Dr. Lordan würden Sie bitte einmal das Pflaster beseitigen?<< fragte der Oberarzt eine der Ärztinnen, die daraufhin zu mir kam und mich freundlich anlächelte. Sie versuchte es vorsichtig abzuziehen, was schon wirklich übervorsichtig war, weswegen Evelyn laut seufzte und sich in einen Stuhl in der Ecke setzte.
>> Ist irgendwas Dr. Chamberlain?<< hakte der Oberarzt nach und sah sie streng an.
>> Nein Dr. Philips, es ist alles bestens.<< antwortete Evelyn in einem übertriebenen, zuckersüßen Ton und grinste dabei breit über das Gesicht, was sofort wieder verschwand, als er wegsah.
>> Sie müssen nicht so vorsichtig sein, ich halte das schon aus.<< sagte ich zur Ärztin, die immer noch versuchte, das Pflaster abzuziehen.
>> Wenn ich es zu schnell, oder zu ruckartig abziehe, dann könnten die Nähte reißen.<<
>> Dr. Philips hat ihn operiert und er macht gute Nähte, da brauchen Sie keine Angst haben, dass die reißen könnten.<< sagte Evelyn genervt und biss sich immer wieder auf die Lippe, während sie auf meinen Bauch starrte und die Ärztin böse anfunkelte.
>> Danke für das Kompliment Dr. Chamberlain, wollen Sie vielleicht Dr. Lordan einmal zeigen, wie man das effizienter lösen könnte?<<
Der Oberarzt hatte seine Frage noch nicht einmal zu Ende gestellt, als Evelyn auch schon neben mir stand und mit einer schnellen Bewegung das Pflaster entfernte.
>> Gut, das war sehr effizient. Wie sieht ihrer Meinung nach die Wunde aus Dr. Lordan?<<
>> Die sieht gut aus. Keine Entzündungen, keine offenen Stellen und es heilt sehr gut.<<
Nachdem Dr. Philips sich ebenfalls einen Überblick verschafft hatte und ihre Einschätzung abnickte, klebte Evelyn bereits ein neues Pflaster auf die Stelle, wobei sie dabei liebevoller mit mir umging.
>> Haben Sie Schmerzen wegen ihrer geprellten Rippen?<<
>> Ich merke sie, aber das sind Schmerzen die auszuhalten sind.<<
>> Gut. Haben Sie sonst noch Fragen?<<
>> Wann darf ich entlassen werden?<< fragte ich, da ich unbedingt wieder arbeiten musste und es mir eh gut ging, was also sollte ich hier? Ich hasste Krankenhäuser, wobei der angenehme Part hierbei war, dass ich Evelyn öfter zu Gesicht bekam.
>> Ich denke, dass wir Sie morgen früh entlassen werden.<<
>> Das sind gute Nachrichten.<<
>> Haben Sie denn sonst noch Fragen?<<
>> Ich hätte noch eine.<< sagte Evelyn plötzlich und lehnte sich gegen das Bett.
>> Und die wäre?<<
>> Als er eingeliefert worden und hier auf die Station gebracht worden war, sagten Sie mir, dass er ein leichtes Schleudertrauma hätte, allerdings klagt er weder über Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schwindel oder über sonstige Symptome, die bei einem Schleudertrauma gegeben wären. Weswegen wurde diese Diagnose also gestellt?<<
>> Fragen Sie mich das, oder die Assistenzärzte Dr. Chamberlain?<<
>> Das überlasse ich Ihnen.<<
>> Wer kann Dr. Chamberlain das beantworten? Dr. Kane?<<
>> Ich schätze, dass es aus reiner Vorsicht diagnostiziert wurde, da Mr....<<
>> Mr Humphrey heißt er.<< half ihm Evelyn in einem strengen Ton auf die Sprünge, woraufhin der Arzt fortfuhr.
>> Richtig, entschuldigen Sie, also, das geschah, da Mr Humphrey nicht ansprechbar gewesen war, als er eingeliefert worden war und aufgrund eines Autounfalls hierher gekommen war, wo es schnell zu einem Schleudertrauma kommen könnte.<<
>> Richtig Dr. Kane. Dankeschön, aber das hätten Sie selbst wissen müssen Dr. Chamberlain.<< tadelte er sie und wollte grade gehen, als Evelyn antwortete.
