Gerhard Ebert

WOLLUST ACH - Uwe, der Student


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Schönheit, eine Göttin von Frau gewesen wäre! In solch einem Fall würde er sich vergessen! Aber Ellen? So attraktiv war sie nun auch wieder nicht! Wehmütig erinnerte sich Uwe, wie er als Jüngling urplötzlich geradezu unter Starkstrom zu stehen pflegte, wenn er eine Angebetete auch nur in der Ferne gesichtet hatte.

      Immerhin, resümierte Uwe letztlich mit gewisser Befriedigung: sein Penis war knochenhart steif geworden! Irgendwelche geheimnisvolle biologische Mechanismen hatten funktioniert. Das war letztlich doch ein positiver Effekt so nebenher. Seit dieser Nacht fochten Ellen und Uwe noch intensiver im Unterricht. Aber das war auch alles, was sich noch zwischen ihnen abspielte.

      5.Küsschen in der „Melodie“

      Uwe war vorgesehen für das Theater am Schiffbauerdamm! Mit Christa und Ursula sollte er in Berlin sein Berufspraktikum absolvieren, wobei Christa, weil von höherem Semester, als Leiterin der Gruppe vorgesehen war. Nun gut. Seitdem Frauen gleichberechtigt waren, durfte das kein Ärgernis sein. Christa war eine ganz nette Person, unter ihrem Kommando würde es wohl auszuhalten sein. Ursula hatte gelegentlich eine Art rechthaberisch zu sein, die Uwe nicht behagte, welcher man aber aus dem Wege gehen konnte, indem man ihr geschickt auswich. Beide Frauen hatte er im Übrigen bislang nie irgendwie im Sinne einer Annäherung ins Visier genommen. Und wenn, dann hätte er Christa vorgezogen; denn die sah nicht nur gut aus, die war auch von Statur sozusagen seine Kragenweite. Ursula war ihm einfach zu groß.

      So stand denn Uwe im Sommer 1951 mit den zwei Kommilitoninnen vorm Theater am Schiffbauerdamm. Nur kurz verharrten sie gewissermaßen in Ehrfurcht vor dem immerhin schon damals historischen Musentempel und schritten alsdann zur Begrüßung durch den Chefdramaturgen. Günther Ruschin höchstpersönlich empfing sie in seinem Büro. Der freundliche alte Herr erzählte zunächst kurz vom Theater, erläuterte sehr überzeugend den aktuellen Spielplan, fand die aktuelle Formalismus-Debatte arg übertrieben und wollte schließlich wissen, ob die jungen Gäste aus Weimar vom berühmten Theaterinstitut irgendwelche besondere Wünsche hätten. Wenn das nicht der Fall sei, werde er vorschlagen, wie er sich ein solches Praktikum vorstelle. Christa, die nun gefragt war, erklärte, was ihnen aufgetragen worden war, und das erwies sich als durchaus kongruent mit dem, was Herr Ruschin sich ausgedacht hatte.

      Uwe indessen hatte natürlich noch ein anderes Interesse, und das war, je nach Gemütslage, fast noch brennender. Nicht dass er sich das zur allerersten Aufgabe gemacht hätte, aber vorgenommen hatte er sich das schon: Nämlich endlich einmal bei einer Frau richtig zum Zuge zu kommen. Und in der Hauptstadt müsste das doch eigentlich leichter sein als irgendwo sonst im Lande.

      Sehr bald hatte Uwe herausgefunden, dass sich nur wenige Schritte und um nur einige Ecken entfernt vom Theater im Keller des Friedrichstadtpalastes ein respektables Tanzlokal befand. Dorthin, in die „Melodie“, zog es ihn nach den Vorstellungen, wenn nicht noch irgendeine Verpflichtung zu absolvieren war. Zu der Tageszeit, zu der er dort aufzukreuzen pflegte, war es daher grundsätzlich schon rappelvoll und nur schwer Platz zu kriegen. Meist fand er sich ziemlich abgemeldet in einer Ecke wieder, von wo aus nur sehr erschwert beim Beginn einer Tanzrunde an eine Tänzerin heranzukommen war. Die Schönen, für die er ein Auge hatte, waren dann meist schon vergeben für den Abend. Aber Uwe gab nicht auf, schließlich ist man nicht alle Tage in Berlin.

      Die Lage in der „Melodie“ war noch aus anderem Grund höchst ungünstig für einen wie ihn, der aus der „Zone“ kam. Uwe war das zunächst gar nicht aufgefallen, aber eines Abends war er an einen Tisch geraten, wo ihn ein neugieriger Einheimischer in ein Gespräch verwickelte. Der Berliner machte Uwe darauf aufmerksam, dass es grundsätzlich nicht ratsam sei, Damen zum Tanz zu bitten, die an einem Tisch sitzen, wo Wein getrunken wird. Dort säßen nämlich in der Regel Westberliner, die aufgrund des aktuellen Umtauschkurses hier wie die Fürsten leben könnten, und Westberlinerinnen würden einem „Zoni“ fast immer die kalte Schulter zeigen. Wenn er Erfolg haben wolle, müsse er sich Weiber suchen, die bei einem Bier oder bei einer Selters sitzen. Die nämlich kämen meist aus dem Ostsektor. Obwohl, auch die seien schwierig, denn die seien in der Regel auf einen Westberliner scharf; weil der einfach immer gut bei Kasse sei. Uwe verschlug es den Atem.

