Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


Скачать книгу

ihr dies schonend beibringen könnte. Darüber hinaus hoffte sie verzweifelt auf eine Erwiderung ihrer Gefühle. Dieses innere Chaos hatte sie dazu veranlasst, sich seit dem letzten Treffen bei Casmy nicht mehr zu melden. Auch diese wahrte die Distanz zwischen ihnen. Jene Haltung konnte Valy ihrer Freundin jedoch nicht verübeln, nachdem sie sie das letzte Mal mit solch scharfen Worten der Aggression konfrontiert hatte. Sie möge sich bloß nicht einbilden, aus diesem Techtelmechtel würde sich eine Liebesbeziehung entwickeln, hatte sie ihr zugeraunt, doch sie spürte ironischerweise in diesem Moment bereits ihre eigenen herzenswarmen Gefühle für Casmilda aufkeimen.

      Ihre Freundinnen Sharna und Mel‘, 2 gebürtige Engländerinnen, die seit geraumer Zeit ein Liebespaar waren, hatten ihr im Woman's Secret geholfen, ihren Frust bezüglich Casmy in Wodka Orange oder Bacardi Cola zu ertränken. Inwiefern dieser Zug hilfreich war, sei dahingestellt, dachte Valetta im Nachhinein bitter. Sie setzte sich auf ihr Bett und raufte sich die Haare, während sie den Kater ihres Alkoholkonsums wahrnahm und versuchte, die Erinnerungsstücke des Vorabends zusammenzuflicken.

      Sie hatte sich mit Sharna und Mel um 23 Uhr in der Bar verabredet und ihnen nach dem Ritual der Begrüßungsküsschen bei einigen Drinks ihr Herz ausgeschüttet. Sie saßen an einem Ecktisch. Als sie von der Freundschaft zwischen ihr und Casmy sowie dem sexuellen Erlebnis berichtet hatte, machte sie eine Atempause, wobei sie bemerkte, dass ihr Herzschlag in die Höhe geschnellt war und der Alkohol seine Wirkung tat.

      „Du solltest ihr wirklich sagen, was du für sie feelst!“, hatte Sharna angemerkt, die es witzig fand, die englische mit der deutschen Sprache zu mischen. Mehr fiel ihr dazu vorerst nicht ein.

      Valy geduldete sich und blickte abwartend in das lächelnde Gesicht ihrer Freundin, weil sie glaubte, noch ein paar Ratschläge zu erhalten. Nachdem sich diese Erwartung als Zeitverschwendung herausstellte, ergriff sie selbst wieder das Wort. „Und wie wird sie darauf wohl reagieren?“, fragte sie verärgert und zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe Angst, dass sie sich nach diesem Geständnis von mir abwenden wird. Warum habe ich mich eigentlich so plötzlich von einem Tag auf den anderen in sie verliebt, kann mir das bitte jemand sagen? Wie kann ein sexueller Akt die Gefühle eines Menschen nur derart verändern? Ich verstehe mich selbst nicht mehr,“ meinte Valy, und klopfte fest mit der Faust auf den Tisch. Sie zündete sich eine Zigarette an, leerte ihr Getränk in einem Zug und bestellte ein neues. Wieder verhielten sich Sharna und Mel äußerst wortkarg. Valys Wut über die Situation, in die sie sich selbst gebracht hatte, trug nicht unbedingt zu deren Kommunikationsbereitschaft bei. Sharna und Mel nippten an ihren Drinks und beobachteten die hübschen Exemplare der weiblichen Gattung an der Bar. Somit erhob Valetta die Stimme, um die Aufmerksamkeit der beiden erneut auf sich zu ziehen. Und es funktionierte.

      „Hört mir bitte einen Moment lang aufmerksam zu. Seitdem ich mit Casmilda geschlafen habe, sind meine Gefühle für sie viel intensiver als vor dem sexuellen Akt. Bin ich vielleicht oberflächlich und nur in ihren Körper verliebt? Nein, das kann nicht sein, es scheint mir eher so, als würde ich sie nun viel besser kennen.“ Ihr Blick wanderte fragend zu ihren Freundinnen, die jedoch nur mit großen Augen ihre gänzliche Aufmerksamkeit ausdrückten. „Wir haben schon so vieles miteinander geteilt, was unseren emotionalen und geistigen Ausdruck anbelangt, und uns nun auch sexuell ausgetauscht“, fuhr sie fort. Selbstzufrieden mit dieser Analyse ihrer Gefühle stand sie auf und stemmte die Hände in die Hüften. Durch ihre Selbstsicherheit, die ihr der Alkohol und das Wissen über ihre Empfindungen vermittelten, wurde ihr erneut die Eindeutigkeit der Konzentration ihrer Freundinnen auf Valys Worte bewusst. Überrascht blickten sie sie an, erwartungsvoll, so als wollten sie wissen, was als nächstes käme. Valetta genoss sichtlich ihren Mittelpunkt, was sich in ihrer glatten Stirnpartie ausdrückte, die normalerweise des Öfteren in Falten gelegt war, und sagte: “Als wir uns leidenschaftlich unserer Ekstase hingaben, erlebten wir auch intensive Augenblicke der Zärtlichkeit, und ihr wisst ja, wie wichtig ich prinzipiell eine gewisse Grobheit und Dominanz bei meinen sexuellen Akten definiere. Umso überraschender empfand ich das plötzliche Interesse meinerseits, ihr meine sanfte Seite zu zeigen, die ich selbst noch nicht sonderlich genau kenne.“ Sie hielt inne und dämpfte ihre Zigarette aus. Dann sprach sie weiter: „Mir erscheint unser gemeinsamer Sex wie eine Vervollkommnung unserer platonischen Liebe, die sich dadurch in Richtung Partnerschaft bewegt. Aber wenn sie das anders, sich diesem eventuellen Geständnis nicht gewachsen sieht, wird sie mich möglicherweise ablehnen, vielleicht sogar den Kontakt zu mir generell meiden wollen, und das wäre sehr traurig.“