>> Wer sagt, dass ich die Antwort nicht wusste Dr. Philips? Ich habe es lediglich wissen wollen, da mein Freund gestern nicht wusste, weshalb die Diagnose gestellt wurde, da es ihm blendend ging und als ich in seine Akte sah, konnte ich nicht feststellen, dass diese Diagnose irgendwann revidiert wurde. Sie wissen, worauf ich hinaus möchte und ich weiß auch, wie oft Sie mir in meiner Ausbildung genau eines ans Herz gelegt haben...<<
Er nickte nur, sah daraufhin kurz in die Akte, woraufhin er seine Assistenzärzte streng ansah und vor Wut zu kochen begann.
>> Danke für den Hinweis Dr. Chamberlain. Ich weiß, dass Sie immer eine sehr gute und fleißige Assistenzärztin waren und freue mich darüber, dass Sie so geflissentlich arbeiten. Möchten Sie zur Abwechslung den anderen erklären, um was es hier geht?<<
Evelyn sah in die Runde von Assistenzärzten, die wahrscheinlich noch nicht so lange am Krankenhaus waren wie sie und die schon ein wenig verängstigt aussahen, als sie anfing eine Predigt zu halten.
>> Sie haben vergessen, in der Akte zu notieren, dass Mr Humphrey kein Schleudertrauma hat und deshalb auch keine Medikamente dafür benötigt. Diese Akten sind sehr wichtig und müssen deshalb immer auf dem neuesten Stand gebracht werden. Bei dieser Diagnose ging es jetzt lediglich um Schmerzmittel, die er eventuell zu viel bekommen hätte. Aber jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie würden in der Kardiologie arbeiten und Sie vergessen einzutragen, dass jemand Bluter ist und geben diesem Patienten, weil es in der Akte nicht vermerkt war, Blutverdünner. Wie wollen Sie ihn dann noch retten? Wie erklären Sie den Angehörigen ihren Fehler? Wie leben Sie dann mit diesem Fehler und mit ihrem Gewissen? Wie rechtfertigen Sie sich dann vor Gericht? Achten Sie darauf, dass die Akten vollständig sind.<<
>> Jeder von Ihnen wird die nächsten zwei Stunden damit verbringen in alle Akten seiner Patienten nachzusehen, ob auch alles richtig notiert wurde und damit fangen Sie jetzt an! Sehe ich nachher noch irgendeinen Fehler, sind die nächsten Operationen gestrichen!<< forderte Dr. Philips in einem strengen, autoritären Ton, woraufhin alle Assistenzärzte nach draußen liefen und sich Akten schnappten.
>> Immer noch die gleichen Methoden wie vor sechs Jahren.<< schmunzelte Evelyn und blickte nach draußen.
>> Wieso sollte ich etwas ändern, wenn es funktioniert? Danke für den Hinweis Eve.<<
>> Immer wieder gern.<<
>> Aber es freut mich, dass auch du etwas von mir gelernt hast, auch wenn es nur die Vollständigkeit von Akten ist. Wie geht’s dir denn sonst so?<<
>> Mir geht’s gut. Noch jedenfalls.<<
>> Ich habe schon vom Termin bei Dr. Hawn gleich erfahren.<< seufzte er ein wenig mitfühlend, bevor er näher zu ihr ging und sich in mir leichte Eifersucht breit machte.
>> Lass dich nicht unterkriegen und verkaufe dich nicht unter Wert! Nur weil du noch in der Ausbildung bist, heißt es nicht, dass du klein beigeben musst, ok?<<
>> Ich weiß, danke.<< antwortete sie, woraufhin der Oberarzt den Raum verließ und wir endlich wieder allein waren.
>> Er nennt dich beim Vornamen?<< fragte ich sie verwirrt, da ich eigentlich gedacht hatte, dass die beiden sich nicht leiden könnten, jedenfalls kam das am Anfang so herüber, doch dann waren sie auf einmal so vertraut miteinander umgegangen, was alle Alarmglocken in mir aufschrillen ließen.
>> Wir haben viel zusammen gearbeitet, außerdem war er eine Zeitlang der Nachbar von Laura, weswegen wir uns oft über den Weg gelaufen waren, da haben wir uns irgendwann geduzt. Wenn jedoch andere Ärzte dabei sind, dann sprechen wir uns mit dem Nachnamen an.<<
>> Ich dachte, ihr mögt euch nicht.<<
>> Es muss ja auch nicht jeder wissen, dass man sich gut versteht, dann entstehen nur falsche