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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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Befehl nicht erreicht werden, so daß das Recht normativ unterbestimmt bleibt. Da rechtliche Beschränkung und Aufteilung gesetzgebender Gewalt nach A.s Theorie nicht möglich sind, finden die im Laufe des 19. Jahrhunderts fortentwickelten Ideen der Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit keine theoretische Unterstützung in A.s Rechtslehre. Die Defizite der A.schen Theorie sind bereits daran zu erkennen, daß sie nicht in der Lage ist, der damaligen politischen Verfassung der Vereinigten Staaten durch eine adäquate theoretische Beschreibung gerecht zu werden.

      Hauptwerke: The Province of Jurisprudence Determined, 1832, 21861. – Lectures on Jurisprudence, ed. by Sarah Austin, 2 vols., 1863. – Lectures on Jurisprudence or the Philosophy of Positive Law, 3rd edition, revised and edited by R. Campbell, |35|2 vols., 31869, 41873, 51885, Nachdrucke 1895, 1911. – A Plea for the Constitution. London 1859.

      Literatur: A. Agnelli: John Austin, alle origini del positivismo giuridico, 1959. – J.W. Brown: The Austinian Theory of Law, 1906. – G.B. Campbell: Analysis of Austin’s Lectures on Jurisprudence, 1905. – W.E. Conklin: The place of the people in John Austin’s structuralism, 2002. – R.A. Eastwood/G.W. Keeton: The Austinian Theories of Law and Sovereignty, 1929. – M. Freemann/ P. Mindus, P. (Hrsg.): The Legacy of John Austin’s Jurisprudence, 2013. – L. Hamburger/J. Hamburger: Troubled Lives. John and Sarah Austin, 1985. – H.L.A. Hart: Der Begriff des Rechts, 1973. – Ders.: Introduction, in: J. Austin, The province of jurisprudence determined …, 1954, 1998, I ff. – O. Höffe: Politische Gerechtigkeit, 1989, 110–153. – P.J. King: Utilitarian Jurisprudence in America. The Influence of Bentham and Austin on American Legal Thought in the Nineteenth Century, 1986. – W. Löwenhaupt: Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972. – J.U. Lewis: John Austin’s Concept of „Having a Legal Obligation“, in: Western Ontario Law Review 14 (1975), 51. – C.A.W. Manning: Austin To-day, in: Modern Theories of Law, hrsg. von I. Jennings, 1933. – J.S. Mill: Austin on Jurisprudence, in: Dissertations and Discussions, 1875. – W.L. Morison: John Austin, 1982. – Ders.: Some Myth About Positivism, in: Yale Law Journal 68 (1958), 212. – H. Morris: Verbal Disputes and the Legal Philosophy of John Austin, in: University of California Law Review 7 (1959/60), 27 – E. Ruben: John Austin’s Political Pamphlets 1824–1859, in: Perspectives in Jurisprudence, hrsg. von E. Attwool, 1977. – W.E. Rumble: Divine Law, Utilitarian Ethics and Positivist Jurisprudence: A Study of the Legal Philosophy of John Austin, in: American Journal of Jurisprudence 24 (1979), 139. – Ders.: Doing Austin Justice: The Reception of John Austin’s Philosophy of Law in Nineteenth-Century England, 2005. – A.B. Schwarz: John Austin und die deutsche Rechtswissenschaft seiner Zeit. – Ders: Einflüsse deutscher Zivilistik im Ausland, beides in: Rechtsgeschichte und Gegenwart, hrsg. von H. Thieme/F. Wieacker, 1960. – A.W.B. Simpson: Biographical Dictionary of the Common Law, 1984. – R.S. Summers: The New Analytical Jurists, in: New York University Law Review 41 (1966), 861. – C. Trapper: Austin on Sanctions, in: Cambridge Law Journal, 1963, 270. – (ohne Verfasserangabe): Hart, Austin, and the Concept of a Legal System: The Primacy of Sanctions, in: Yale Law Journal 84 (1975), 584. – M. Warnock (Hg.): Utilitarianism and On Liberty: including Mill’s ‚Essay on Bentham‘ and selections from the writings of Jeremy Bentham and John Austin, 2003. – M. Zwanzger: Anti-Naturrecht made in England? John Austin, der frühe engl. Rechtspositivismus und das Naturrecht, in: Naturrecht und Staat in der Neuzeit. D. Klippel z. 70. Geb., 2013, 375ff. – Jur., 48f. (K. Lerch) – Jur.Univ. III, 111–115 (G. Robles).

