Klaus Hoffmann-Holland

Strafrecht Allgemeiner Teil


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und Tätigkeitsdelikte

      51Erfolgsdelikte sind solche, die tatbestandlich den Eintritt eines objektiven Ereignisses voraussetzen, den Erfolg (z.B. den Tod eines Menschen bei § 212 Abs. 1 StGB). Es gibt aber auch Straftatbestände, die keinen bestimmten Erfolg, sondern lediglich eine bestimmte Tätigkeit voraussetzen (z.B. das Tätigen einer Falschaussage in den von §§ 153, 154 StGB beschriebenen Fällen). Dies sind Tätigkeitsdelikte. Eine besondere Form der Erfolgsdelikte sind die sog. erfolgsqualifizierten Delikte, bei denen zu dem Erfolg des Grunddeliktes ein zumindest fahrlässig (§ 18 StGB) herbeigeführter weiterer Erfolg hinzutritt, |17|z.B. bei der Körperverletzung mit Todesfolge zum Verletzungserfolg des Grunddelikts der (zumindest fahrlässig verursachte) Tod des Verletzten, § 227 Abs. 1 StGB. Sie werden gem. § 11 Abs. 2 StGB als vorsätzliche Taten behandelt.

      5. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte

      52Verletzungsdelikte kennzeichnen sich dadurch, dass die Tatbestandsverwirklichung eine Schädigung des Handlungsobjektes voraussetzt (z.B. Tod eines Menschen bei § 212 Abs. 1 StGB; Beschädigung einer Sache bei § 303 Abs. 1 StGB). Demgegenüber knüpfen die Gefährdungsdelikte an eine bloße Gefahrschaffung durch den Täter an. Die abstrakten Gefährdungsdelikte lassen es für die Tatbestandsverwirklichung ausreichen, dass der Täter eine Handlung vorgenommen hat, welche nach der gesetzlichen Vermutung generell gefährlich ist (z.B. Führen eines Fahrzeugs im Zustand der Fahruntüchtigkeit in § 316 Abs. 1 StGB). Die konkreten Gefährdungsdelikte setzen demgegenüber voraus, dass sich die Gefahr im konkreten Fall realisiert hat, dass es also zu einer Situation gekommen ist, in der das geschützte Rechtsgut tatsächlich gefährdet war. So liegt eine Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht schon dann vor, wenn der Täter in fahruntüchtigem Zustand ein Fahrzeug führt, vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass es hierdurch tatsächlich zu einer Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist.

      6. Begehungs- und Unterlassungsdelikte

      53Begehungsdelikte sind Straftaten, die durch ein aktives Tun verwirklicht werden, während der Tatbestand von Unterlassungsdelikten durch Untätigbleiben erfüllt wird. Innerhalb der Unterlassungsdelikte ist zu unterscheiden zwischen sog. echten Unterlassungsdelikten, bei denen das strafbare Unterlassen im Besonderen Teil tatbestandlich speziell beschrieben ist (z.B. §§ 123 Abs. 1 Var. 2, 138, 323c StGB) und sog. unechten Unterlassungsdelikten. Das strafbare Unterlassen bei unechten Unterlassungsdelikten ist gesetzlich nicht speziell festgelegt, sondern in § 13 Abs. 1 StGB allgemein geregelt. Wenn jemand nicht verhindert, dass ein tatbestandlicher Erfolg eintritt, ist er nach § 13 Abs. 1 StGB hierfür nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg ausbleibt. Um Täter zu sein, muss ihn also eine besondere Pflicht, die sog. Garantenpflicht treffen. Eine solche hat bspw. ein Vater im Hinblick auf seine Kinder inne, so dass er nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB wegen Totschlags durch Unterlassen schuldig ist, wenn er seinen Sohn nicht vor dem Ertrinken rettet, obwohl ihm dies möglich wäre.

      |18|7. Vollendetes Delikt, versuchtes Delikt und Unternehmensdelikt

      54Bei vollendeten Delikten erfüllt der Täter alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale. Beim versuchten Delikt liegt der subjektive Tatbestand (der beim Versuch als Tatentschluss bezeichnet wird) vollständig vor, während es an einem objektiven Tatbestandsmerkmal fehlt, insoweit also keine Vollendung eingetreten ist. Versucht (und nicht bloß vorbereitet) ist die Tat gem. § 22 StGB nur, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat.

