Gerhard Ebert

WOLLUST ACH - Uwe, der Student


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beste Sorte! Kriegen Sie hier gar nicht!“

      Damit drohte das Gespräch eine Wende zu nehmen, die Uwe gar nicht behagte. Zu schwer lag ihm noch im Magen, was er vorhin von dem Berliner am Tisch erfahren hatte. Daher schaute er so liebenswürdig drein wie möglich und sagte:

      „Entschuldigung, ich bin Nichtraucher, und möchte es eigentlich auch bleiben.“ Doch in eben dem Moment, als er das sagte, kam ihm eine, wie ihm schien, kühne Idee. Und er fügte hinzu: „Es sei denn, ich bekomme einen Kuss von Ihnen!“

      Sie nahm es locker und lachte. Ihre weichen Lippen schienen plötzlich so verführerisch, dass eine Schachtel Zigaretten nicht gereicht hätte, um sie voll auszukosten.

      „Bitte!“ sagte sie, neigte sich zu ihm und reichte ihm ihre Lippen.

      Uwe schoss das Blut in alle Gegenden. Er neigte sich zu ihr, erwartete eine innige, eine berauschende Begegnung. Sie aber ließ nur eine kurze, spitze Berührung zu. Uwe war arg enttäuscht, griff dennoch todesmutig nach einem Glimmstängel und zündete sich das Ding an. Nur keine Schwachheit spüren lassen! Schon beim ersten zaghaften Zug musste er husten. Aber was tut ein Mann nicht alles, wenn er scharf ist auf eine Frau. Und das war Uwe, so abgrundtief scheußlich er sich auch mit der Zigarette abquälte. Alles an dieser Fremden war so edel ebenmäßig, so wohlig angenehm, so versteckt verführerisch, dass er ihr verfiel. Er hatte solch ein verführerisches Weib noch nie erlebt. Auch ihre Kleidung war auf besondere Weise auffällig, sozusagen exzellentes Kunstgewerbe, Details in dezent rötlichem Farbton wunderbar aufeinander abgestimmt.

      Als Uwe nun ein zweites Mal Sekt bestellte, schien der Barkeeper wieder befremdlich zu blicken, aber Uwe wusste das nicht zu deuten. Und er wollte es auch nicht. Er war intensiv mit der Frage beschäftigt, wie dieser Frau näher zu kommen sei. Als er die Taille der Fremden griff, reagierte sie zurückhaltend, so dass er erst einmal wieder abließ.

      „Und warum sind Sie in Berlin?“ fragte sie jetzt.

      Aha, dachte Uwe, sie ist immerhin interessiert. Und obwohl er sich zunächst vorgenommen hatte, möglichst wenig mit seiner Person und seiner Tätigkeit zu renommieren, erzählte er nach dem zweiten Glas Sekt ausgiebig von Weimar Belvedere und seiner gegenwärtigen Mission in Berlin. Die Fremde hörte aufmerksam zu, und wurde derweil in den Augen von Uwe immer schöner. Wenn sie sich ihm zuneigte, um trotz des Lärms in der Bar alles zu verstehen, gestattete ihr Ausschnitt am Kleid einen scheuen Blick auf zwei offenbar feste sanfte Hügel. Wie konnte man denen näher kommen? Uwe hatte keine bessere Idee, als noch einmal Sekt zu bestellen. Obwohl klar war, dass damit sein Etat fast überfordert wurde. Die faszinierende Fremde nickte zustimmend, bat jedoch, sie erst einmal zu entschuldigen. Wogegen nichts einzuwenden war.

      Als der Barkeeper eilfertig und elegant die dritte Runde Sekt hinstellte, geschah das so betont, dass Uwe wieder ins Grübeln kam. Er hatte während des Studiums ein wenig dazu gelernt, was die Ausdeutung von Gesten und Mimik betraf. Aber hier wusste er sich keine Antwort. Er sah nur jetzt, wie der Barkeeper, obwohl an anderer Stelle sehr beschäftigt, immer mal wieder kurz zu Uwe blickte, und zwar so, dass der es möglichst nicht mitbekam.

      Nun wurde Uwe unruhig. Aber nicht wegen des Barkeepers, sondern weil die Fremde nicht zurückkam. Der Sekt wurde schon warm, aber sie kam nicht zurück. Wie viele Minuten verstrichen sein mochten, Uwe wusste es nicht. Er hatte nicht auf die Uhr geschaut. Und klar war längst, dass in der verstrichenen Zeit eine Notdurft schon mehrmals hätte verrichtet werden können. Jetzt hatte der Barkeeper Mitleid mit Uwe. Er trat hinterm Tresen so nah wie möglich heran und hielt seine flache Hand an den Mund, dass nur Uwe hören konnte, was er sagte:

      „Das ist eine Lesbe, Mann. Die macht das immer so!“

      Und damit ließ er Uwe in seiner maßlosen Verblüffung allein. Eine Lesbe? Was war jetzt eigentlich das? Mit so einem Frauenzimmer hatte er ja noch nie zu tun gehabt.

      „Zahlen bitte!“ war alles, was Uwe zu erwidern wusste. Der Barkeeper zuckte fast mitleidig mit den Schultern und blätterte hin, was übrig blieb von dem Schein.

