Wertung, doch er lachte nur. Er mochte sie genau so.

      Einmal nur fragte sie ihn »Warum ich? Warum keine junge, keine schöne Frau? So wie du aussiehst, könntest du sie alle ...« Doch er unterbrach sie mit den wenigen echten Worten, die sie verdiente »Weil du dich gut anfühlst!« Ihr verschämter Gesichtsausdruck war so reizend, dass er an sich zog. Danach stellte sie solche Fragen nicht mehr.

      Ernst wurde sie nur wenn sie die Flöte zur Hand nahm. Und auch Falk verging dann das Lachen. Wenn sie die Lippen befeuchtete und anfing zu spielen, ergriff ihn eine seltsame Stimmung. Ihre Lieder waren schwer und traurig und manchmal hatte sie nasse Augen wenn sie absetzte.

      Nachdenklich sah er ihr zu, wie sie sich um Fassung bemühte. Dann nahm er sie an die Hand und führte sie nach oben. In diesen Nächten schliefen sie nicht miteinander. Die Traurigkeit, die sie dann überkam, war genauso echt wie ihre Gier, ihre Freude und ihr Genuss. Falk saugte auch dieses Gefühl in sich auf wie ein Ertrinkender Sauerstoff. So gingen einige Wochen ins Land, in denen er kaum etwas anderes tat als mit ihr zu schlafen, ihr zuzusehen und ihr Essen zu verschlingen. Sie war eine phantastische Köchin! Fran kaufte ihr Fleisch bei einem Bauern auf dem Land und nicht in einem Supermarkt. Von dort holte sie auch ihr Gemüse und daraus kochte sie Gerichte, die ihm genauso gut gefielen wie der Sex mit ihr.

      Wenn Frances kochte, erzählte sie ihm von ihrer Großmutter. In diesen Momenten beneidete er sie um ihre Vergangenheit. Und während sie über ihre Kindheit sprach, erinnerte er sich an die dunkle Zeit seiner ersten Jahre. Er erinnerte sich an die Angst der beiden Alten die ihn großziehen mussten.

      Sie erzählte ihm von einem kleinen Mädchen, das das Wort ‚Zuhause‘ immer mit einem verträumten Unterton aussprach. Ihre Worte malten ihm Bilder von ihrem Großvater, der ihr das Fahrradfahren beibrachte.

       Seine Erinnerung zeigte ihm den Ekel des Alten, wenn der Arwadok Falk vom Schlachten zurückgebracht hatte.

      Fran versuchte ihm den Geschmack der Kuchen ihrer Großmutter zu beschreiben, und er dachte daran, wie die Alte sich übergeben hatte, weil sie ihm die Reste der Sklaven kochen musste. Doch während sie erzählte und er in seiner eigenen blutigen Erinnerung versank, lächelte er. Denn egal, wie stark die Erinnerungen waren: Er war jetzt hier! Und ihre Kuchen dufteten!

      Falk genoss diese Zeit. Nur selten dachte er daran, sie zu verlassen. Doch bei den wenigen Gelegenheiten in denen er sie in das Dorf begleitete und sich mit ihr aus dem sicheren Haus wagte, war ihm bewusst, wie dünn die Schicht seiner Gelassenheit war. Fran bemerkte es nicht, doch er reagierte auf vieles, das ihnen begegnete. Er sah Blicke die er nicht mochte. Registrierte Berührungen, die ihm nicht gefielen. Selbst der Mann, der sein Motorrad reparieren sollte, ließ ihn vibrieren. Falk wusste, dass man nach ihm Ausschau hielt. Doch wann immer sich die Tür hinter ihm und Frances schloss, schloss sie auch diese Gewissheit aus.

      Der Tod eines Huhnes

      Und während sich in der Welt der Menschen eine verwunderte Frances in die Arme eines Arwadoks jenseits Dragghedas schmiegte, erbebte genau dort das Machtgefüge. Denn mit den wenigen Worten mit denen sich Dogan Farqs Befehl unterworfen hatte, knirschte es in den Grundfesten, die diese Welt zusammenhielten.

      3 Auf keinen Fall

      Als Mira erwachte, saß Sian an ihrem Bett. Ihre Augen waren wie glühende kleine Kohlen, sie brannten vor Wut. »Die haben uns verschachert! Einfach so!« Sie schnippte mit den Fingern, wie Farq es getan hatte »Einfach SO!«, brüllte sie nun »Hör doch! Einfach SO!«

      Mira hörte sie, doch im Moment konzentrierte sie sich mehr auf ihren Bauch als auf die schneidenden Worte. Still suchte sie nach einem Lebenszeichen. Erleichtert atmete sie auf, als sie eine zarte Bewegung in sich verspürte. Erst dann war sie in der Lage sich Sian zuzuwenden.

      »Der hat sie ja nicht alle! Ich bleib auf keinen Fall hier!«, schimpfte Sian ohne auf Mira zu achten. »Und dein Baby? Wie stellt er sich denn das vor? Soll das hier im Schlamm spielen, anstatt bei uns Sport und Kunst und alles Mögliche ...«, Sian merkte in ihrer Rage nicht einmal, dass das nicht die besten Beispiele waren, die man gegen Draggheda anbringen konnte. In ihrem eigenen Fall waren die Segnungen ihrer Welt bei weitem nichts Gutes gewesen. Erst als ihr Miras Gesicht auffiel, stockte sie. »Mira!«, fuhr sie anklagend fort »... das kann er doch nicht im Ernst meinen? Die können uns doch nicht wirklich ... MIRA! Das kann er nicht machen!«

      »Anscheinend schon.«

      »Ich wähle die!«, äffte Sian Dogan nach »Das ... das kannst du dir doch nicht gefallen lassen! MIRA!«

      Die schrille Stimme zerrte an Miras Nerven. Sian hatte schnell gesprochen und überhaupt nicht auf sie geachtet. Mira wünschte sich im Moment nichts anderes, als allein zu sein. Sie wollte diese giftigen Gedanken nicht. Ihre Hände über ihrem Bauch verkrampften sich. Denn auch Mira hatte seine Worte gehört. Wie durch Watte waren sie in ihr Bewusstsein gedrungen »Ich nehme diese da!«

      Ja, sie hatte Dogans Worte gehört. Natürlich hatte sie das. Doch bei ihr waren sie völlig anders angekommen als bei Sian. Denn noch nie hatte jemand sie gewählt.