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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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im Privatrecht |44|vorangetrieben und das von ihnen bearbeitete Recht zu einem „ius commune“ werden lassen, das seine Wirkungen weit über Italien hinaus entfaltete (Koschaker).

      Hauptwerke: Gesamtausgaben: Lyon 1585; Venedig 1615–1616. Angaben zu Einzelausgaben finden sich in: Novissimo Digesto Italiano II, 205 und in: LexMA I, 1376.

      Literatur: Associazione Universitaria di Perugia (Hrsg.): Quinto centenario di Baldo, 1900. – J. Canning: The political thought of Baldus de Ubaldis, 1987. – E. Cortese: Le grandi linee della storia giuridica medievale, 22002, 389–393. – W. Engelmann: Die Schuldlehre der Postglossatoren und ihre Fortentwicklung, 21965. – J. Gordley: The Achievement of Baldus de Ubaldis (132?–1400), in: ZEuP 2000, 820–836. – M. Gutzwiller: Aus den Anfängen des zwischenstaatlichen Erbrechts: ein Gutachten des Petrus Baldus de Ubaldis um 1375, in: Zum schweiz. Erbrecht, FS f. P. Tuor, 1946, 145–178. – N. Horn: Philosophie in der Jurisprudenz der Kommentatoren: Baldus philosophus, in: Ius Commune 1 (1967), 104–149. – Ders.: Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968. – H. Kantorowicz: Baldus de Ubaldis and the Subjective Theory of Guilt, in: ders.: Rechtshistorische Schriften, 1970, 299–309. – P. Koschaker: Europa und das Römische Recht, 1947, 87–105. – H. Lange: Die Consilien des Baldus de Ubaldis (†1400), 1974. – Lange/Kriechbaum, 749–795. – A. Laufs: Rechtsentwicklungen in Deutschland, 62006, 64f. – S. Langer: Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000, 84–86 u. 94–98. – D. Maffei: Giuristi medievali e falsificazioni editoriali del primo Cinquecento, 1979, 19–34 u. 71–74. – G. Mazzuchelli: Baldo, in: ders.: Gli scrittori d’Italia II.1, 1758, 146–155. – K. Pennington: Allegationes, Solutiones, and Dubitationes: Baldus de Ubaldis’ Revisions of his Consilia, in: M. Bellomo (Hrsg.): Die Kunst der Disputation (= Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 38), 1997, 29–72. – V. Piano Mortari: I commentatori e la scienza giuridica medievale, 1964/65, 262–264. – H. Schlosser: Neuere Europäische Rechtsgeschichte: Privat- und Strafrecht vom Mittelalter bis zur Moderne, 22014, 75f. – W. Ullmann: Baldus’s conception of law, in: The Law Quarterly Review 58 (1942), 386–399. – H.G. Walther: Baldus als Gutachter für die päpstliche Kurie im Großen Schisma, in: ZRG KA 92 (2006), 393–409. – Wesenberg: PRG, 28–39. – Wieacker: PRG, 80–96. – Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (hrsg. v. J.G. Ersch und J.G. Gruber) I.7 (1821), 231 (Spangenberg). – DBGI I (2013), 149–152 (E. Cortese). – Enciclopedia Italiana V (1930), 944f. (G. Ermini). – HRG2 I (2008), 410–412 (P. Weimar). – Jur., 58f. (P. Weimar). – Jur.Univ. I, 530–534 (M.J. García Garrido). – LexMA I (1980), 1375f. (P. Weimar). – Novissimo Digesto Italiano II (1957), 204f. (M.A. Benedetto). – Savigny: GRRM VI, 208–248 u. 512f.

      A. Krauß

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      |45|Bartolus de SaxoferratoBartolus de Saxoferrato (1313/14–1357)

      (1313/14–1357)

      Geb. 1313 oder 1314 in Ventura bei Sassoferrato; seine erste Ausbildung erhält er bei dem Franziskaner Petrus de Assisi; ab 1327 Studium des Zivilrechts in Perugia bei Cinus de Pistoia; 1333 Wechsel nach Bologna, wo Jacobus Buttrigarius, Rainerius de Forli und Oldradus de Ponte seine Lehrer sind; in Bologna folgt 1334 die Promotion zum „doctor iuris civilis“; in der Zeit zwischen seiner Promotion und dem Beginn seiner Zivilrechtslehrertätigkeit in Pisa 1339 widmet er sich vermutlich schwerpunktmäßig der praktischen Jurisprudenz; nachweisen läßt sich seine Arbeit als Assessor in Todi, Cagli und Pisa; 1343 (oder bereits im Herbst 1342) beginnt seine Lehrtätigkeit in Perugia; hier gehören zu seinen Schülern → BaldusBaldus de Ubaldis (1319/27–1400), Angelus und Petrus de Ubaldis; 1348 wird B. gemeinsam mit seinem Bruder Bonaccursius das Ehrenbürgerrecht der Stadt Perugia verliehen; Kaiser Karl IV. macht ihn 1355 in Pisa, wo er als Gesandter Perugias auftritt, zum „consiliarius et familiaris domesticus commensalis“, verleiht ihm ein Familienwappen und gesteht ihm und seinen Nachfahren das Privileg zu, Schüler zu legitimieren und für volljährig zu erklären. B. stirbt im Juli 1357 in Perugia.

