Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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sie sich nervös in ihrem Bett hin und her wälzte, also kapitulierte sie und verzichtete auf den Schlaf, der ihr sicherlich gut getan hätte. Von Neugierde ergriffen stellte sie sich noch einmal ins Badezimmer und betrachtete sich einen Moment lang, das Handtuch fest um ihre Haare geschlungen. „Spieglein, Spieglein an der Wand, ist mein Haar zurecht galant?“, witzelte sie mit breitem Lächeln, als sie das Handtuch abnahm. „Galant ist euer Busen hier, schwarz wie die Nacht das Hauptquartier!“ Bei der „Antwort“ des Spiegels hatte Valy die Stimme verstellt und einen tiefen Ton gewählt. Jetzt inspizierte sie die Farbe genau. Trotz allem Humor, inspiriert von Schneewittchen oder sonstigen Fantasievorstellungen, musste sie zugeben, ihren natürlichen Typ in den Schatten gestellt zu haben. Und dieser Schatten drückte sich wortwörtlich auf ihrem Kopf aus. Valetta schlug die Hände vors Gesicht und bereute ihr Werk, als sie die Augen aufriss und immer noch nicht glauben konnte, wie kontrastreich die dunkle Mähne zu ihrer Haut und den Augen wirkte. Dennoch hatte sie sich schnell wieder gefangen, weil sie keine Reue zulassen wollte. Es wäre gelogen gewesen, zu behaupten, die Färbung könnte nicht rückgängig gemacht werden, aber sie wusste von Casmilda , wie schwierig sich diese Prozedur darstellte. Also versuchte sie sich, damit abzufinden und erinnerte sich gleichzeitig an ihr Vorhaben, den Gewinn durch Verlust auszuleben.

      Einige Stunden später kamen Casmilda und Conny von der Arbeit nachhause. Casmy sah das Schild und grübelte darüber nach, was es wohl zu bedeuten hatte. Auch für sie war es nicht einfach, ihre liebe Freundin Valetta seit zwei Wochen nicht mehr gesehen zu haben. Cornelia wohnte einen Häuserblock weiter und hatte ein richtiges Problem mit Lesbismus. Im Allgemeinen konnte sie der Homosexualität nichts abgewinnen, sondern verabscheute sie. Ihre Mutter und ihr Vater hatten ihr eingebläut, Menschen, die die Form der gleichgeschlechtlichen Liebe auslebten seien des Teufels Sünder. Conny hatte diesen Glauben übernommen, ohne ihn großartig zu hinterfragen. Eines Tages hatte Cornelia Casmilda von dieser Überzeugung erzählt. Aber diese konnte solch lächerlichen Einstellungen nichts abgewinnen, und lachte nur.

      Sie klopfte um halb 8 Uhr abends fest an Valettas Tür, weil sie das „Bitte nicht stören“-Schild irritierte, außerdem musste einer von den beiden das Schweigen brechen. Hätte sie der Sex mit Valetta nicht so durcheinandergebracht, wäre sie schon viel früher auf sie zugegangen. „Lass' mich in Ruhe, ich bin krank, tut mir leid!“, ertönte Valys heißere Stimme von drinnen. Das war natürlich nur die halbe Wahrheit, es ging ihr körperlich wieder ein wenig besser, doch Casmys Klopfen erinnerte sie daran, ein sich selbst auferlegtes Liebesgeständnis ablegen zu wollen, was Valetta nervös und verlegen machte. Aber Casmilda ließ sich nicht abwimmeln. Valy verhielt sich in ihren Augen ziemlich seltsam.

      Also versuchte sie es erneut: „Lass’ mich bitte rein, Süße!“

      Da vernahm sie laute Schritte innerhalb der Wohnung. Plötzlich sprang die Tür auf. Casmilda wich erschrocken einen Schritt zurück, als sie mitten im Satz innehielt. Valetta wirkte ziemlich wütend, als sie die Türe nur einen Spalt offen hielt und ihre zornigen Augen, sowie ein Teil ihres schwarzen Haarschopfes hervorlugten. Casmilda rieb sich die Augen, um glauben zu können, was sie da sah. Valy hatte tatsächlich schwarzes Haar. Um sie nicht noch mehr zu verärgern, ersparte sie sich den Kommentar, Valetta würde wie eine Leiche aussehen. Diese bedeutete der Besucherin, hereinzukommen und knallte die Tür hinter ihnen zu. Als sie sich gesetzt hatten, schrie Valy Casmy ins Gesicht: „Pass’ auf, wen du hier Süße nennst, wir sind kein Paar!“ Dabei fuchtelte sie mit starr ausgestrecktem Zeigefinger vor Casmildas Gesicht herum, die erschrocken ihren Kopf einzog. Ihre Blicke funkelten böse, ihr Mund war zu einer schmalen Linie verzogen, und die schwarze Mähne unterstrich die Dominanz ihrer Worte. Verwirrt saß Casmilda da, und starrte Valetta in die Augen. Sie schwieg einfach, und schob sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Als sie sie früher Süße genannt hatte, war das vollkommen in Ordnung gewesen. Aber „früher“ bezeichnete die Zeitspanne vor dem sexuellen Ereignis der beiden jungen Frauen. Sollte ein Zusammenhang bestehen? Schließlich schob sie ihre Nervosität beiseite, weil sie ihrem Erachten nach keinen Grund hatte, aufgeregt zu sein, nur weil Valy schlecht gelaunt war. „Was soll das Schild an der Tür ?“, fragte Casmy in ein wenig gereizt.

