Martin R. Schulz

Compliance Management im Unternehmen


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erlassen. Die neuen Straftatbestände § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) sind der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet.

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      Gab es dieses umfassende strafrechtliche Normengeflecht zwar schon länger, so hat der Gesetzgeber den Ermittlungsbehörden jedoch darüber hinaus zwischenzeitlich ein Ermittlungsinstrumentarium an die Hand gegeben, das es ihnen nicht nur ermöglicht, die Einhaltung dieser Vorschriften effektiv zu kontrollieren, sondern auch bei dem Unternehmen als solchem die „Daumenschrauben“ derart anzuziehen, dass das Unternehmen selbst ein überragendes Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten, mithin an Compliance, hat. In der Praxis werden Beweisschwierigkeiten nicht nur zunehmend mittels einer systematischen Auswertung des gesamten Datenbestandes des Unternehmens, insbesondere der E-Mails, sondern auch mit dem Instrument der Telekommunikationsüberwachung überwunden. Durch zahlreiche gesetzliche Änderungen wurde die einst dem Bereich der Schwerkriminalität vorbehaltene Telekommunikationsüberwachung auf Bereiche der (vermeintlichen) Wirtschaftskriminalität erstreckt, so insbesondere auf die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung, der (schweren) Angestelltenbestechlichkeit und -bestechung sowie neuerdings auch auf den Tatbestand der Bestechung von Mandatsträgern.

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      Beschränkte sich die Strafverfolgung noch vor einigen Jahren fast ausschließlich auf die Überführung der verantwortlichen Straftäter, so hat sich auch dieses Bild zwischenzeitlich fast um 180° gedreht. Regelmäßig begnügen sich Staatsanwaltschaften nicht mehr mit dem verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens; regelmäßig versuchen die Staatsanwaltschaften von Anfang an, eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung nachzuweisen, um dann dort – mit dem Ziel der Generalprävention – Schmerzen zu bereiten. So sehen sich die Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaften als „Großwildjäger“, die weniger an dem einzelnen Vertriebsmitarbeiter als vielmehr dem Geschäftsführer oder dem Vorstand selbst interessiert sind. Da die staatsanwaltschaftliche Erfahrung zu zeigen scheint, dass die Verantwortlichkeiten regelmäßig in der Unternehmensleitung zusammenlaufen, wird zielorientiert auf die Feststellung entweder positiver Kenntnis der Unternehmensleitung oder jedenfalls eines sog. „Organisationsverschuldens“ hingearbeitet.

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      Aber auch die Feststellung individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei der Unternehmensleitung reicht den Schwerpunktstaatsanwaltschaften häufig nicht mehr aus. Ziel der Ermittlungsbehörden – dies wird teilweise unverhohlen zugegeben – ist es, das Unternehmen dort zu treffen, wo es „weh tut“, nämlich im finanziellen Bereich. Als Unternehmensvertreter kann man sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass durchaus auch profiskalische Aspekte hinter einer dahingehenden Forcierung stehen. Teilweise scheint die Ahndung individuellen Verschuldens in den Hintergrund zu treten neben der Absicht, Erträge (häufig) in Millionenhöhe im Wege der Einziehung oder über Unternehmensgeldbußen abzuschöpfen. Da derartige (Millionen-)Erträge dem jeweiligen Landeshaushalt zufließen, entsteht der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaften mit teilweise abenteuerlichen Begründungen versuchen, eine dahingehende Kompetenz zu begründen, wo sie vor Jahren noch versucht hätten, entsprechende Zuständigkeiten von sich zu weisen.

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      Aber auch die Kartellgeldbußen des Bundeskartellamtes erreichen über das Institut der sog. Mehrerlösgeldbuße gem. § 81 Abs. 4, 5 GWB i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG schnell dreistellige Millionenbeträge. So hat das Bundeskartellamt etwa im Jahre 2014 gegen ein Mitglied des sog. Zuckerkartells eine Einzelgeldbuße in Höhe von 195,5 Mio. EUR verhängt. Die bis dato höchste Einzelkartellgeldbuße des Bundeskartellamtes – 251,5 Mio. EUR