Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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ihrer Kundin vorsichtig ab, wobei diese wie immer Rufe des Leidens von sich gab, unabhängig davon, wie vorsichtig sie mit dem Handtuch abgetupft wurde, und schnappte sich ihre Schere, um einen erstklassigen Schnitt zu kreieren, wie sie sich fest vornahm.

      Herrn Larcy Biskmer blieben die Klagen der Kunden nicht verborgen. Er kannte sie wie seine Westentasche, da er ein guter Beobachter war, und obwohl er wusste, wie snobistisch und pingelig die Gesellschaft des ersten Bezirks sein konnte, merkte er, dass sie sich an diesem Tag teilweise wirklich unruhiger als sonst verhielten. Trotz seines männlichen Geschlechts besaß er eine zu bewundernde, stark ausgeprägte Multitasking-Fähigkeit. Er konnte am Geschäftstelefon hängen und gleichzeitig Farbe auftragen, sowie nebenbei registrieren, was im Salon vor sich ging, um ein Beispiel zu nennen.

      Sein Geduldsfaden riss schließlich, er hatte sich dieses Gezeter seit 10 Uhr morgens zu Gemüte geführt.

      „Was ist heute nur mit meinem Personal los?“, fragte er mit friedlichem Ton aufgrund der Kundenanwesenheit, jedoch ernteten Conny und Casmy durchdringende, klare Blicke. Die beiden Stylistinnen verstummten blitzartig, und trauten sich nicht einmal mehr mit den Kunden über das Wetter zu plaudern.

      Ich habe meine Mitarbeiter unter Kontrolle, dachte Herr Larcy zufrieden, womit er Recht hatte. Sein strenger Mund verzog sich zu einem Grinsen, als er die langen Haare von Frau Nümsenschleus weiter zu einer exakten Banane aufsteckte. Letztendlich verließen alle Besucher zufrieden den Salon, das hohe Trinkgeld ließ an dieser Zufriedenheit keinen Zweifel aufkommen.

      Der Nachmittag verlief ziemlich rasch. Dann war der große Moment für Cornelia gekommen. Pünktlich um 18:30 betrat Daniel den Salon.

      Sie hatte ihn schon durch die glasklare Scheibe des Schaufensters hindurch bemerkt, als er etwa zwei Meter von der Eingangstüre des Geschäftes entfernt war, und fühlte sich, als würde ihr die Galle aufsteigen, sobald ihre geweiteten Augen seine Präsenz wahrnahmen. Zorn machte sich in ihrem Magen breit. Dann atmete sie tief durch, ging zu ihm, begrüßte ihn mit einem kurzen Handschlag und einem kühlen Lächeln.

      Sie bot ihm einen Fensterplatz an, als er sich errötend setzte.

      „Möchtest du gerne etwas trinken?“, fragte sie mit zuckersüßem Unterton.

      „Ja bitte, einen Kaffee mit Milch und Zucker, und ein Glas Wasser dazu!“ stammelte Daniel verlegen und schuldbewusst, als er sich verlegen am Hinterkopf kratzte. Immerhin hatte er sie vor kurzem sitzen gelassen.

      Er hatte beide Hände gesenkten Hauptes in den Schoß gelegt, so als wäre er ein kleiner Junge, dem man vor kurzem erklärt hatte, dass er bei Rot nicht über die Straße gehen dürfe. Sie brachte den Kaffee und das Wasser, während sie ihn mit einem bösen Blick auf seinen Hinterkopf bedachte. „Rein zufällig“ verschüttete sie dabei das Wasser auf Daniels Hose. Dieser schreckte kurz auf. Er sah aus, als hätte er sich angepinkelt. Das unterstrich natürlich den Eindruck des kleinen Jungen um ein Weiteres.. Cornelia führte einen inneren Freudentanz der Rache auf.

      „Oh nein, wie ungeschickt von mir, tut mir leid!“ beteuerte sie mit theatralischer Stimme ihr aufgesetztes Mitgefühl, und setzte dabei wieder ihr künstliches Lächeln auf, wobei ihre Augen ihren Hass nicht zu kaschieren vermochten. Ihr Kunde und Exfreund verzog enttäuscht und verletzt den Mund, als er traurig in den Spiegel blickte und ein leises „macht nichts“ hinzufügte. Sie scheint wirklich wütend zu sein, dachte er bei sich. So hatte er sie in den 3 Wochen ihrer Bekanntschaft nie erlebt. Nun, was lässt sich schon in drei Wochen großartig ausrichten? Sie wussten schließlich nicht viel voneinander.

      „Wollen wir die Haare vor dem Schneiden waschen?“, fragte sie. „Eine Kopfmassage tut jedem gut.“

      Ihr tiefer Ausschnitt verleitete Daniel einen kurzen Moment lang dazu, lüsterne Blicke zu erzeugen, woraufhin Conny nur noch wütender wurde. Als er ihr Gesicht im Spiegel sah, die hochgezogenen Brauen und Lippen, die eine schmale Linie bildeten, blickte er sofort mit großen Augen wieder zu ihr auf.

