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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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werden sie andererseits als Plagiate großen Stils abgetan. In der Tat hat A. in seinen Glossen über weite Strecken fremdes Gedankengut, insbesondere seines Lehrers Johannes Bassianus verarbeitet, ohne dies sonderlich kenntlich zu machen, wie überhaupt die Arbeit A.s und seines Schülers → AccursiusAccursius (um 1185–1263) im wesentlichen darin bestand, Vorgefundenes in neue Formen zu gießen. Gleichwohl geht der Vorwurf des Plagiats zu weit, weil er moderne Maßstäbe in die Vergangenheit projiziert. Ist |38|es schon an sich eine bedeutende Leistung, den innerhalb des 12. Jh. immens angewachsenen Stoff zu sichten und für den Unterricht bzw. die Praxis (→ AccursiusAccursius (um 1185–1263)) verfügbar zu machen, so wird außerdem zu recht darauf verwiesen, daß Kompilation als solche noch keinen Plagiator macht und daß es den Zeitgenossen selbstverständlich war, im Werk eines Autors das Werk seiner Vorgänger und Lehrer rezipiert und tradiert zu sehen. A.s Apparatus maiores bildeten denn auch die wichtigste Quelle für die berühmte Glossa ordinaria seines Schülers → AccursiusAccursius (um 1185–1263) und wurden schließlich wie die übrigen voraccursischen Glossen völlig von ihr verdrängt.

      Von bleibendem, über Jahrhunderte unangefochtenem Einfluß waren demgegenüber die zw. 1208 und 1210 entstandenen Summen A.s zum Codex und zu den Institutionen, die sich ausweislich des Vor- und Nachworts als ein Werk verstehen und denen später häufig eine nicht allein von ihm stammende Digestensumme angefügt wurde. Auch Summen – es handelt sich dabei um lehrbuchartige Gesamtdarstellungen eines Titels des Corpus iuris bzw. aller Titel eines Rechtsbuchs – sind bereits vor und gleichzeitig zu A. geschrieben worden. A. erfüllte den Zweck dieser Literaturgattung jedoch so glänzend, daß nach ihm keine Codexsumme mehr verfaßt und die seine lediglich noch mit Additiones versehen wurde. In der Folge wurden die Summen A.s zum Lehr- und Handbuch des römischen Rechts schlechthin: → BractonBracton, Henry de (1200/1210–1268) benutzte sie ausgiebig bei der Abfassung seines berühmten Tractats „De legibus et consuetudinibus Angliae“. Aus der Zeit von 1482 bis 1610 sind bislang 35 Druckausgaben bekannt (die erste stammt aus Speyer), und wie Autoren des 15. und 16. Jh. berichten, war der Besitz der Summen A.s in mehreren italienischen Städten Voraussetzung für die Aufnahme in das Richterkollegium, was seinen Niederschlag in dem Sprichwort „Chi non ha Azzo non vada a Palazzo“ gefunden hat.

      A. verfaßte ferner ein Commentum (d.h. an der Textfolge orientierte Erklärungen zusammengehöriger Stellen) zum Digestentitel „De diversis regulis iuris antiqui“ (D. 50,17) und Distinctiones (→ IrneriusIrnerius (vor 1100–1125)) – beide Werke bislang unediert – ferner Brocarda (Sammlung verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanken) und Quaestiones (Fallsammlung nebst Lösungen). In letzteren findet sich erstmals der Satz: „Quilibet rex hodie videtur eandem potestatem habere in terra sua, quam imperator“, der in anderen Worten A.s bereits vor Heinrich VI. vertretene Auffassung zum Ausdruck bringt, daß das imperium merum auch anderen Obrigkeiten als dem Kaiser zukommt, und später in |39|modifizierter Form immer wieder zur Umschreibung der Landeshoheit angeführt wird (Dominus imperator in territorio).

      Wahrscheinlich aus den letzten Lebensjahren A.s stammt die recht genaue Mitschrift seiner Vorlesung zum Codex aus der Hand seines Schülers Alexander de Sancto Egidio (sog. Codex-Kommentar des A.). Das Werk ist zum einen durch seine zahlreichen Hinweise auf die Meinungen anderer Autoren dogmen- und literaturgeschichtlich und zum anderen als Quelle für die Erforschung der Unterrichtsmethode A.s und seiner Kollegen von großer Bedeutung. Es relativiert zudem durch seine nicht seltenen Hinweise auf das Decretum Gratiani, einzelne Dekretalen und die Meinungen von Decretisten sowie auf den Gerichtsgebrauch der römischen Kurie die Aussage des Odofredus, A. sei im kanonischen Recht nicht sonderlich bewandert gewesen. Berichte jüngerer Quellen, er sei gegen Ende seines Lebens vollends zum Kanonisten und sogar Priester geworden, entbehren jedoch jeder Grundlage und beruhen auf Verwechslung.