      B. ist der berühmteste und wohl auch bedeutendste Vertreter der Schule der Kommentatoren (früher eher abwertend als „Postglossatoren“ bezeichnet), die vom späten 13. bis zum Ende des 15. Jh.s auf die Glossatorenschule folgte. Den Namen erhielt diese Schule von der in ihr vorherrschenden Literaturgattung, dem Kommentar, der breit angelegten Erläuterung des Rechtssatzes als Ganzes. Die Wurzeln dieser Schule sind bei Rechtsgelehrten wie Jacobus de Ravanis, Petrus de Bellapertica und Johannes Faber, den sogenannten „doctores ultramontani“, in Orléans und Toulouse zu suchen; ihre Lehren wurden den italienischen Juristen vor allem durch Cinus de Pistoia, den Lehrer des B., vermittelt. Oft bezeichnet man die Kommentatoren auch als Konsiliatoren, um ihre Praxisnähe im Gegensatz zu den Glossatoren |46|hervorzuheben; indessen ist zweifelhaft, ob darin wirklich das unterscheidende Merkmal liegt.

      Ein Grund für den großen Ruhm, der B. aus der Menge der Rechtsgelehrten seiner Zeit hervorhebt, liegt in seiner Vielseitigkeit. Seine Werke behandeln Themen aus dem Zivilrecht, dem Strafrecht und dem öffentlichen Recht, aber auch das internationale Privatrecht, das internationale Strafrecht und völkerrechtliche Probleme. In Anbetracht seines nur etwa 43 Jahre dauernden Lebens hat B. ein sehr umfangreiches literarisches Werk hinterlassen. Hierzu gehören Kommentare zu allen Teilen des Corpus iuris civilis (die Institutionen ausgenommen), zahlreiche Traktate zu juristischen Einzelfragen, des weiteren Repetitiones und Quaestiones und schließlich beinahe 400 Rechtsgutachten. Viele dieser Werke gehen auf die Unterrichtstätigkeit des B. zurück. Die außerordentliche Popularität des B. war aber auch der Grund dafür, daß ihm viele Werke zugeschrieben wurden, die gar nicht aus seiner Feder stammten; bis heute ist bei zahlreichen Werken, wie z.B. bei dem Traktat „Quaestio inter virginem Mariam et diabolum“, die Frage der Urheberschaft des B. nicht restlos geklärt. Auch inhaltlich kommt B.s Schriften große Bedeutung zu. Häufig wird die gedankliche Schärfe und die Kürze seiner Werke gelobt; demgegenüber hat die Kritik am schlechten lateinischen Stil des B. seinem Ruhm kaum geschadet.

      Große Bedeutung hatten B. und die anderen Kommentatoren für die Herausarbeitung einer Theorie des internationalen Privatrechts und des internationalen Strafrechts, einer Theorie, die wegen der Rechtszersplitterung in Italien aufgrund der unterschiedlichen Statuten der einzelnen Städte erforderlich war. Nach Auffassung der Kommentatoren hatte das jeweilige Recht der Städte zwar den Vorrang vor dem römischen Recht, gleichwohl wurden die Statuten durch B. und die anderen Kommentatoren romanisiert, zumal sie eng ausgelegt und die so entstandenen Lücken dann mit Hilfe des römischen Rechts geschlossen werden sollten. Die Fragen, die durch das Aufeinandertreffen der verschiedenen örtlichen Statuten entstanden, wurden ebenfalls diskutiert und durch Einzelfallösungen beantwortet. B. hat es sogar zu einem „kleinen System des internationalen Strafrechts“ (Meili) gebracht; auf Widerspruch stieß in diesem Zusammenhang jedoch seine These, daß ein Dieb, der eine auswärts gestohlene Sache in ein Staatsgebiet hineinbringt, dem internen Strafrechtsstatut unterworfen sei. Nach verschiedenen Überlieferungen soll diese Auffassung Tausenden von Dieben das Leben gekostet haben.

      |47|Besonders wichtig war B. für das Zivilrecht, das er über die Rechtsquellen und die Glosse hinaus weiter entwickelte. Bemerkenswert ist schon die Interpretationsmethode, derer sich B. bei seiner Arbeit an den Quellentexten bediente: Er ging, ebenso wie → BaldusBaldus de Ubaldis (1319/27–1400), bei seinen Analogiebildungen bisweilen so weit, daß er eine Vorschrift aus ihrem Zusammenhang nahm und zu einem allgemein geltenden Rechtsgedanken entwickelte. B.s rechtsschöpferische Fähigkeiten zeigen sich in vielen seiner Lehren. So hat er z.B. die Theorie von der rückwirkenden Kraft der Bedingung entwickelt, die sich bis in das 19. Jh. hinein