Tobias Rothkegel

Praxishandbuch DSGVO


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vom Verarbeitungsverbot bzw. eine direkte Erlaubnis enthalten ist (je nachdem, welcher Ansicht gefolgt wird),293 dass der Vertrag mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs, aufgrund dessen die besonderen Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden sollen, mit der betroffenen Person abgeschlossen worden sein muss.294 Im Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO ist diese Anforderung nicht ausdrücklich vorgesehen. An dieser Stelle könnte der Streit, ob die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zusätzlich zu den Anforderungen aus Art. 9 Abs. 2 DSGVO gelten, eine gewisse Rolle gespielt haben (siehe hierzu Rn. 170ff.). So erfordert auch Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO, dass der Vertrag, zu dessen Erfüllung die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, mit der betroffenen Person abgeschlossen wurde. Folgt man also – wie z.B. der bundesdeutsche Gesetzgeber und die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden – der Ansicht, dass die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zusätzlich zu den Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO zu erfüllen sind, würden § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG und Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO insoweit nun parallellaufen. Auf Basis des Wortlauts von Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO wäre es hingegen zumindest möglich zu argumentieren, dass der Vertrag auch mit einer anderen Person geschlossen worden sein kann. Allerdings muss Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO insoweit wohl einschränkend ausgelegt werden, weil Art. 9 Abs. 2 DSGVO das Schutzniveau gegenüber Art. 6 Abs. 1 DSGVO erhöhen und nicht absenken soll.295 Außerdem könnte die vorliegende Einschränkung – zumindest im Hinblick auf den Hauptanwendungsfall der Verarbeitung von Gesundheitsdaten (sowie von genetischen und biometrischen Daten) – ansonsten ggf. auch noch auf Art. 9 Abs. 4 DSGVO gestützt werden, auch wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG hierfür eine andere Öffnungsklausel genannt hat.

      Zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken sollten Verantwortliche sowohl die Anforderungen des § 22 Abs. 2 BDSG einhalten (wenn sie die Datenverarbeitung auf § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG stützen) als auch besondere Kategorien personenbezogener Daten auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO bzw. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG nur dann aufgrund eines Vertrages mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs verarbeiten, wenn dieser mit der betroffenen Person abgeschlossen wurde.

      gg) Verarbeitung aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit (Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO)

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      Nach Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zudem nicht untersagt, wenn sie aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie dem Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung und bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, erforderlich ist. Auch die Verarbeitung zu diesen Zwecken ist nur zulässig, wenn das EU-Recht oder das Recht des Mitgliedstaats die Datenverarbeitung erlaubt, das zudem angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person, insbesondere des Berufsgeheimnisses, vorsehen muss.

       Nationale Regelungen in Deutschland

       § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BDSG: Verarbeitung „sensibler“ Daten aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit

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      196

      197

      Unternehmen ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, genau zu prüfen, ob eine geplante Datenverarbeitung eventuell auch auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Ist dies nicht der Fall, sollten Unternehmen Datenverarbeitungen, die eine gewisse Relevanz aufweisen und auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden sollen, – wenn möglich und praktisch durchführbar – mit den zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden abstimmen und in jedem Fall prüfen, ob in der Zwischenzeit relevante Rechtsprechung oder Hinweise der Datenschutzaufsichtsbehörden hierzu ergangen sind. Endgültige Klarheit wird in diesem Fall wahrscheinlich erst eine Entscheidung des EuGH bringen können.

      hh) Verarbeitung für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke (Art. 9 Abs. 2 lit. j DSGVO)300

      Nach Art. 9 Abs. 2 lit. j DSGVO ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten schließlich erlaubt, wenn diese für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Art. 89 Abs. 1 erforderlich ist. Voraussetzung ist wiederum, dass dies auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaates erfolgt, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht.

       Nationale Regelungen in Deutschland

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      200

      Ausführliche Erläuterungen zur Verarbeitung (besonderer Kategorien) personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken finden sich in Kap. 17 Rn. 317ff.

      ii) Erforderlichkeit der Datenverarbeitung

      201

      jj) Besondere Anforderungen für die Verarbeitung genetischer oder biometrischer Daten und Gesundheitsdaten

      202

      Im Hinblick auf genetische oder biometrische Daten und Gesundheitsdaten ist stets zu beachten, dass die Mitgliedstaaten – zusätzlich