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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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das Zinsverbot nicht ausgeschlossen und Verzugszinsen daher zulässig seien. Von einiger Bedeutung ist auch die Schrift „De fluminibus seu Tyberiadis“, worin B. die mit den Flüssen in Zusammenhang stehenden Eigentumsfragen untersucht; dieses Werk weist ihn als einen profunden Kenner der Geometrie aus. Schließlich muß auf die schadensersatzrechtliche Interessenlehre des B. hingewiesen werden, die dem Geschädigten unter gewissen Umständen auch den Ersatz des Affektionsinteresses gewährte.

      Wichtige Anstöße hat B., wie überhaupt die Schule der Kommentatoren, für die Entwicklung des Handelsrechts und der damit zusammenhängenden Materien gegeben, die für die aufstrebenden oberitalienischen Handelsstädte, in denen die Kommentatoren zunächst hauptsächlich wirkten, von großer Bedeutung waren. Zum Beispiel setzt sich B. in dem Traktat „De insigniis et armis“ (ca. 1355) unter anderem mit dem Problem der Schutzmarken auseinander, wobei für ihn der Verbraucherschutz ganz im Mittelpunkt steht.

      Schließlich war B. auch einer der Ersten, der sich mit Fragen des öffentlichen Rechts und des Völkerrechts systematisch beschäftigte. So interessierte ihn z.B. das Problem, wie weit die Jurisdiktionsgewalt eines Staates auf das offene Meer hinausreiche. In seinem Traktat „De Tyrannia“ befaßt er sich ausführlich mit der Frage der Legitimität von Herrschaftsmacht. Allerdings besteht über die staatsrechtliche und politische Grundeinstellung B.s keine Einigkeit. Zum Teil sieht man ihn, der in seiner Geisteshaltung den Franziskanern nahestand, noch ganz dem mittelalterlichen Denken verpflichtet (Chiappelli); gestützt wird diese Ansicht auf die theokratischen Aspekte des Staates und der Gesellschaft im Werk des B. und auf einen gewissen Mystizismus, der |48|sich bei ihm finden läßt. Andere Autoren (z.B. Woolf) finden bei B. aber auch modernere Züge.

      Die Vielseitigkeit des B. und die inhaltliche Bedeutung vieler seiner Schriften machen seinen enormen Ruhm verständlich. Schon bald wurde der Name des „Principe de’giureconsulti“ in einem Atemzug mit Homer, Cicero und Virgil genannt. Der Satz „nemo bonus iurista nisi bartolista“ zeigt die Wertschätzung, die man B. in der Folge entgegenbrachte. Seine Lehrmeinungen wurden in vielen Fällen zur alleinentscheidenden Ansicht; in Spanien und Portugal hatten sie sogar Gesetzeskraft. Das größte Verdienst des B. und der anderen Kommentatoren ist darin zu sehen, daß durch ihre Arbeit dem römischen Recht der Siegeszug durch die gesamte europäische Rechtswissenschaft ermöglicht wurde. Eine kritische Sicht der Kommentatorenschule, ihrer Werke und ihrer Arbeitsweise setzte erst mit der humanistischen Rechtswissenschaft ein (→ AlciatusAlciatus, Andreas (1492–1550), → BudaeusBudaeus, Guilelmus (Guillaume Budé) (1467–1540),Zasius).

      Hauptwerke: Gesamtausgaben: Basel 1588–1589, 10 Bde.; Venedig 1590; Venedig 1603; Venedig 1615; München 1845–1846, 8 Bde. Eine ausführliche kritische Aufstellung der Werke findet sich in: DBI VI, 644–663, ein Verzeichnis zahlreicher Gesamtausgaben bei van de Kamp (s.u.), 109–119.

