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Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


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      Ergänzt wurden die staatsrechtlichen Arbeiten B.s durch das zwischen 1857 und 1870 von ihm und Karl Brater herausgebrachte „Deutsche Staatswörterbuch“ (11 Bde.), das jahrzehntelang eines der meistbenutzten politisch-juristischen Nachschlagewerke blieb. Es löste das → v. RotteckRotteck, Karl v. (1775–1840)-WelckerscheWelcker, Karl Theodor (1790–1869) „Staatslexikon“, die einstige Bibel des deutschen Liberalismus, ab, übertraf dieses aber an wissenschaftlicher Solidität. In der liberalen Grundhaltung ist es ihm allerdings verwandt.

      Als B. 1860 einen Ruf der badischen Regierung auf den Lehrstuhl für Staatsrecht und Staatswissenschaft in Heidelberg – als Nachfolger von → Robert v. MohlMohl, Robert v. (1799–1875) – erhielt, entschloß er sich ohne Zögern, ihn anzunehmen, zumal ihm gleichzeitig ein Sitz in der Ersten Kammer (eine Art Oberhaus) angeboten wurde, von dem sich B. ein politisches Betätigungsfeld erhoffte.

      Das bedeutendste Werk B.s während seiner Heidelberger Zeit ist „Das moderne Völkerrecht der zivilisierten Staaten als Rechtsbuch dargestellt“, das nicht nur in europäischen, sondern auch in ostasiatischen Übersetzungen erschien. Es war gedacht als Entwurf für eine zukünftige Kodifikation des Völkerrechts, insbesondere des Kriegsrechts, und erlangte internationale Geltung. B. hat übrigens als Mitbegründer und zeitweiliger Vizepräsident des „Institut de droit international“, einer freien völkerrechtlichen Akademie (1873), auch praktisch für die Fortschritte des Völkerrechts gewirkt.

      Die beiden letzten Lebensjahrzehnte B.s waren außerdem mit intensiver politischer Tätigkeit ausgefüllt: Von 1861 bis 1871 und von 1879 bis zu seinem Tode war er Mitglied der Ersten Kammer, ab 1873 Abgeordneter und zuletzt Präsident der Zweiten Kammer, wo er für ein Kleindeutschland unter Preußens Führung eintrat. Am 21.10.1881 ist B. in Karlsruhe gestorben.

      Hauptwerke: Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft Zürich, 2 Bde., 1838/39, 21856. – Allgemeines Staatsrecht, 1851/52, weitere Aufl. in 2 Bden. 21857, 41868 u. ab 51875/76 u.d.T. „Lehre vom modernen Staat“ (dazu ein 3. Bd. Politik als Wissenschaft, 1876, Ndr. 1965), 61885/86 hrsg. v. E. Loening (Ndr. 1965). – Deutsches Privatrecht, 1853, 31864 (hrsg. v. E. Dahn). – Geschichte des allgemeinen Staatsrechts |74|und der Politik (später Geschichte der neueren Staatswissenschaften) 1864, 31881 (Ndr. 1964). – Das moderne Völkerrecht der zivilisierten Staaten als Rechtsbuch dargestellt, 1868. – Denkwürdiges aus meinem Leben (Selbstbiographie), 3 Bde., 1884 (hrsg. v. R. Seyerlen). Dort auch Bibliographie (III 514–524).