      „Das ist ja der Hammer!“ stöhnte er geradezu.

      „Ja, wir sind angeschmiert!“ sagte der Fremde, lachte und klopfte Uwe herzhaft auf die Schulter. „Nur nicht den Mut verlieren! Irgendeine Schlampe findet sich immer.“

      Solch Berliner Optimismus lag Uwe fern. Merklich verunsichert, aber trotzig spurtete er immer wieder los, wenn die Kapelle aufspielte. Auf die Schnelle sowohl auf die Situation am Tisch als auch auf das Aussehen der Damen zu achten, die am Tisch saßen, erforderte die Anspannung aller Sinne. Nachdem er sich zwei Körbe geholt hatte und drei Frauenzimmer, die sich als zu groß, zu dick oder zu doof entpuppten, geriet er an eine Blonde, die wenigstens locker und anschmiegsam tanzte. Sie ließ sich gut führen und war von aparter Gestalt. Uwe registrierte es mit Befriedigung. Und was sogar ausgesprochen erfreulich war: Sie erwies sich als nicht maulfaul, sondern als ein recht kluges Mädchen. Wenn er sie anschaute, blickte er in hellblaue Augen, die seinem Blick nicht auswischen, sondern ihn aushielten. Das war aufregend, weil neu für Uwe; hatte er sich doch vorgenommen, dem Blick einer Frau standzuhalten. Und diese anschmiegsame Tänzerin ließ sich sogar für einen nächsten Tanz vorbestellen! Lag das daran, dass er ihr verraten hatte, was er studierte? Oder nur daran, dass er ein patenter Tänzer war?

      Als Uwe die blonde Entdeckung zur nächsten Runde holte, fiel ihm die weiche, harmonische Art ihrer Bewegungen auf, auch ihre durchweg sehr aufrechte Haltung. Ihm gefiel das. Beim Walzer dann gab sie sich launig dem Schwung hin, schmiegte sich gleichsam in den Tanz, neigte ihren Kopf und lachte Uwe an, als seien sie schon lange sehr vertraut miteinander. Sein Gefühlshaushalt geriet durcheinander. Ihm war klar, dass eine Situation entstanden war, die er auszunutzen versuchen musste. Beim folgenden langsamen Walzer, bei dem sich die Fremde erfreulich sanft an ihn schmiegte, wagte Uwe die Frage:

      „Darf ich Sie zu einem Schluck an die Bar einladen?“

      Sie sagte nicht ja, aber sie sagte auch nicht nein. Sie blickte ihn so durchdringend an, dass er den Blick nicht aushielt. Auf einmal schien ihm die Frau irgendwie geheimnisvoll. Er zog die Fremde kräftiger zu sich heran und sagte:

      „Bitte, auf einen Schluck!“

      „Wenn es denn sein muss!“

      Jetzt kam die Antwort prompt, und Uwe atmete auf.

      An die Bar kamen sie zum Glück gerade in einem Moment, in dem ein Paar die Hocker verließ. Der Barkeeper empfing sie geschäftig mit kurzem Gruß, aber mit einem durchdringenden Blick auf sie beide, den Uwe für den Bruchteil einer Sekunde wahrnahm als eine Idee zu aufdringlich. Der Barkeeper hatte blitzschnell von der Fremden zu Uwe geblickt, als sei er überrascht über das Paar. Doch Uwe hatte nicht Zeit, seinen Eindruck weiter zu analysieren. Der Barkeeper erwartete bereits eine Bestellung. Die Fremde war mit einem Glas sowjetischem Sekt einverstanden.

      Schon sah sich Uwe wieder einmal in der Defensive. Welch Thema, um Himmels willen, musste er jetzt anzetteln, um bei dieser Frau in die Offensive zu kommen? Ungewollt lieferte sie ihm den Gesprächsstoff. Sie hatte sich nämlich eine Zigarette genommen und die Streichholzschachtel erst einmal auf dem Tresen platziert. Sie wollte, das war klar, dass er ihr Feuer gibt. Solch indirekte, aber recht eigentlich deutliche Herausforderung ließ sich in alle mögliche Richtungen auslegen, etwa bis auf „feurige“ Attacke im Bett. Uwe entschloss sich aber, die Sache möglichst souverän anzugehen, was für ihn hieß, sich als Nichtraucher zu exponieren.

      „Darf ich Ihnen Feuer geben?“ fragte er und griff nach den Streichhölzern. Und schon präsentierte sie ihm die Zigarette. Artig hielt er die Flamme hoch, damit sie sich nicht etwa weh tat.

      „Eigentlich habe ich das nicht gerade gern getan“, holte er nun zur Debatte aus. „Rauchen ist nicht eben gesund. In der Oberschule hatte ich einen Lateinlehrer, mit dem ich eigentlich auf Kriegsfuß stand, weil er sich uns gegenüber wie ein ehemaliger Militär benahm, aber in dem Punkt - er riet uns immer ab, mit dem Rauchen anzufangen. Auch in Gesellschaft könne man gut bestehen, wenn man nicht rauche.“

      „Ach,