null Rahek

Eine Reise ins Nichts


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war es zu spät.

      Vor ihrem Haus fuhr Gustav mit seinem Kleinwagen vor. Panik befiel ihr zartes Gemüt. Nervös streichelte er sich selbst. Gustav stieg aus dem Wagen und er hatte Mühe gerade zu laufen. Er war völlig neben sich. Diese gemeinsame Reise war eine verrückte Idee. Und so standen sich beide in purer Panik gegenüber und versuchten ein unverfängliches Lächeln zu verschenken.

      „Hallo Ramona, alles bereit für unsere Reise?“, fragte Gustav mit einer gewissen Säuselstimme. In seinen Beinen vermisste er jedes Gefühl.

      „Hallo, Gustav, es ist auch ein schöner Tag.“, wisperte sie und beide drückten sich, wie sie es immer machten.

      Richtung Süden – Alpengefühle

      Dann ging die Reise los und sie plauderten von ganz belanglosen Dingen wie Krankheiten und blöde Nachbarn. Gustav fühlte sich riesig und hätte er einen Hut aufgehabt, wäre er Indianer Jones. Sie saßen beide tatsächlich in einem Auto und fuhren gemeinsam in den Urlaub. Unglaublich!

      Sie kannten sich schon einige Jahre und irgendwie mochten sie sich gegenseitig. Doch niemals zuvor waren sie in einer Situation geraten, die mit Sex endete. Gustav war in sexuellen Dingen zwar erfahren, wusste wann er Aufwand in seinem Werbungstanz benötigte oder wann er einfach und mühelos zum Zuge kam. Er wusste, dass es bei manchen Frauen wenig Sinn machte viel Energie zu investieren und er zog sich dann auch schnell zurück, ohne peinlich zu sein. Trotzdem reagierte Ramona nie auf seine Körperlichkeit. Oh ja, er konnte mit Frauen gut umgehen und wenn er nur wollte, dann war er ein ganz „cooler Typ“.

      Aber bei Ramona war das kompliziert.

      Auf der einen Seite hatte er immer das Gefühl, dass sie mehr verbindet als Freundschaft und auf der anderen Seite gab sie ihm nie eine echte Gelegenheit, um sich ins Zeug zu legen. Bei dieser Reise in den Süden würden zahlreiche Gelegenheiten kommen, da war sich Gustav sicher. Er musste nur seine Ängste unterdrücken und aufhören sich selber zu streicheln.

      Ramona konnte ihre Panik auch etwas eindämmen. Nach und nach beruhigte sie sich.

      „Was soll’s!“, dachte sie. Schließlich waren sie langjährige Freunde und sie hatte auch keine Versprechungen gemacht. Beide hatten keine feste Partnerschaft und gemeinsam in den Süden zu reisen, war unter Freunden eine ganz normale Sache. Normalität vertreibt jeden Skrupel und jede Panik. Nur ihre Namen entsprachen nicht der Normalität. Ramona und Gustav. So nennen Eltern ihre Kinder nicht, wenn es sich um Wunschkinder handelt. Man könnte glauben, dass sie uralte Leute wären. Doch tatsächlich befanden sie sich im mittleren Alter. Zu alt und erfahren, um naiv und peinlich durch das Leben zu schleudern, aber noch jung genug, um eigene Familien zu gründen.

      Kurz, als Blumen standen beide in kräftiger Blüte.

      Während der ersten Stunden passierte nicht viel. Doch dann drückte Gustav's Blase. Dieser verdammte Kaffee. Doch er traute sich nicht anzuhalten, um auf die Toilette zu rennen. „Coole Typen“ machten solche Dinge nicht. Auf der anderen Seite sah es auch nicht cool aus, wenn er auf seinem Fahrersitz hin und her zappelte. Um davon abzulenken, drehte er die Musik ein wenig lauter. So konnte er im Takt schwingen. Doch Gustav merkte schnell, dass rhythmische Bewegungen die Blase nicht entlasteten. Langsam schmerzten seine Nieren und Tränen trübten seinen Blick. Verdammt, normalerweise müssen Frauen doch ständig auf Toilette.

      Sein Harndrang nahm krampfartige Züge an und die Schmerzen wurden unerträglich. Er musste handeln!

      „Ich fahre jetzt mal auf einen Rastplatz, denn eine kleine Kaffeepause wäre doch ganz gut, oder?“

      Ramona nickte nur beifällig und so steuerte Gustav erleichtert und mit Übergeschwindigkeit die nächste Raststelle an. Eile war geboten.