      Die schon zitierte Auffassung A.s zum imperium merum findet ihre Entsprechung in seiner Position zur Frage nach dem Verhältnis zwischen der Gesetzgebungsgewalt des Kaisers und der consuetudo populi. Im Gegensatz zu → IrneriusIrnerius (vor 1100–1125) und den älteren Glossatoren gestehen die jüngeren, darunter A., den consuetudines die Fähigkeit zu, kaiserliche Gesetze außer Kraft zu setzen, weil das Volk seine Gesetzgebungsgewalt nicht völlig auf den Kaiser übertragen habe. Lediglich ein ausdrückliches Gesetz könne gewohnheitsrechtliche Regeln derogieren. Damit ist Raum für die Geltung des Statutarrechts der Städte (es zählt nach damaligem Begriff zu den consuetudines) neben dem kaiserlichen Recht geschaffen und die Grundlage für das Nebeneinander von Partikularrecht und ius commune gefunden.

      Hauptwerke: Summa Azonis cum emendatione … Papie 1506 (Ndr.: Azonis Summa super Codicem, Instituta, Extraordinaria, 1966 [Corpus glossatorum iuris civilis, 2]). – Azonis Summa aurea, Lugduni 1557 (Nachdruck: 1968), weitere Summenausgaben bei Savigny: GRRM V, 33–38 und Weimar, in: Coing, Hdb. I, 203, N. 5. – Azonis ad singulas leges XII librorum Codicis Justinianei commentarius et magnus apparatus, Parisiis 1577 (Ndr.: Azonis lectura super codicem … 1966 [Corpus glossatorum juris vivilis 3]), weitere Ausgaben, Savigny: GRRM V, 19. – Brocardia aurea D. Azonis Boniensis …, Neapoli 1568 (Nachdruck: Azonis Brocarda, 1967 [Corpus glossatorum juris civilis 4,3]), weitere Ausgaben, Savigny: GRRM V, 39f. – Die Quaestiones des Azo, hrsg.v. E. Landsberg, 1888. – S. Carpioli u.a. (Hrsg.): Reliquie preaccursiane, I: Duecentotre glosse dello strato azzoniano alle Istituzioni, 1978.

      |40|Literatur: W.M. d’Ablaing: Zur „Bibliothek der Glossatoren“, in: ZRG (RA) 9 (1888), 13–42. – A. Alberti: Scuole italiane e giuristi italiani nello sviluppo storico del diritto inglese, 1937. – A. Belbni: Azzone e il diritto canonico, in: ZRG, KA 114 (1997). – G. Chevier: Sur l’art de l’argumentation chez quelques romanistes médiévaux au XIIe et au VIIIe siècle, in: Archives de philosophie du droit. XI La logique du droit, 1966. – L. Chiapelli/L. Zdekauer: Un consulto d’Azone dell’anno 1205, 1888. – C. Dolani: Due glossi di Azone e Accursio a una legge di Teodosio II e Valentiano III (429) sul limite del potere, in: Università e studenti a Bologna, 1988, 105–109. – G. Dolezalek: Azos Glossenapparat zum Infortiatum, in: Ius Commune 3 (1970), 186–208. – Ders.: Azos verschollener Glossenapparat zu den Tres Partes, in: ZRG (RA) 84 (1967), 403–413. – Ders.: Neue Handschriftenfunde aus Modena, in: TRG 34 (1966), 407–409. – J. Fried: Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jh., 1974. – E. Genzmer: Die justianische Kodifikation und die Glossatoren, in: Atti del congresso internaz. di diritto romano, I, 1934, 345–430. – Ders.: Gli Apparati di Azzone al Digestum Novum 50, 17, 1, in: Annali de storia del diritto 1 (1957), 7–11. – J. Hallebeek: A commentary of Azo Authentica Sacramenta puberum, in: TRG 60 (1992), 289–310. – H.H. Jakobs: De similibus ad similia bei Bracton und Azo (Jus commune, Sonderhefte, 87), 1996. – Ders.: Studien zur Geschichte der glossa ordinaria, in: Festgabe für W. Flume z. 90. Geburtstag, 1998, 99–154. – Ders.: Petitorium et possessionum in eodem libello intendere. D. 5,1,37 und C. 3, 32, 13 in der Lectura des Odofredus, bei Azo und in der Glossa ordinaria, in: ZRG, RA 115 (1999), 323–354. – Ders.: Or signori! Die accursische Glosse als apparatus Ioannis et Azonis in Odofredus’ Lectura super Digesto veteri, in ZRG, RA 110 (2000), 311–423. – Ders.: Odofredus und die Glossa ordinaria, in: FS für G. Kleinheyer, hrsg. v. F. Dorn u. J. Schröder, 2001, 271–352. – Ders.: Magna Glossa. Textstufen der legistischen Glossa ordinaria (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N.F., Bd. 114), 2006; dazu J. Hallebeek, in: TRG 75 (2007), 409–411. – H. Kantorowicz: Studies in the glossators of the roman law, 1938. – Ders.: The Quaestiones disputatae of the glossators, in: TRG 16 (1939). – E. Landsberg: Das Madrider Manuscript von Azos Quaestiones, in: ZRG (RA) 10 (1889), 145. – Lange, 255–271. – E. Lauglois: La Somme Acé, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire V (1885), 110–114. – F.W. Maitland: Select passages from the workes of Bracton and Azo, 1895. – E.M. Meijers: Sommes, lectures et commentaires (1100 à 1250), in: Ders.: Etudes d’histoire du droit, III, 1, 1959, 211–260. – A. Padovani: Il titulo De Summa Trinitate et fide catholica (C. 1.1) nell’esegesi die glossatori fino ad Azzone.