einer Weile der Stille schaute sie zu ihm auf und grinste frech. „Sag mal“, begann sie und wandte den Blick wieder auf seine Brust. „Bist du eigentlich einer derjenigen, die auch mehr verlangen dürfen?“
Dawer runzelte die Stirn. „Was meinst du genau?“
„Jáne hat Perlen vergeben, für besondere Dienste.“
Er drehte den Oberkörper und griff hinter sich in die Tasche seiner Weste. „Meinst du das hier?“ Er zog ein Säckchen hervor und reichte es ihr. Die Kleine stützte sich seitlich auf einen Arm und leerte das Säckchen in die Hand.
„15!“, stieß sie erstaunt aus und sah ihn dann mit großen Augen an.
„Ist das viel?“, fragte er und wusste dabei, dass jede Perle für einen Dienst war.
„Soweit ich weiß, haben nur die wenigsten mehr als zehn bekommen“, ließ sie ihn wissen und die Perlen wieder in den Beutel rollen. „Der Kommandant und sein erster Offizier sind wohl die Einzigen, die ebenso viele haben wie du.“
Dawer grinste. „So was. Dann bin ich wohl was Besseres. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diese Annehmlichkeit sicher auch meinem Namen zu verdanken habe.“
„Vollidiot?“, fragte sie spitz und bekam als Strafe eine Kitzelattacke.
Als sie sich beruhigt hatte, erklärte er: „Nein. Ich meine meinen Familiennamen, Thraut.“
„Thraut, wie der General des Hauptheeres?“
„Oh. Da kennt sich jemand aus. Aber ja, genau wie der. Er ist mein großer Bruder.“
„Aha aha. Sehr interessant. Und warum bist du kein General?“
„Bin ich doch. Meine Truppe ist nur etwas kleiner.“
Sie lachte amüsiert. „Ja, aber wirklich nur etwas.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie das Etwas an. „Du hast fünf Leute unter dir, der General, ehm keine Ahnung, 5000? Das nimmt sich wirklich nicht viel.“ Sie zog eine Schnute und schüttelte den Kopf.
„Weib. Du hast ja keine Ahnung“, tadelte er sie neckend.
„Habe ich auch nie behauptet. Aber erkläre es mir doch, Herr General Vollidiot mit ganzen fünf Mann im Rücken.“ Ihr Grinsen wurde diebisch.
Er schüttelte gespielt missbilligend den Kopf. „Dein freches Mundwerk wird dir noch zum Verhängnis.“
„Niemals. Ich weiß mich durchaus zu benehmen, wenn ich muss.“
„Ich warte gespannt auf den Tag“, grinste er.
„Jetzt erkläre mir, wovon ich keine Ahnung habe“, forderte sie, drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf in die Hände. „Wenn ich eines nicht will, dann unwissend sterben.“ Sie grinste.
„Also gut. Aufgepasst.“
Sie nickte und lauschte.
„Mein werter Herr Bruder hat keine 5000, sondern nur knapp 3000 Mann unter sich. Das wäre der erste Punkt. Von diesen 3000 sind die meisten ungebildete Grobiane, die nichts weiter können, als hauen und stechen.“
„Aber kommt es nicht darauf an?“, unterbrach sie ihn. „Was tut ihr denn noch außer hauen und stechen?“
„Planen. Taktisch denken. Eventuell intrigieren oder unterwandern. Von dem Rest der Männer meines Bruders können das nur eine Hand voll. Und die sind zu feige den Mund aufzumachen. Sie könnten viel erreichen, doch sie folgen lieber nur, als auch mal die Initiative zu ergreifen.“
„Dafür gibt es doch aber Befehlshaber? Die sagen, was zu tun ist und die Truppe folgt.“
Dawer nickte. „Stimmt. Aber meine Männer haben alle eine Meinung. Ich mag ihr Befehlshaber sein, doch ihre Meinung ist genauso entscheidend. Das macht uns effektiver. Wir fünf, den Welpen mal ausgenommen, sind sehr viel effizienter im Kampf, als die 3000 meines Bruders zusammen.“
Neyla zog die Brauen zusammen. „Willst du sagen, ihr allein könntet eine Streitmacht niedermachen? Das klingt ein bisschen überheblich, findest du nicht?“
„Etwas, ja. Aber das will ich auch gar nicht sagen. Wir könnten niemals zu fünft 3000 Mann in einer Schlacht schlagen. Aber wir könnten sie trotzdem besiegen. Denn am Ende braucht man nur zwei, vielleicht drei Männer zu töten oder gefangen zu nehmen, um die ganze Armee lahmzulegen.“
Ihr Blick hellte sich auf. „Den Befehlshaber und seine Offiziere.“
Dawer lächelte, weil sie es sofort verstanden hatte. „Genau die.“
„Schlau. Die 3000 Mann entscheiden ja nicht jeder für sich. Sie befolgen nur Befehle.“
„Wieder richtig.“
„Und wenn keiner mehr Befehle gibt, habt ihr gewonnen.“ Sie lächelte anerkennend. „Ich sehe, was du meinst.“
„Und ich sehe, du bist schlauer als so manche vor dir.“ Er war wirklich angetan von der kleinen Neyla. Viele Frauen nickten nur und lächelten, weil sie zwar zuhörten, es aber nicht verstanden, wenn er solcherlei Dinge erklärte.