      Ramona war froh, denn sie musste ganz dringend pinkeln. Sie fragte sich ernsthaft, warum Männer niemals pinkeln müssen, wenn sie verreisen.

      Der Rasthof war nicht besonders groß und nicht übermäßig voll.

      Gustav pinkelte mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Dann wischte er sich die Tränen ab und dankte Gott und der Klofrau gleichermaßen.

      Eine halbe Stunde später war auch Ramona von der Toilette zurück. „Warum Frauen immer so viel Zeit auf Toilette verbringen?“, überlegte er. Selbst wenn Gustav beim Pinkeln die Hose runterließ und sich setzte, dauerte es nur unwesendlich länger als am Stehbecken. Er wartete geduldig auf seine Begleiterin und führte sie zu einem Ecktisch am Rande der Raststätte.

      „Magst du einen kleinen Imbiss oder etwas Süßes zwischendurch, mein kleiner Hasenpups?“, fragte er höflich in leichter Hochstimmung.

      Gustav verwendete oft unglaubliche Kosenamen für Ramona, obwohl sie gar kein Paar waren. Meist reagierte sie nicht einmal darauf. Und eigentlich mochte sie keine Kosenamen, egal wie witzig sie auch waren.

      Und „

       Hasenpups

      “, nachdem sie von der Toilette kam, war völlig unpassend.

      „Hör zu, Gustav! Lass diese blöden Kosenamen stecken. Ich heiße Ramona und damit ist es auch gut!“

      Sie sagte es mit weit mehr Zorn, als sie es beabsichtigt hatte.

      Gustav blieb kurzzeitig der Mund offen und die Stimmung drohte zu kippen.

      „Ich wollte nur witzig sein. Musst ja nicht gleich so sauer reagieren, Raaamooona.“, sagte er.

      „Nun gut, dann möchte ich einen Burger mit Hackfleisch und Käse und bitte einen Saft.“, entgegnete sie. Gleich hatte Gustav noch schlechtere Laune. Mürrisch lief er durch die Raststätte.

      „Sie ist eine launische Zicke und jetzt will sie auch noch einen Hamburger.“, murmelte er vor sich her und stellte sich in die Warteschlange.

      „Nein, Burger gibt es an der Selbstbedienung. Hier gibt es nur richtiges Essen.“, sagte die strenge Verkäuferin und noch schlechter gelaunt ging er durch die Selbstbedienungsregale und suchte nach Hamburger.

      Gustav aß niemals solche mit Zucker durchtränkte Brötchenpampe mit minderwertigem Fleischersatz. Er hasste Fastfood jeglicher Art und er war sogar stolz darauf. Nach einem Burger zu fragen, empfand er als Demütigung, als hätte er nach dem Weg fragen müssen. Unglaublich, wie sehr er sich nun erniedrigte. Das machte er jetzt auch nur für seine Ramona, seinen kleinen Hasenpups.

      Er fand endlich eine Verpackung mit der Kennzeichnung „

       Burger

      “ und wurde nun unsicher, denn der Hamburger war kalt und schwammig.

      „Sie müssen den Burger dort drüben in die Mikrowelle legen, auf den grünen Knopf drücken und dann wird er heiß und fettig.“, erklärte ein junges Mädchen, als Gustav Hilfe suchend alle Leute ansprach, als wäre er von einem fremden Stern. Er ging also zum Zubereitungsschrank der Automatenwand im Selbstbedienungsabteil der kleinen Raststätte.

      „Auf einer Raststätte sollte man rasten und nicht kreative Bastel- und Kochkurse ablegen müssen.“, schimpfte er.

      Gustav schob nun das weiche Päckchen mit dem Burger in das aufklappbare Fach und drückte den grünen Knopf.

      Dann lief heißer und schwarzer Kaffee in das Fach, über den kalten Burger und anschließend auf dem Boden.

      „Das ist der Kaffeeautomat, Sie Idiot!“, rief das junge Mädchen durch die Raststätte. Um Gustav herum brach Gelächter aus und die Bedienung kam zornig mit Wischlappen und Eimer angerannt.

      „Hat er die Mikrowelle mit dem Kaffeeautomaten verwechselt?“, fragte ein junger Mann, der ungläubig daneben stand. Das junge Mädchen nickte und verschränkte ihre Arme im Stile einer erbosten Lehrerin.

      Um halbwegs gestärkt aus dieser Szene herauszukommen, straffte Gustav seine Schultern, reckte sein Kinn hervor und sagte mit lauter und fester Stimme:

      „Das tut dem Hamburger aber gut und warm ist er jetzt auch!“