      N. Dearth

       [Zum Inhalt]

      |36|AzoAzo (vor 1190–1220)

      (vor 1190–1220)

      A. entstammt einer Bologneser Familie niederen Standes. Sein Vater Soldanus ist nur als Vater seines berühmten Sohnes bekannt. Angaben jüngerer Quellen, wonach A. in Montpellier bzw. Casalmaggiore bei Cremona geboren worden sein soll, haben sich als Irrtümer erwiesen. Urkundlich ist A. vom 23. Nov. 1190 bis zum 15. Juli 1220 bezeugt. Neben „A.“ finden sich in diesen Urkunden die Namensformen Azzo und Azzolinus, gelegentlich wird der Vatername hinzugefügt (Azzo Soldani). Andere zuweilen angeführte Bei- bzw. Vornamen entbehren der historischen Grundlage (Dominicus), beruhen auf Verwechslung (de Ramenghis) oder sind, wenngleich früh bezeugt, fraglich (Porcus, Porchus, Portius). A. studierte in Bologna unter Johannes Bassianus Zivilrecht und lehrte dort spätestens seit 1190. 1191 trafen er und Lotharius Cremonensis mit Kaiser Heinrich VI. bei dessen Aufenthalt in Bologna zusammen. Mit diesem Treffen verbindet sich die berühmte Anekdote vom geschenkten Pferd (in einigen Quellen fälschlich auf Barbarossa sowie Bulgarus und Martinus Gosia bezogen): Während Lothar die Frage Heinrichs, wem das imperium merum gebühre, ausschließlich zugunsten des Kaisers beantwortete und dafür ein Pferd erhielt, ging A., nach dessen Ansicht das imperium merum auch anderen höheren Obrigkeiten zukam, leer aus („licet ob hoc amiserim equum, quod non fuit aequum“, Summa codicis, ad. Cod. 3,13, n. 17). Als Rechtsgelehrter und Lehrer errang A. schon bald legendären Ruf und hatte großen Zulauf. Zu seinen Schülern zählen die Legisten → AccursiusAccursius (um 1185–1263), Bernardus Dorna, Jacobus Balduini, Martinus de Fano und Roffredus de Epiphanis, die Kanonisten Goffredus de Trano und Johannes Teutonicus sowie der Feudist Jacobus de Adrizone. Die Berichte jüngerer Quellen, A. habe zuweilen an die 10000 Hörer gehabt und auf offener Straße lesen müssen, beruhen jedoch auf Mißverständnissen der Autoren.

      Neben der Glossatoren- und Lehrtätigkeit wirkte A. als Rechtsberater in privaten und öffentlichen Angelegenheiten. Zwischen 1198 und 1220 war er ausweislich der überlieferten Urkunden mehrfach an Vertragsschlüssen Bolognas mit anderen italienischen Städten beteiligt bzw. Mitglied Bologneser Gesandtschaften. Nach der Chronik Alberichs von Troisfontaines ist er im Jahr 1220 gestorben, wofür spricht, daß er seit dem 15. Juli d.J. nicht mehr in Erscheinung tritt. Die These → SavignysSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861), A. sei frühestens im Jahr 1230 gestorben, ist inzwischen widerlegt (der von A. erwähnte Genueser Podestá Jacobus ist nicht, |37|wie Savigny annahm, der dort für das Jahr 1229 als Podestá bezeugte Jacobus Balduini, sondern der Mailänder Jacobus Manieri, der 1195 das Amt innehatte). Zu den vielen Legenden, die sich um A. ranken, gehört die bis in das 14. Jh. zurückreichende Behauptung, A. sei wegen der Ermordung seines Kollegen Hugolinus hingerichtet worden. Sie findet in zeitgenössischen Quellen keine Stütze und beruht wahrscheinlich auf einer Verwechslung mit seinem Sohn Ameus, der 1243 hingerichtet wurde. Neben Ameus sind vier weitere Söhne A.s bezeugt. Seine Nachkommenschaft läßt sich bis zum Ende des 14. Jh. verfolgen. Bedeutung und Einfluß hatte die Familie nach A. nicht mehr.

      Als Hauptwerke A.s sind seine in über dreißig Handschriften überlieferten, größtenteils noch unedierten Glossenapparate (durchlaufende Kommentierungen) zu allen Teilen des Corpus iuris civilis zu betrachten. Entgegen früherer Ansicht war A. nicht der erste, der solche Apparate zusammengestellt hat, vielmehr wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere sehr alte identifiziert, und es ist wahrscheinlich, daß bereits → IrneriusIrnerius (vor 1100–1125) sich nicht auf Einzelglossen beschränkte. Unter A. setzt sich allerdings mit den sogen. Apparatus maiores ein neuer Apparatetyp durch. Während die älteren (Apparatus minores) durch kurze, nach einzelnen Glossentypen klar voneinander abgegrenzte Kommentierungen gekennzeichnet sind, die sich ohne weiteres in den Satzbau und Gedankengang des glossierten Quellentextes einbauen lassen, wachsen die Glossen in den Apparatus maiores A.s nach Zahl und Umfang durch die Berücksichtigung älterer und zeitgleicher Literatur und die Aufnahme von Argumenten und Gegenargumenten, Allegationen und Lösungen beträchtlich an, wobei sich die Unterschiede der einzelnen Glossentypen nivellieren und an ihre Stelle ein einheitlicher Typ langer „diskursiver“ Glossen tritt. Zum Digestum vetus und zum Codex soll A. neben Apparaten des neuen auch solche des älteren Typs verfaßt haben. Zum Digestum