      „Ich bin krank, das kannst du glauben oder auch nicht.“ Casmilda entschied sich für die Fifty-Fifty-Variante, weil Valetta abgesehen von ihrer heißeren Stimme keine Krankheitsanzeichen aufzuweisen schien. Aber Casmy war keine Ärztin . „Gut, dann hole ich dir mal einen Fiebermesser und lasse dich danach wieder alleine.“ Valetta reagierte mit einem leisen “gut, mach' das!“, sagte jedoch ansonsten kein Wort.

      Casmilda erhob sich seufzend mit schüttelndem Kopf, holte das Thermometer aus ihrer Wohnung und gab es Valy. Diese bedankte sich nur mit einem stummen Nicken. Der Messpegel zeigte 39,2 Grad, und Casmy wollte ihre Freundin nicht länger stören. Offensichtlich wollte Valetta nur ihre kurierende Ruhe haben, und mit niemandem sprechen. Welche Laus ihr über die Leber gelaufen war, konnte die Friseuse beim besten Willen nicht erahnen. Valetta hatte ihre speziellen Tage, an denen sie in ihrer Freizeit absolut keinen Kontakt zur Außenwelt pflegen wollte , egal ob sie Fieber hatte oder nicht. Nach einer Ruhepause würde sie sich schon bei Casmilda melden. Obwohl sie versuchte, die Situation hinzunehmen, wie sie beschaffen war, weil sie wusste, dass gewisse Dinge Akzeptanz verdienten, auch wenn ihr Verständnis hierfür ausblieb, fügte sie in verärgertem Ton hinzu: „Wir haben uns zwei Wochen lang nicht gesehen. Ich bin schon sehr gespannt, wie du mir erklären wirst, warum du mich nach diesen 14 Tagen bei einem Wiedersehen derart hartherzig entgegenkommst. Und erzähle mir bitte nicht, es lege an deiner erhöhten Temperatur“, sagte Casmy und verdrehte genervt die Augen. Valetta schwieg und hielt die Arme um ihren Körper geschlungen. Sie erwiderte Casmildas starren Blick nicht, als sie sie zur Rede stellte. Casmy nahm ihre Handtasche und ging schnellen Schrittes zur Tür, die sie wütend mit voller Wucht zuknallte. Als sie den Schlüssel ins Schloss ihrer Wohnung steckte, kam es ihr so vor, als würde sie aus Valys Wohnung klagende Geräusche wahrnehmen. Doch das war vollkommen unmöglich. Valetta schluchzte prinzipiell nicht in höchsten Tönen, und abgesehen davon sehr selten. Deswegen hatte es sie umso mehr überrascht, als sie vor kurzem Valys Kopf an ihrer Schulter bettete, und sie sich ausweinte. Nur das darauffolgende Sexspiel hatte sie verdrängt. Leise schlich sie vor die Tür ihrer Freundin zurück und lauschte aufmerksam.

      Casmildas Gehör war vollkommen in Ordnung. Valetta weinte, doch das Geräusch ließ annehmen, dass die Tränen in ihre Kissen tropften, weil ihr Schluchzen einen verhaltenen Unterton mitschwingen ließ. Hilflos wandte sich Casmy ab und ging in ihre Wohnung.

      Valy versank in Selbstmitleid und Selbstvorwürfen, als sie sich ihren Tränen hingab. Casmilda hatte keinen Ton zu Valys neuer Haarfarbe gesagt. War ihr das Leben ihrer Freundin egal? Was war los? Wenigstens irgendeinen Kommentar hätte sie abgeben können. Und sie hatte ursprünglich vorgehabt, Casmy ihre Gefühle zu offenbaren. Andererseits waren Casmilda nicht viele Möglichkeiten offen geblieben, irgendetwas zu sagen, weil Valy sie mit ihrer aggressiven Art zurückgewiesen hatte. Und das nur aus Angst, Casmilda könnte ihre Gefühle nicht erwidern. Es tat ihr nun von Herzen leid. Casmy konnte davon nichts wissen. Sie würde glauben, Valy hätte, wie sonst auch, ihre typischen Wutanfälle, die dann wieder vorübergingen. Aber jeder Anfall hatte seinen Grund. Die Frage ihrer beiden englischen Freundinnen tauchte erneut als Erinnerung in ihrem Bewusstsein auf: „Wie reagierst du, wenn sie dich des Öfteren umarmen möchte, falls ihr euch für eine Partnerschaft entscheidet?“ Valetta überkam eine erneute Welle von Schuldgefühlen: sie hatte die Person, die sie von Herzen gern hatte, vor wenigen Minuten vollkommen respektlos behandelt, obwohl sie sich ihr gegenüber zu tiefstem Dank für ihre Treue in ihrer Freundschaft verpflichtet fühlte. Mit diesen destruktiven Gefühlen im Herzen sank sie erneut in einen tiefen Schlaf.

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