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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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dt. Philosoph kennenlernt. Schließt sich eng an → StrykStryk, Samuel (1640–1710) an, wird unter dessen Vorsitz Lizentiat beider Rechte und hält 1699 erste Vorlesungen; Anstellung als außerordentlicher Professor 1701, Doktorwürde 1702, wird dann durch königlichen Spezialbefehl → StrykStryk, Samuel (1640–1710) in der juristischen Fakultät adjungiert. Ordentlicher Professor 1711. Nach dem Tod von Johann Samuel Stryk erhält er 1715 dessen Professur der Institutionen und des Lehnrechts, wird kaiserlicher Pfalzgraf und Hofrat, 1719 Geheimer Rat, 1729 zweiter Professor hinter dem Kanzler v. Ludewig. In der Folgezeit ist er vor allem in der Universitätsverwaltung tätig, auf ein vom König angefordertes Gutachten über Möglichkeiten zur Hebung der Universität wird er 1731 Direktor der Universität und Vize-Ordinarius der juristischen Fakultät. Nach dem Tode v. Ludewigs wird er 1743 zum Regierungskanzler des Herzogtums Magdeburg und Ordinarius der juristischen Fakultät ernannt.

      B. ist hinsichtlich der kasuistisch-gründlichen Arbeitsmethode und der Tätigkeit in der Universitätsverwaltung als Schüler → StryksStryk, Samuel (1640–1710) anzusehen, seine kirchenrechtlichen und geschichtlichen Leitgedanken hat er jedoch von → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph entlehnt. Wie → StrykStryk, Samuel (1640–1710) hat er sich auf juristische Arbeiten beschränkt, daneben hat seine tief religiöse Gesinnung in Kirchenliedern Ausdruck gefunden. Von seinen vier Söhnen sind insbesondere Georg Ludwig (Zivil-, Lehn- und Kirchenrecht) und Johann Samuel Friedrich (Strafrecht) hervorzuheben.

      Größte Bedeutung haben B.s kirchenrechtliche und privatrechtliche Schriften. Als wichtigstes Werk ist das „Ius ecclesiasticum Protestantium“ (1714–1737) anzusehen. Hier erläutert er die Lehren des |80|katho lischen und protestantischen Kirchenrechts aus der Kirchengeschichte und weist die modifizierte Geltung des kanonischen Rechtes in der evangelischen Kirche in den Grundsätzen der Reformation und der späteren kirchlichen und weltlichen Gesetzgebung nach. Damit gibt er der Lehre von den Quellen des protestantischen Kirchenrechts (Anregungen des → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph folgend) erstmals eine feste historische Grundlage und stellt – in der Sache vermittelnd – einerseits die Eigenständigkeit des evangelischen Kirchenrechts, andererseits die doch wenigstens subsidiäre Geltung des kanonischen Rechts sicher. Obwohl er von der Kirche spricht als einem Kollegium mit der Fähigkeit, sich selbst eine Ordnung ohne Zwangsgewalt zu geben (wie → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph), betont er wie sein Lehrer immer die Obergewalt des Staates, der allein zwingende Regeln erlassen kann. Zwingende Rechtskraft kann die Kirchenordnung nur durch die Staatsgewalt erhalten. Damit ist im Kern das Kollegialsystem abgelehnt, das Territorialsystem betont. Der Staat kann zwingende Regeln für die kirchliche Ordnung erlassen, nicht aber über Glaubenssätze bestimmen (so auch → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph). Dies bedeutet z.B. für das Eherecht, daß der Staat der kirchlichen Eheschließung jede Rechtswirkung nehmen, also die obligatorische Zivilehe einführen kann (so erstmals Frankreich 1792, das Deutsche Reich 1875). B.s Darstellung des protestantischen Kirchenrechts zählt mit seiner gründlichen historischen Methode wohl zu den größten Leistungen der Rechtswissenschaft des 18. Jahrhunderts (und B. ist einer der ganz wenigen Juristen dieser Zeit, die sogar vor der Kritik → SavignysSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) bestanden haben!).

      In der Pandektenwissenschaft führt B. das Werk → Samuel StryksStryk, Samuel (1640–1710) weiter, ausdrücklich im „Usus modernus Strykianus“ (1733). Sein Ruf als Pandektist beruht aber vor allem auf dem Erfolg der „Introductio in ius digestorum“, die bis 1791 vierzehn Auflagen erfuhr und sich in Klarheit, Systematik und praktischer Brauchbarkeit als bestes Lehrbuch des usus modernus erwies. Bei der Anpassung des römischen Rechts an die praktischen Bedürfnisse der Gegenwart zieht B. noch mehr als einige seiner bedeutendsten Vorgänger (→ StrykStryk, Samuel (1640–1710), Lauterbach, Struve, Schilter) deutsches und Naturrecht heran; so will er etwa dem Mieter, abweichend vom römischen Recht, einen umfassenden Besitzschutz gegenüber dem Vermieter und Dritten gewähren.