„Ich kann nur denken. Schlau würde ich mich nicht schimpfen. Dann wäre ich eine Gelehrte oder so was.“
Nun wurde sein Blick nachdenklich. „Darf ich dich was fragen?“
Resigniert ließ sie die Arme fallen und legte den Kopf darauf, das Gesicht verborgen. „Ich weiß schon was“, kam es gedämpft von ihr.
„Warum?“, fragte er und wollte damit wissen, warum sie diesen Beruf gewählt hatte.
Sie verstand es, drehte den Kopf, ließ ihn aber auf ihren Armen liegen, nur ihre Augen richteten sich auf seine. „Ich dachte, das kann ich sicher gut, hab’s ausprobiert und es war so. Nicht gleich so wie heute“, lächelte sie frech, „Aber ich hab viel gelernt. Ich denke, ich beherrsche mein Handwerk jetzt ganz gut.“
„Ohoho. Das ganz sicher“, ließ er sie wissen und hatte die Erinnerung an ihre letzte handwerkliche Arbeit im Kopf. „Aber mal ehrlich. Hast du nie daran gedacht, was anderes zu machen? Warum gerade das hier? Du bist hübsch. Sehr viel hübscher als die meisten deiner Zunft. Der Hof würde dir sicher offenstehen. Vielleicht als Kurtisane fürs Theater oder Ähnliches? Oder was ganz anderes. Warum Hure?“
Erneut erhob sie sich leicht und stützte den Kopf wieder in die Hände. „Verurteilst du mich, wenn ich dir die Wahrheit sage?“, fragte sie und klang ernst.
„Ich habe mir abgewöhnt, Leute sofort zu verurteilen“, erklärte er. „Jeder hat seine Gründe, die Dinge so zu tun, wie er sie tut. Auch wenn ich es nicht immer verstehe, ist es nicht mein Leben, sondern das des anderen.“
Ihre Augen hielten seinen Blick einen langen Moment fest, dann wandte sie ihren auf ihre Hände. „Mein Vater war ein Edelmann“, erklärte sie und Dawer zog die Brauen verwirrt zusammen. Ein Edelmann? Warum war sie dann eine Hure?
Neyla erklärte weiter: „In Helven war er der Stadtherr.“
Nun wurden seine Augen groß und das Erstaunen war ihm sicher anzusehen, denn als sie ihn erneut ansah, fuhr ihr ein Grinsen in die Züge.
„Das sind Neuigkeiten, was?“, fragte sie neckisch und schnippte ihm vor die Brust. „Deine Hure ist ein Mädchen von edlem Geblüt.“
Er stieß die Luft in einem kurzen Lachen aus. „Es ist ... überraschend“, gab er zu. „Dein Vater war der Stadtherr von Helven? Du bist eine Daémuth?“, hakte er trotzdem noch mal nach. Zwar glaubte er ihr, weil seine Menschenkenntnis ihn selten betrog und die Kleine log seiner Meinung nach nicht. Aber es war so unwahrscheinlich, dass sie dieser alten Familie angehörte, dass er einfach noch mal fragen musste.
Neyla nickte vollkommen ernst. „Ich war meines Vaters einzige Tochter und hätte seine Nachfolge angetreten, wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist.“ Sie klang traurig.
„Es tut mir wirklich