      55Unternehmensdelikte[49] sind Straftaten, bei denen nach der Legaldefinition des § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB Versuch und Vollendung gleichgestellt sind. Echte Unternehmensdelikte enthalten schon im gesetzlichen Tatbestand den Begriff „unternehmen“. Bei unechten Unternehmensdelikten fehlt dieser Begriff zwar, aber aus der Tatbestandsformulierung ergibt sich, dass die Vollendung schon bei Vornahme der Tathandlung gegeben sein kann, z.B. bei der Jagdwilderei gem. § 292 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB, die voraussetzt, dass dem Wilde nachgestellt wird (ohne dass es gefangen oder erlegt werden muss).

      8. Allgemeindelikte und Sonderdelikte

      56Bei der Einteilung der Delikte kann auch hinsichtlich des potenziellen Täterkreises unterschieden werden. Die meisten Delikte des StGB können von „jedermann“ verwirklicht werden und stellen daher Allgemeindelikte dar. Daneben existiert aber auch eine Reihe von Tatbeständen, deren Begehung von vornherein nur einem ganz bestimmten Täterkreis möglich ist, die sog. Sonderdelikte. So kann bspw. eine Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) nur ein Amtsträger begehen und eine Verletzung von Privatgeheimnissen nur durch eine der in § 203 Abs. 1, 2 StGB ausdrücklich genannten Personen verwirklicht werden.

      9. Dauer- und Zustandsdelikte

      57Im Strafrecht kann zeitlich zwischen der (grundsätzlich straflosen) Vorbereitungshandlung, dem Versuch, der Vollendung und der Beendigung unterschieden werden (hierzu noch Rn. 611ff.). Diese Unterscheidung wirkt sich bei den Dauer- und Zustandsdelikten aus. Bei den Zustandsdelikten ist mit der Vollendung, d.h. der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale, grundsätzlich auch die Beendigung eingetreten. Bsp. für ein Zustandsdelikt ist die Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB. Dort kommt es mit Vornahme der Tathandlung zum Verletzungserfolg, die Tat ist gleichzeitig vollendet und beendet. Anders ist dies bei den Dauerdelikten. Dort fallen die Zeitpunkte der Vollendung und Beendigung auseinander. Der Täter hält den rechtswidrigen Zustand aufrecht und lässt dadurch den von ihm herbeigeführten Erfolg fortdauern. Ein Bsp. |19|für ein Dauerdelikt ist die Freiheitsberaubung nach § 239 StGB. Dort tritt mit der Tathandlung ebenfalls ein rechtwidriger Zustand (der Verlust der Freiheit) ein, dieser kann aber vom Täter aufrechterhalten werden. Beendet ist die Freiheitsberaubung daher erst dann, wenn das Opfer seine Freiheit wieder erlangt.[50]

      10. Eigenhändige Delikte

      58Einzelne Tatbestände im Besonderen Teil des StGB können nur durch eigenhändige Ausführung der Tathandlung durch den Täter erfüllt werden. Dazu gehören bspw. die Aussagedelikte nach §§ 153ff. StGB. Derjenige, der die Tathandlung nicht selbst ausführt, kann nicht Täter des eigenhändigen Delikts, sondern allenfalls Teilnehmer sein.[51]

      VI. Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

      59Die §§ 3–7 StGB regeln das sog. internationale Strafrecht.[52] Diese Bezeichnung ist insofern irreführend, als die Vorschriften nie die Anwendung ausländischen Strafrechts bestimmen, vielmehr diejenigen Prinzipien enthalten, aus denen sich die räumliche und personelle Geltung des deutschen Strafrechts ergibt. Die Funktion der §§ 3ff. StGB liegt somit in der Festlegung des Anwendungsbereichs des deutschen materiellen Strafrechts, so dass die Bezeichnung „deutsches Strafanwendungsrecht“[53] insgesamt treffender erscheint. In der Fallbearbeitung ist darauf nur dann einzugehen, wenn eine im Sachverhalt geschilderte Tat einen Bezug zum Ausland hat, also insbesondere dann, wenn die Tathandlung im Ausland vorgenommen wird und/oder der Taterfolg im Ausland eintritt.[54] Ist dies der Fall, ist noch vor der Prüfung der einzelnen Strafbarkeitsvoraussetzungen gesondert festzustellen, ob das deutsche Strafrecht überhaupt Anwendung findet.

      60Auf der Grundlage des im StGB normierten Strafanwendungsrechts findet deutsches Strafrecht in erster Linie Anwendung, wenn eine Straftat innerhalb des Staatsgebiets der BRD begangen wurde. Nach den §§ 4ff. StGB fallen aber auch bestimmte Straftaten unter die deutsche Strafgewalt, die im Ausland begangen wurden, so dass das deutsche Strafanwendungsrecht insgesamt als partiell erweitertes Territorialitätsprinzip charakterisiert werden kann.[55]

      |20|1. Grundprinzip: Territorialitätsprinzip