Martin R. Schulz

Compliance Management im Unternehmen


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      Bei der Sanktionierung von Unternehmen ist der Gesetzgeber jedoch entschlossen, noch einen Schritt weiterzugehen. Unter dem 16.6.2020 hat die Bundesregierung den Entwurf eines „Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“, das sog. Verbandssanktionengesetz“ (VerSanG), veröffentlicht und diesen dem Bundesrat unter dem 7.8.2020 zur Stellungnahme vorgelegt Durch dieses Gesetzesvorhaben wird der Weg zu einem „Unternehmensstrafrecht“ beschritten, die Unternehmen (und sonstigen „Verbände“) sollen zukünftig einer eigenständigen Sanktionierung unterliegen. Da Unternehmen jedoch nicht schuldhaft handeln können, spricht man von Unternehmens- bzw. Verbandssanktionen und nicht von „Strafen“, die Wirkung ist jedoch die Gleiche Der Begriff des „Verbandes“ bestimmt den Kreis der tauglichen Adressaten der Sanktion und deckt sich inhaltlich mit der Regelung des § 30 OWiG, wobei klargestellt wird, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich sanktionsfähige Verbände sind. Geahndet werden sollen auf diesem Wege sog. „Verbandstaten“, also Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte.

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      Als mögliche Sanktionen sieht das Gesetz die „Verbandsgeldsanktion“ sowie die „Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt“ vor. Die Verbandsgeldsanktion soll ausweislich des Entwurfes bei einer vorsätzlichen Verbandstat bis zu 10 Mio. EUR betragen dürfen, bei einer fahrlässigen Verbandstat bis zu 5 Mio. EUR. Bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR soll die Verbandsgeldsanktion hiervon abweichend sogar bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens betragen können. Im Falle einer großen Zahl von Geschädigten soll das Gericht neben der Verbandssanktion zur Information der Geschädigten zudem die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes anordnen können (das sog. „naming and shaming“).

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      Gleichzeitig zielt der Gesetzgeber mit dem Verbandssanktionengesetz jedoch auch auf eine Förderung und Institutionalisierung der unternehmensinternen Compliance ab. So sind nicht nur bei der Bemessung der Sanktion das „Bemühen des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken“ und „nach der Verbandstat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandstaten“ sanktionsmildernd zu berücksichtigen, dem Verband kann sogar die „Weisung“ erteilt werden, „bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten zu treffen“, mithin geeignete Compliance-Strukturen zu schaffen. In den Genuss der ausgelobten Milderung bei der Aufklärung der Verbandstat durch Internal Investigations, sog. „verbandsinternen Untersuchungen“, soll der Verband nur kommen, wenn die Untersuchungen „in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen“ durchgeführt worden sind. Hier hat sich der Gesetzgeber bemüht, einen Rechtsrahmen für die verbandsinternen Untersuchungen vorzugeben, der jedoch im Detail sehr umstritten ist. So muss der Verband nicht nur „wesentlich“ dazu beigetragen haben, dass die Verbandstat aufgeklärt werden konnte, sondern auch etwa „ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten“, und das Ergebnis der verbandsinternen Untersuchung einschließlich aller für die verbandsinterne Untersuchung wesentlichen Dokumente sowie den Abschlussberichts zur Verfügung stellen. Aufgrund einer Änderung der StPO soll darüber hinaus der Beschlagnahmeschutz der im Rahmen der verbandsinternen Untersuchungen angefallenen Dokumente und work products entfallen.15

      Neben dem aufgezeigten straf- und ordnungsrechtlichen Instrumentarium beherrschen die Schwerpunktstaatsanwaltschaften auch die Klaviatur der Generierung medialer (Presse-)Öffentlichkeit. Insbesondere für die betroffenen Unternehmen in hohem Maße etikettierende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen sorgen für eine mediale Aufmerksamkeit und Berichterstattung, die den Verdacht im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Tatsache zementiert. In der auflageorientierten Presselandschaft wird der möglicherweise auf dünner Tatsachenbasis angenommene Anfangsverdacht zum Skandal hochgestuft, wodurch weiterer Druck auf das Unternehmen entsteht, den Schaden durch eine „Kooperation“ mit der Staatsanwaltschaft und möglicherweise durch eine interne Aufklärung zu reduzieren. Versucht das Unternehmen, sich gegen einen bestehenden Anfangsverdacht zu wehren, so ist die Staatsanwaltschaft durchaus in der Lage, offiziell oder inoffiziell die nächste Eskalationsstufe durch Herstellung weiterer Presseöffentlichkeit herbeizuführen. Häufig wird so der einmal angenommene Anfangsverdacht einer Straftat durch die Instrumentarien und die publizistischen Begleitumstände zu einer Art „self fulfilling prophecy“, mithin zu einer Abwärtsspirale, der sich das Unternehmen kaum noch entziehen kann.

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      Der Einsatz dieser rechtlichen sowie faktischen Instrumentarien, die der Strafjustiz gegen das betroffene Unternehmen zur Verfügung stehen, sowie die erheblichen Konsequenzen, die sowohl das Unternehmen als auch seine Verantwortlichen treffen können, und der erklärte Wille zur rücksichtslosen Anwendung lassen ein Strafverfahren – jedenfalls wegen erheblicherer Vorwürfe – schnell zu einem pekuniären und publizistischen GAU für ein Unternehmen werden. Genau hier zeigt sich, dies war auch durchaus Absicht des Gesetzgebers, dass der Einsatz strafrechtlich-relevanter Methoden im Interesse der Gewinnmaximierung keine Option mehr darstellt. Gewinnstreben und ethisches Verhalten stehen damit nicht mehr in einem Zielkonflikt. Dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass auch strafrechtliche Risiken für das Unternehmen ein existenzgefährdendes Ausmaß annehmen können, ist daher weniger dem Gedanken der Unternehmensethik oder der Corporate Social Responsibility, denn vielmehr einem dramatischen Kurswechsel des Gesetzgebers im Strafrecht hin zu einem Unternehmenssanktionenrecht geschuldet. Die Vermeidung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen im (vermeintlichen) Unternehmensinteresse muss damit erklärtes Ziel des Unternehmers sein; Mittel zur Umsetzung dieses Zieles ist ein (auch) strafrechtlich basiertes Compliance Management.

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       Strafrechtliche Compliance-Risiken für das Unternehmen im Überblick

       – Strafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen und deren Inhabilität;

       – Anordnung der Verfahrensbeteiligung gem. §§ 424, 444 StPO;

       – Einziehung von Taterträgen gem. §§ 73 StGB, 29a OWiG;

       – Verbandsgeldbuße gem. §§ 30 OWiG, 81 Abs. 4 Satz 2 GWB;

       – Mehrerlösabschöpfung gem. §§ 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG; 81 Abs. 4 GWB;

       – Verbandsgeldsanktion gem. § 8 Nr. 1 VerSanG17;

       – Eintragung in Wettbewerbs- bzw. Korruptionsregister (Vergabesperren);

       – Eintragung in das Gewerbezentralregister (Entfall der Zuverlässigkeit);

       – Eintragung in das Verbandssanktionenregister18;

       – Sonstiges „blacklisting“ (BaFin, Weltbank etc.);

       – Faktische Beeinträchtigungen der Unternehmensabläufe (Durchsuchung, Beschlagnahme etc.);

       – Mediale Berichterstattung/Ad-hoc-Publizität (Reduktion des Börsenwertes).

       II. Strafrechtliche Grundlagen der Compliance-Verpflichtung

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