      Wieder zurück am Tisch, an dem er gesessen, wartete der Kellner schon unruhig und war offensichtlich froh, dass Uwe kein Zechpreller war. Der neugierige Berliner, der ihn über die Situation in der Bar aufgeklärt hatte, freute sich auch über die Rückkehr. Er hatte ebenfalls nicht das rechte Weib gefunden und wandte sich gleich wieder redselig an Uwe:

      „Hier läuft heute nichts! Kommst Du mit zur Linienstraße? Vielleicht können wir eine Nutte aufreißen!“

      Uwe verschlug es erneut die Sprache. Wo war er denn hier hingeraten? So viel Unverfrorenheit war er nicht gewachsen.

      „Bin nicht gut bei Kasse! Schade!“ sagte er denn doch bedauernd. Wobei er sich im nämlichen Moment vornahm, alsbald abends nach dem Theater mal die Linienstraße lang zu spazieren. So etwas durfte man sich ja nicht entgehen lassen! Jetzt indessen zahlte er und trottete - wieder einmal mit arg wunder Seele - hinaus zur S-Bahn. Er hatte in der Dunckerstraße im Prenzlauer Berg ein bescheidenes Quartier bei Wirtin Nowack, die ab und zu Gäste vom Schiffbauerdamm-Theater beherbergte. Als er endlich im Bett lag, sann er verzweifelt, wie er sich entspannen könnte. Im fremden Laken durfte er keine Spuren hinterlassen. Aber unterm Teppich würde sich die Ladung wahrscheinlich gut verstecken lassen. Grotesk! Die Erinnerung an eine Lesbe verhalf ihm zu schneller Verrichtung.

      6.Das erotische Magazin

      Auf seiner S-Bahn-Fahrt morgens zum Theater und abends zurück nach Prenzlauer Berg musste Uwe in Gesundbrunnen umsteigen, und das lag in Westberlin. Der Bahnhof war zwar verdammt trist, aber dort gab es diverse Kioske, die noch spät abends neben Lebensmitteln, Obst und Gemüse Verlockendes boten, nämlich Zeitungen und bestimmte erotische Magazine. Uwe war gelegentlich schon neugierig stehen geblieben. Stets rumorte in ihm ein geradezu magisches Interesse, dem er allerdings bislang noch zu widerstehen gewusst hatte. Aber er wusste auch - es war nur eine Frage der Zeit, und er würde die Unkosten riskieren, würde sich solch ein Magazin mit Fotos von nackten Frauen kaufen.

      Eines Tages suchte er die Wechselstelle auf. Der Kurs war nicht eben günstig, aber was sich in ihm als ein Bedürfnis hochgeschaukelt hatte, war nicht mehr aufzuhalten. Er musste jetzt dieses Magazin kaufen! Schließlich war er nicht zuständig für das, was sich hier in Berlin an Irrsinn entwickelt hatte. Immer wieder hatte er gesehen, wie umsteigende Berliner vor allem Obst und Gemüse einkauften. Manchmal glaubte er zu erkennen, ob sie aus Ost- oder aus Westberlin stammten, aber meist blieb das offen. Es war kein gutes Gefühl, in solch anrüchiger Wechselstube zu stehen. Aber wie sonst sollte er an Westgeld kommen?

      Als Uwe wenig später das gewünschte Magazin in der Hand hielt, das ihm der Kiosk-Inhaber so selbstverständlich wie ein Bündel Mohrrüben gereicht hatte, wurde ihm erst einmal siedend heiß. Könnte er in eine Kontrolle geraten? Er hatte zwar noch nie eine gesehen, aber der Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Was er da jetzt besaß, war Pornographie. Und die war in seiner Heimat nicht gerade erlaubt. Er faltete das Exemplar, das im Übrigen viel dünner war, als vermutet, zu einem kleinen Bündel, das in die Hosentasche passte und begab sich zum Bahnsteig. Niemand schien ihn beobachtet zu haben. Noch einmal wurde ihm siedend heiß, als der S-Bahn-Zug im Bahnhof Schönhauser Allee hielt, der erste Station wieder im Osten. Normaler Betrieb, aus- und einsteigende Fahrgäste, keine Polizei, Weiterfahrt. Welche Aufregung wegen eines lumpigen, aber verdammt teuren Stücks Papier mit nackten Frauen!

      So schnell wie diesmal war er noch nie zur Dunckerstraße geeilt und dort im Haus die Treppen hoch zu seinem Quartier. Vorsorglich schloss er die Tür zum Zimmer ab, da Wirtin Nowack gelegentlich neugierig einen Besuch machte, wenn er nach Hause gekommen war. Dann faltete er das Magazin auf. Es war gerade einmal acht Seiten umfangreich, aber Seite für Seite gefüllt mit je einem Aktfoto einer wirklich attraktiven Schönen. Darunter, das hatte er schnell festgestellt, wenigstens drei, vier Mal das, was er für seinen Typ hielt: volle, wohlig runde Brüste und geile Schenkel. Die inneren Seiten ließen sich sogar auffalten, so dass auf praktisch vier Seiten ein ausgestreckt liegender Akt Platz gefunden hatte. Die Dame rekelte sich auf einer Decke und blickte verführerisch. Schon atmete Uwe heftig. So viel weibliche Nacktheit auf einmal hatte er noch