      Literatur: M. Affentranger: Besitzbegriff und Besitzesschutz im Zürcher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987. – H. Bluntschli: Johann Caspar Bluntschli in seiner Stellung zu geistigen Strömungen seiner Zeit, 1908. – M. Bullinger: Johann Kaspar Bluntschli, in: JZ 1958, 560ff. – E. Eichholzer: Johann Caspar Bluntschli als Sozialpolitiker, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1950 (1949), 132ff. – F. Elsener: Die Schweizer Rechtsschulen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, 1975, 381–405. – M.H. Fassbender-Ilge: Liberalismus – Wissenschaft – Realpolitik, 1981. – H. Fritzsche: Johann Caspar Bluntschli, in: Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre (hrsg. v. H. Schultheß), 1945, 135ff. – W. Hochuli: Johann Caspar Bluntschli (1808–1881), in: Zeitschr. f. schweiz. Recht N.F. 101 (1982), 87–104. – F. v. Holtzendorff: J.C. Bluntschli und seine Verdienste um die Staatswissenschaften, in: Deutsche Zeit- und Streitfragen 11 (1882), 4ff. – E. Jayme: Johann Kapar Bluntschli (1808–1881) und das Intern. Privatrecht, in: B.-R. Kern u.a. (Hrsg.): Humaniora. FS für A. Laufs zum 70. Geb., 2006, 135–144. – C.-H. Kim: Von Heidelberg nach Han-Seong. Die Bedeutung von Bluntschlis „Völkerrecht“ für die Proklamation des koreanischen Kaiserreiches, 2015. – Y. Lei: Auf der Suche nach dem modernen Staat. Die Einflüsse der allgemeinen Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis auf das Staatsdenken Liang Qichaos, 2010. – F. Meili: Johann Caspar Bluntschli und seine Bedeutung für die moderne Rechtswissenschaft, 1908. – C. Metzner: Johann Caspar Bluntschli. Leben, Zeitgeschehen und Kirchenpolitik, 1808–1881, 2009. – M. Rehbinder: J.C. Bluntschlis Beitrag zur Theorie des Urheberrechts, in: C. Schott u.a. (Hrsg.): FS f. C. Soliva, 1994, 183–194. – B. Röben: Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861–1881, 2003. – D. Schindler: Jean-Gaspard Bluntschli (1808–1881), in: Institut de droit international, Livre du centenaire 1873–1973 (1973), 45–60. – Stefan Dieter Schmidt: Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, Diss. München, 1966. – A.K. Schnyder: Heimatrecht und internationales Privatrecht in der Schweiz – Bluntschli, in: E. Jayme u.a (Hrsg.): Nation und Staat im internationalen Privatrecht, 1990, 135–144. – K.-P. Schroeder: „Eine Universität für Juristen und von Juristen“. Die Heidelberger Juristische Fakultät im 19. und 20. Jh., 2010, 215–223. – M. Senn: Rassist. u. antisem. Elemente im Rechtsdenken von J.C. Bluntschli, in: ZRG (GA) 110 (1993), 372–405. – Ders.: Bluntschlis Konzept des Zürcher Aktienrechts, in: FS f. P. Forstmoser z. 60. Geb., 2003, 137–152. – Stintzing-Landsberg: GDtRW III 2, 552–558. – Stolleis: Gesch., II, 430–433. – E. Strobel: Johann Caspar Bluntschli, in: Badische Heimat 49 (1969), 147ff. – J. Vontobel: Johann Caspar Bluntschlis Lehre von Recht und Staat, Diss. Zürich, 1956. – ADB 47 (1903), 29–39 (Meyer v. Knonau). – HRG2 I (2008), 620f. (M. Senn). – Jur., 89f. (J.P. Arquint). – Jur.Univ. III, 218–222 (B. López-Jurado). – NDB 2 (1955), 337f. (H. Mitteis). – StL 1 (1985), 839–841 (D. Schindler).

      F.

       [Zum Inhalt]

      |75|Jean BodinBodin, Jean (1529/30–1596)

      (1529/30–1596)

      B. ist 1529 oder 1530 in Angers geboren. Mit sechzehn Jahren tritt er in den Karmeliterorden ein, den er drei Jahre später wieder verläßt; wohl, um einem Häresieprozeß zu entgehen. Sein Jurastudium absolviert er ab 1550 in Toulouse, wo er dann auch selbst unterrichtet. Später, wohl 1561, geht er nach Paris, um den Anwaltsberuf am „Parlament“ auszuüben. Dort beginnt er auch, wissenschaftliche Arbeiten zu publizieren. Er gewinnt großen Einfluß als Berater des Königs Henri III; in den siebziger Jahren ist er dann im Dienste von dessen Bruder, des Herzogs François von Alençon, tätig. Durch seine Vermählung mit Françoise Trouillart (1576) erlangt er 1577 die Stelle eines Staatsanwalts in Laon. Wie bei vielen bedeutenden Juristen seiner Zeit, war auch B.s Leben durch die Religionskämpfe geprägt. In der Bartholomäusnacht 1572 entkam er nur knapp einem Mordanschlag. Sein Wunsch, den Bürgerkrieg in Frankreich zu beenden und ein friedliches Zusammenleben der Konfessionen zu erreichen, erwies sich jahrzehntelang als unrealisierbar. Nach der Gründung der „Liga“ (1576) geriet B. sogar in Opposition zum König und zur katholischen Partei, als er die Ständeversammlung von Blois dazu brachte, die Steuerforderungen des Königs zugunsten der Liga zu verweigern; 1588 mußte er aber nach dem Übergang Laons zur Liga 1588 selbst Ligist werden. Bis zur Einnahme der Stadt durch den neuen König Henri IV (1594) zunehmend isoliert, blieb B. zwar in seinem Amt, zog sich aber aus der öffentlichen politischen Diskussion zurück. 1596 starb er in Laon an der Pest.

      B.s Hauptwerk sind die „Six livres de la République“, eine Staatslehre auf rechtsvergleichender Grundlage. B. hat in diesem Werk wesentliche Elemente des modernen Staatsdenkens, vor allem die Lehre von der Souveränität und von der zentralen Bedeutung der Gesetzgebungsrechts entwickelt. Ein Staat ist „die am Recht orientierte, souveräne Regierungsgewalt über eine Vielzahl von Haushaltungen und das, was |76|ih nen gemeinsam ist“. Souveränität wiederum bedeutet nach B. „die dem Staat eignende absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt“, souverän ist, „wer außer Gott keinen Höheren über sich anerkennt“. Damit findet B. ein Charakteristikum, durch das sich der moderne Staat von den nur relativ