      Und so jemand hätte mein großer Bruder sein können?, fragte sich Conny belustigend. Ihre psychologische Analyse über Daniel war wohl nach hinten losgegangen. Die Sache hatte jedoch auch ihr Gutes, denn der junge Mann würde fortan, wenn er klug war, stets mit dem Gesicht einer Frau sprechen, wenn Gespräche die passende Thematik beschrieben, statt mit ihrem Busen, zumindest wünschte Conny ihm das Verständnis dieser Lektion. Natürlich hatte sie sich an diesem Tag ganz bewusst ein Top ausgesucht, das ihre pralle Oberweite gut zur Geltung kommen ließ, um Daniel zu testen. Sie fragte sich, ob er in ihr vielleicht doch nur ein Sexobjekt gesehen hatte. Der Bäcker konzentrierte sich verkrampft auf die einfache Frage, die ihm gestellt worden war, doch für ihn gab es in diesem Moment weit wichtigere Dinge zu besprechen als eine Haarwäsche. Er war gekommen, um Conny zurückzuerobern.

      „Äh, ja, aber, was ich gerne sagen wollte…“, doch da ging Cornelia schon koketten Schrittes zum Waschplatz und wartete auf ihn. Er ließ nicht viel Zeit vergehen. Es gefiel ihr, dass sie ihn in der Hand hatte.

      Mit lässigen Körperbewegungen drehte sie den Wasserhahn auf, testete jedoch die unangenehme Temperatur bewusst nicht an ihrem Handgelenk.

      „Au, ist das heiß!“

      Daniel warf den Kopf nach vorne, sodass das Wasser auf den Boden plätscherte .Conny hatte ihn absichtlich verbrüht. Ein vorsichtiges „Entschuldige, bitte“ kam ihr über die Lippen. Daniel war knapp davor, aufzuspringen, und den Laden zu verlassen, doch dann dachte er wieder an das Gespräch, das er mit Conny führen wollte. Zu diesem Zeitpunkt war Herr Larcy gerade mit seinem Hund spazieren gegangen, damit dieser sein Geschäft verrichten konnte. Gott sei Dank, hätte er erlebt, wie die junge Friseuse mit ihrem Kunden umging, hätte er sie wohl entlassen.

      „Bitte nicht so kalt!“

      Auch für die eisige Temperatur sorgte Conny mit Absicht. Sie bediente den Regler, wie es ihr gerade in den Sinn kam. Dabei dachte sie keinen Moment lang an Daniels Gefühle, weder an seine körperlichen noch seine seelischen Empfindungen, auch seine Prioritäten als Kunde waren ihr völlig einerlei. Als die grobe, bewusst unangenehme Kopfmassage beendet war, und sie den Schaum des Shampoos abgespült hatte, fühlte sich Daniel wie neu geboren – in der Hölle der Rache seiner Ex-Freundin. Während der Massage hatte sie sich genau durch den Kopf gehen lassen, wie es sich angefühlt hatte, als Danny mit ihr am Telefon Schluss gemacht hatte. Sie empfand diese Art von Beendigung eines Kontaktes als ziemlich unreif, obwohl sie tief in ihrem Inneren wusste, wie unüberlegt und dumm sie selbst in diesem Moment handelte. Casmilda beobachtete ihre Kollegin mit kaum merklichem Kopfschütteln, versuchte jedoch, die Beiden zu ignorieren und konzentrierte sich wieder auf die Föhnfrisur ihrer Kundin. Ich habe sie heute Morgen davor gewarnt, ihre Launen nicht an den Kunden auszulassen, dachte sie. Im Nachhinein erschien es ihr sinnvoller, sie hätte Daniel vor Cornelia gewarnt.

      „Wie hättest du sie denn gerne?“, fragte Cornelia, und klopfte genervt mit ihrem Kamm gegen ihre rechte Hüfte, um ihrem Kunden ein wenig Entschlussfreudigkeit zu vermitteln, während sie die andere Hand starr in die andere Hüfte gestemmt hatte. Für gewöhnlich besprach sie die Anliegen eines Kunden bezüglich seines Schnittes im trockenen Zustand, damit sie den Haar fall im ursprünglichen Sinne deuten konnte, doch sie wollte Daniel so schnell als möglich wieder loswerden. Du wirst fantastisch aussehen, wie auch immer deine Wünsche lauten mögen, dachte sie gehässig.

      „Am Oberkopf hätte ich sie gerne etwas kürzer, und an den Seiten kannst du ein wenig mehr abschneiden.“ Die junge Stylistin nickte enthusiastisch und nahm die ersten Strähnen zwischen ihre Finger, um sie entsprechend zu kürzen. Daniel hatte in den letzten zwei Tagen oft versucht, Conny telefonisch zu erreichen. Doch sie hatte alle seine Anrufe ignoriert. Er musste also persönlich mit ihr sprechen, um die Dinge zu regeln, die ihn bezüglich seiner Herzensdame beschäftigten. Als sie zu schneiden begann, wurde ihm das Ausmaß seiner Dummheit bewusst, während er seufzend einen Punkt am Rand des Spiegels fixierte. Schließlich kratzte er all seinen Mut zusammen, seine Lippen öffnete sich langsam.

      „Conny, es tut mir leid. Ich habe mich wie ein Idiot verhalten, als ich dich in knappen Worten am Telefon von mir wies. Bitte lass' uns diesen Freitag gemeinsam zu Abend essen, bei einem Glas Rotwein will ich