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Besonderes Verwaltungsrecht


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„sanft“ und konsensual erfolgt, bietet das Beihilferecht – ähnlich wie die Anwendung der Grundfreiheiten – der Kommission eine effektive Möglichkeit, auf nationale Abgabenregelungen unmittelbaren Einfluss zu nehmen. Wenn ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV festgestellt wird, beschließt die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV, dass der jeweilige Mitgliedstaat binnen einer festzulegenden Frist die Regelung aufzuheben oder umzugestalten hat[1307]. Rückwirkend sind sämtliche Auswirkungen der Beihilfeauszahlung bzw. Abgabenbefreiung zu beseitigen, der gewährte Betrag ist samt Zinsen zurückzufordern. Die Brisanz einer solchen Entscheidung liegt auf der Hand, eine Abgabenregelung nachträglich zu verwerfen kann zu tiefgreifenden Eingriffen in das Steuer- und Abgabenrecht eines Mitgliedstaates führen, ungeachtet der mitgliedstaatlichen Vorbehalte und der fehlenden Harmonisierung in diesem Bereich. Hinzu kommen praktische Herausforderungen, denn die Rückforderung der Beihilfe vom Empfänger bzw. Begünstigten hat der Mitgliedstaat nach nationalem Verfahrensrecht – unter Berücksichtigung des effet utile – eigenständig durchzuführen[1308].

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      Das unionale Beihilfenregime bezieht sich stets auf einzelne, selektive steuerliche Maßnahmen, nicht auf das mitgliedstaatliche Steuersystem als solches. Das Kompetenzdefizit der Union in Puncto Harmonisierung lässt sich so kaum aushebeln[1309]. Die Intensivierung der Beihilfenkontrolle in Bezug auf steuerliche Regelungen als Folge der Monti-Initiative zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs hat verdeutlicht, dass das Unionsrecht, insbesondere der Gedanke des unverfälschten Wettbewerbes im Binnenmarkt, in das Steuer- und Abgabenrecht der Mitgliedstaaten strahlt, und dass Art. 107 Abs. 1 AEUV für die Unionsorgane potenziell ein scharfes Schwert darstellt. Gleichwohl haben noch immer die Mitgliedsstaaten die exklusive, wenig harmonisierte Kompetenz im Bereich der Besteuerung inne. Es steht ihnen frei, neue Steuerregelungen zu schaffen, Steuersätze zu erhöhen und zu senken, oder steuerliche Systementscheidungen zu modifizieren,[1310] solange kein Verstoß gegen europäisches Beihilfenrecht oder sonstiges Unionsrecht erfolgt[1311]. In den Worten Wolfgang Schöns: „Der MS [Mitgliedstaat] trifft autonom die grundlegenden Belastungsentscheidungen, wird aber kraft europäischen Rechts zu ihrer gleichheitskonformen Ausgestaltung gezwungen“[1312].

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      Die Vorschriften der Art. 107 ff. AEUV sind neben den steuerlichen Vorschriften anwendbar, Maßnahmen sind ggf. unter beiden Aspekten zu prüfen. In der Judikatur des Gerichtshofs verzichtet dieser freilich auf eine Prüfung anhand von Art. 107 AEUV, wenn ein Verstoß gegen Art. 110 AEUV festgestellt werden konnte[1313].

      Anmerkungen

       [1]

      Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Michael Droege, Zur Besteuerung der öffentlichen Hand, 2018, der am Beispiel seines Themas die regulierende Wirkung des Steuerrechts analysiert und mit der wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Regulierung vergleicht.

       [2]

      Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 31924, S. 315 ff.: „Die Finanzgewalt“; vgl. ferner Fritz Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 81928, S. 419 ff.; Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 31931, S. 382 ff.; Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 331 ff.

       [3]

      Näher unten Rn. 67 ff.

       [4]

      Albert Hensel, Der Einfluss des Steuerrechts auf die Begriffsbildung des öffentlichen Rechts, VVDStRL 3 (1927), S. 63.

       [5]

      Klaus Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 11990, § 87 Rn. 1.

       [6]

      Christian Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 39 (2006), S. 155.

       [7]

      Peter Badura, Die Entscheidung über die Staatsaufgaben und ihre Finanzierung in der parlamentarischen Demokratie, in: FS für Peter Selmer, 2004, S. 19 (20); auf den Haushalt bezogen Albert von Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, in: VVDStRL 42 (1984), S. 147 (168).

       [8]

      Zum Steuerungsfaktor Geld im Verwaltungsrecht umfassend Stefan Korioth, Finanzen, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 3, 22013, § 44.

       [9]

      Vgl. nur Karl Heinrich Friauf, Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27 (1969), S. 1 ff.; Jost Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, 1978, S. 304 ff.; Reiner Schmidt, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsverwaltungsorganisation, Wirtschaftsförderung, in: Norbert Achterberg/Günter Püttner/Thomas Würtenberger (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 22000, § 1 Rn. 108 ff.

       [10]

      Zur Konjunkturpolitik im Überblick Schmidt (Fn. 9).

       [11]

      Badura (Fn. 7), S. 20.

       [12]

      Klaus Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 32004, § 30 Rn. 25 ff.; für das Verwaltungsrecht: Korioth (Fn. 8).

       [13]

      Vogel (Fn. 12), § 30 Rn. 51 ff.; grundlegend Josef Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 409; ferner Klaus Vogel/Christian Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts, 1999, Rn. 327 ff.

       [14]

      Ute Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, 2000, S. 129 ff.; dies./Joachim Wieland (Hg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, 2000; Arndt Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004; ders., Dimensionen des Äquivalenzprinzips im Recht der Staatsfinanzierung, ZG 2005, S. 123.

       [15]

      Dazu in anderem Zusammenhang kritisch Andreas Voßkuhle, Der „Dienstleistungsstaat“, Der Staat 40 (2001), S. 495.

       [16]

      Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 32004, § 24

       [17]