      Sie setzte sich wieder, um Sharna und Mel nicht ein Gefühl der Minderwertigkeit zu vermitteln, die während ihres Gespräches die ganze Zeit sitzen geblieben waren. Schließlich meldete sich Mel zu Wort. „Wie steht es eigentlich um ihre Gefühle zu ihrem Arbeitskollegen, von dem du uns neulich erzählt hast? Sie scheint nicht genau zu wissen, was sie will“, bemerkte sie mit ernster, und leicht abfälliger Miene. „Einerseits schwärmt sie für Marco, andererseits genießt sie den Sex mit dir und sorgt damit für vergebliche Hoffnungen in deinem Herzen. Gut, sie konnte ja nicht wissen, was die Konsequenz dieser Liebelei sein würde. Vielleicht hat sie es einfach nur aus Neugierde getan“, beendete sie ihren Kommentar, und lehnte sich gemütlich in ihrem Sessel zurück, so als hätten diese Worte ihren Sprachwerkzeugen eine enorme Anstrengung abverlangt. Valetta verdrehte genervt die Augen, weil sie den Aspekt, ein Objekt der Neugierde für Casmilda zu sein, nicht so gerne in Anbetracht ziehen wollte. Bei der Vorstellung, Marco und Casmilda könnten sich zu einem glücklichen Liebespaar vereinen, nahm sie einen weiteren großen Schluck ihres hochprozentigen Gesöffs, wobei sie darauf achten musste, mit ihren wutentbrannten Fingern das dünnwandige Glas nicht zu zerdrücken. Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann kam ihr ein Geistesblitz.

      „Wisst ihr, ich glaube, das Beste ist, wenn ich ihr einfach klar und deutlich sage, was ich für sie empfinde, deinem Ratschlag folgend, Sharna“, erwiderte sie. „ Dann weiß ich wenigstens, woran ich bin. Habt ihr schon einmal daran gedacht, dass sie vielleicht auch in mich verliebt sein könnte? Vielleicht hat sie sich nicht mehr bei mir gemeldet, weil ihr gerade klar wird, was sie für mich empfindet, und diese Neuartigkeit ihrer Gefühle erschreckt sie ein wenig. Sie ist außerdem nicht der Typ Mensch, der sich einfach nur aus Neugierde einem sexuellen Akt hingibt. So gut glaube ich sie zu kennen“, sagte sie mit Nachdruck.

      „Ich empfinde ihr gegenüber eine tiefe Zuneigung“, fügte sie hinzu. Dabei lächelte sie verträumt und nahm einen großen Schluck Bacardi Cola, um ihre Glückshormone um ein weiteres anzuregen, da sie die Vorstellung der Verliebtheit und auch deren Erwiderung in euphorische Sphären verleitete.

      Sharna und Mel blickten einander verdattert an. Was hatte Valetta gerade gesagt? Hatte sie über Gefühle gesprochen? Die drei Frauen kannten einander bereits zwei Jahre, jedoch hatte Valy das Wort Gefühle oder Empfindungen noch nie zuvor im Zusammenhang mit einem verträumten Augenaufschlag oder sanften Lächeln erwähnt, wenn sie über ihre Beziehungen sprach. Sie meinte es scheinbar wirklich ernst. Sharna und Mel warfen einander ein wissendes Augenzwinkern zu. Falls Casmy und Valy tatsächlich ein Paar würden, müssten sie sich warm anziehen, da Valetta bis jetzt gegenüber ihren Partnerinnen meist heftige Aggressionen empfand, weil sie mit wahren, aufrichtigen Gefühlen nicht gut umgehen konnte. Die aufrichtigen Empfindungen für Casmy würden dementsprechend wahre Vulkane der Wut in ihr auslösen. Ihre beiden englischen Freundinnen waren in solchen Fällen immer diejenigen gewesen, die Valettas heftige Gefühlsausbrüche beruhigen sollten. Doch solange das Beziehungsglück ihrer Freundin bestärkt würde, sollten sie sich nicht allzu viele Sorgen machen. Sie meinten, Valetta würde als Partnerin in gewisser Weise sehr gute Beziehungsqualitäten aufweisen, wenn man ihre raue Art außer Acht ließ. Sie war hübsch mit ihren blauen großen Augen und den naturblonden Haaren, dem schlanken Körper, sowie den vollen Brüsten. Außerdem sorgte ihre direkte Art in der Kommunikation für Klarheit. Sharna und Mel pflegten des Öfteren oberflächliche Konversation mit lesbischen Frauen, daher wussten sie auch um deren typische, sich selbst bestätigende Klischees Bescheid, die sich anhand eines Kurzhaarschnitts, typisch männlichen Gesten sowie einer verstellten, tiefen Stimme darstellten. Valetta dagegen wirkte wie eine klassifizierte, natürliche Frau, da ihre betont feminine Gangart, bei der ihre sexy Hüften geschmeidig hin - und herwippten, sowie ihre langen Wimpern und der sinnliche Mund sich als klares Zeichen reiner Weiblichkeit ausdrückten, die sie in keinster Weise