      Im peinlichen Recht lehnt er wie → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph die Strafbarkeit von Hexerei und Ketzerei ab (1745) und sucht die Anwendung der Folter durch die Feststellung einzuschränken, daß Verurteilung auch ohne erzwungenes Geständnis möglich sei, wo voller Beweis vorliege.

      |81|Mit der Veröffentlichung von praktischen Anleitungen (zu Disputationen, 1703, zum Referieren und Dekretieren, 1732) folgt er der Tendenz der Frühaufklärung, wie auch in seiner bedeutenden „Introductio in ius publicum universale“, einer naturrechtlichen Darstellung des Staatsrechts in der Nachfolge von → Ulrich HuberHuber, Zacharias (1669–1732); niederl. Jurist.

      Hauptwerke: Introductio in ius digestorum, 1704, 141791. – Introductio in ius publicum universale, 1710, 41773. – Kurzer Entwurf des Kirchenstaats der ersten drey Jahrhunderte, 1713. – Ius ecclesiasticum protestantium usum hodiernum juris canonici juxta seriem decretalium ostendens et ipsis rerum argumentis illustrans, 5 Bde., 1714–1737, 51756ff. – (Hrsg. mit J.F. Ludovici und J.S. Stryk) Usus moderni Strykiani continuatio III/IV, 1712. – Exercitationes ad Pandectas, hrsg. v. G.L. Böhmer, 6 Bde., 1745–1764. – (Hrsg.) Corpus iuris canonici, 1747. Bibliographie bei D. Nettelbladt: Hallische Beiträge zu der Juristischen Gelehrten Historie III (1755), 425–482.

      Literatur: S. Buchholz: Justus Henning Böhmer (1674–1749) und das Kirchenrecht, in: Ius Commune 18 (1991), 37–49. – Conrad: DRG II, 296, 311. – Döhring: GDtRPfl, 378. – R. Kirstein: Die Entwicklung der Sponsalienlehre und der Lehre vom Eheschluß in der deutschen protestantischen Eherechtslehre bis zu J.H. Böhmer, 1966 (dazu D. Schwab in: FamRZ 1968, 637–640). – P. Landau: Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, in: N. Brieskorn u.a. (Hrsg.): Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317–333. – H. Liermann: Justus Henning Böhmer, in: ZRG (KA) 35 (1948), 390–399. – W. Rütten: Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers. Ein Beitrag zur Methode des usus modernus pandectarum. 1981. – H. Schnizer: Justus Henning Böhmer und seine Lehre von der media via zur Interpretation der kanonischen Quellen des gemeinen Rechts, in: ZRG (KA) 93 (1976), 383–393. – W. Schrader: Geschichte der Friedrichs-Universität Halle, I, 1894, 147f. – G. Schubart-Fikentscher: Hallesche Spruchpraxis, 1960. – v. Schulte: Gesch., III 2, 1880 (Ndr. 1956), 92–95. – Renate Schulze: Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler: Bausteine des Ius Ecclesiasticum Protestantium, 2009. – Stintzing-Landsberg: GDtRW III 1, 145–149. – Stolleis: Gesch., I, 293f. – H. de Wall: Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, in: ZRG (KA) 87 (2001), 455–472. – Wieacker: PRG 220f. – ADB 3 (1876), 79–81 (R.W. Dove). – HRG2 I (2008), 640f. (H. de Wall). – Jur., 93 (P. Landau). – Jur.Univ II, 506–508 (P. Landau). – NDB 2 (1955), 392f. (H. Liermann). – Nds.Jur., 41–45 (H. Hof).

      H.

       [Zum Inhalt]

      |82|Henry de BractonBracton, Henry de (1200/1210–1268)

      (1200/1210–1268)

      Geboren im Dorf Bratton Fleming in Devon, studiert B. (auch Bratton geschrieben) wahrscheinlich an der Domschule von Exeter u.a. bei William de Raleigh Theologie, römisches und kanonisches Recht und tritt in den geistlichen Stand ein. Um 1230 beginnt er seine Laufbahn als Schreiber (clericus) des königlichen Richters William de Raleigh, der während der Krisenjahre 1234–1239 Chief Justice ist. Als Raleigh 1239 Bischof wird, bleibt er zunächst in dessen Dienst. 1245 ernennt ihn König Heinrich III. (König 1216–1272) zum „Justice in Eyre“ (Reiserichter). 1247/48 wird er schliesslich Nachfolger Williams von York als Richter am königlichen Gerichtshof „Coram Rege“ (später King’s Bench) und hat dieses Amt zunächst bis 1251 und dann wieder von 1253 bis 1257/59 inne. Er gehört zum Kreis der königlichen Rechtsberater