      Literatur: G. Barni: Bartolo da Sassoferrato ed il problema della giurisdizione sul mare, in: Rivista di storia del diritto italiano 24 (1951), 185–195. – Centro italiano di studi sul basso medioevo u. Accademia Tudertina (Hrsg.): Bartolo da Sassoferrato nel VII centenario della nascita: diritto, politica, società, 2014. – F.J. Cesar: Popular Autonomy and Imperial Power in Bartolous of Saxoferrato: An Intrinsic Connection, in: Journal of the History of Ideas Volume 65 (2004), 369–381. – L. Chiappelli: Le idee politiche del Bartolo, in: Archivio Giuridico 27 (1881), 387–439. – E. Cortese: Le grandi linee della storia giuridica medievale, 22002, 385–389. – H. Dilcher: Zur Einführung – Romanistische Mediävistik, in: JuS 1966, 387–392. – W. Engelmann: Die Schuldlehre der Postglossatoren und ihre Fortentwicklung, 21965. – J.L.J. van de Kamp: Bartolus de Saxoferrato 1313–1357, 1936. – P. Koschaker: Europa und das Römische Recht, 1947, 87–105. – Lange/Kriechbaum, 682–733. – S. Langer: Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000, 78–84 u. 93–98. – A. Laufs: Rechtsentwicklungen in Deutschland, 62006, 63f. – S. Lepsius: Der Richter und die Zeugen (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Bd. 158), 2003. – Dies.: Von Zweifeln zur Überzeugung (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Bd. 160), 2003. – Dies.: Bartolus von Sassoferrato und das europäische Ius commune, in: ZEuP 2015, 313–334. – G. Mazzuchelli: Bartolo, in: ders.: Gli scrittori d’Italia II.1, 1758, 460–468. – F. Meili: Bartolus als Haupt der ersten Schule des internationalen Strafrechts, 1908. – P. Melanchthon: De Irnerio et Bartolo iurisconsultis oratio, 1537. – V. Piano Mortari: I commentatori e la scienza giuridica medievale, 1964/65, 259–262. – A.T. Sheedy: Bartolus on social conditions in the fourteenth century, 1967. – G. Schiemann: Pendenz und Rückwirkung der |49|Be dingung, 1973, 29–35 u. 146f. – H. Schlosser: Neuere Europäische Rechtsgeschichte: Privat- und Strafrecht vom Mittelalter bis zur Moderne, 22014, 74–76. – F. Sturm: Wie leitete Bartolus seine Ausführungen zur Statutenlehre ein?, in: Liber amicorum f. C. Krampe, 2013, 223–333. – Università degli Studi di Perugia (Hrsg.): Bartolo da Sassoferrato, studi e documenti per il VI centenario, 2 Bde., 1962. – P. Weimar: Bartolus de Saxoferrato, in: ders.: Zur Renaissance der Rechtswissenschaft im Mittelalter 1997, 338–350. – Wesenberg: PRG, 28–39. – Wieacker: PRG, 80–96. – C.N.S. Woolf: Bartolus of Sassoferrato – his position in the history of medieval political thought, 1913. – Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (hrsg. v. J.G. Ersch und J.G. Gruber) I.7 (1821), 457 (Spangenberg). – DBGI I (2013), 177–180 (S. Lepsius). – DBI VI (1964), 640–669 (F. Calasso), mit weiteren Literaturangaben. – Enciclopedia Italiana VI (1930), 251f. (F. Ercole). – HRG2 I (2008), 450–453 (S. Lepsius). – Jur., 67f. (P. Weimar). – Jur.Univ. I, 524–530 (M.J. García Garrido). – LexMA I (1980), 1500f. (P. Weimar). – Novissimo Digesto Italiano II (1957), 279f. (M.A. Benedetto). – Savigny: GRRM VI, 137–184 u. 510f.

      A. Krauß

       [Zum Inhalt]

      Jeremy BenthamBentham, Jeremy (1748–1832)

      (1748–1832)

      B. wird als ältestes von sieben Kindern eines wohlhabenden Londoner Attorneys am 15.2.1748 in London geboren, gilt als „Wunderkind“ und studiert bereits 1760 am Queen’s College in Oxford, ab 1763 in Lincoln’s Inn, London, Philosophie und Rechtswissenschaft. Er ist Zuhörer in der King’s Bench Division des High Court, wo er den Verhandlungen von Chief Justice Lord Mansfield folgt. 1763 hört er → BlackstonesBlackstone, Sir William (1723–1780) Vorlesungen über englisches Recht. 1767 wird er als Barrister (Lincoln’s Inn) zugelassen. Er nimmt aber keine praktische Tätigkeit auf, sondern wendet sich der Untersuchung der theoretischen Grundlagen von Recht und Gesetzgebung zu und wird zum „great questioner of all things established“ (John Stuart Mill). Fasziniert von den naturwissenschaftlichen Entdeckungen und Erkenntnissen der Zeit will B. der Newton der Gesetzgebung werden.

      |50|Seine erste größere Arbeit, „A Comment on the Commentaries“ (1775), wagt er nicht zu veröffentlichen, da er in ihr → BlackstoneBlackstone, Sir William (1723–1780) und das System des Common Law insgesamt angreift und beiden Reformfeindlichkeit und Selbstgefälligkeit vorwirft. Die Vorwürfe kehren in abgemilderter Form wieder in „A Fragment on Government“ (1776), das zunächst anonym erscheint und großes Aufsehen erregt. 1787 veröffentlicht B. „Defence of Usury“ (dt. „Vertheidigung des Wuchers“, 1788), das ihn als Anhänger der Lehren Adam Smiths ausweist, eine Position, die er in späteren Jahren aufgibt. 1780 fertig gestellt erscheint 1789 B.s Hauptwerk „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“. Ursprünglich gedacht als Einführung in das Projekt eines neuen Strafgesetzbuches, entwickelt B. in